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Grünes Licht für neuen Euro-Stabilitätspakt

28. September 2011

Das EU-Parlament bringt die bislang größte Reform des Stabilitätspakts auf den Weg. Defizitsündern drohen dann automatische Strafen. EU-Kommissionschef Barroso wirbt außerdem dafür, Finanzgeschäfte zu besteuern.

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Barroso spricht vor EU-Parlament in Straßburg (Foto: dpa)
Barroso erklärt dem Europaparlament seine SteuerpläneBild: picture alliance/dpa

Im Kampf gegen die Schuldenkrise hat das Europaparlament den Euro-Stabilitätspakt deutlich verschärft. Das Parlament verabschiedete am Mittwoch (28.09.2011) in Straßburg sechs Verordnungen, die neue Schuldenkrisen wie diejenige in Griechenland verhindern sollen.

Ein Mann transportiert einen Sechserträger auf der Schulter (Archivfoto: dpa)
Weil der Parlamentsbeschluss sechs Maßnahmen umfasst, wurde er von einigen Parlamentariern Sixpack getauftBild: picture-alliance/dpa

Zentraler Punkt der Neuregelung: Staaten, die die Defizitgrenze von drei Prozent reißen, werden künftig quasi automatisch sanktioniert. Eine ausdrückliche Zustimmung aller EU-Staaten ist für die Einleitung eines Strafverfahrens dann nicht mehr nötig. Gestoppt werden kann dieses Verfahren nur noch durch eine Zweidrittelmehrheit der EU-Länder. Bislang konnten wenige Mitgliedsstaaten das Verhängen von Sanktionen stoppen. Deshalb musste bis heute trotz der massiven Schuldenprobleme mehrerer EU-Staaten kein Land Strafen zahlen.

Ministerrat muss zustimmen

Die Abgeordneten nahmen die sechs Verordnungen - auch Sixpack genannt - mit der Mehrheit von Konservativen und Liberalen an. Sozialdemokraten und Grüne stimmten dagegen, weil der neue Pakt nach ihrer Meinung zu stark auf Sparen setzt und zu wenig das Wachstum fördert.

Das Paket dürfte nach abschließender Annahme durch den EU-Ministerrat bis Anfang 2012 in Kraft treten. Für die schärferen Strafen gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren bis 2015. Dieses Sixpack ist die größte Reform des Euro-Stabilitätspaktes seit der Einführung des Euro 1999.

Kommission beschließt Finanzmarktsteuer

Skontoführer in der Frankfurter Börse (Foto: DW)
Eine Steuer auf Finanzgeschäfte könnte nach Berechnung der EU-Kommission 55 Mrd. Euro bringenBild: DW

Die EU-Kommission hatte sich nur wenige Stunden zuvor bereits zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in allen 27 Mitgliedsstaaten entschlossen - trotz des erbitterten britischen Widerstandes. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag sei vom Kollegium angenommen worden, teilte Kommissionschef José Manuel Barroso am Vormittag in einer Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg mit.

In den vergangenen Jahren hätten die EU-Staaten die Banken mit Garantien über 4,6 Billionen Euro gestützt, erklärte Barroso. "Es ist Zeit, dass der Finanzsektor der Gesellschaft einen Beitrag zurückgibt."

Zusätzliche Einnahmen - für wen?

Die Steuer könne jährliche Einnahmen von 55 Milliarden Euro einbringen, sagte Barroso. Angesichts des Sparzwanges in der EU seien neue Einnahmequellen notwendig. Es könnten die Arbeit oder der Verbrauch stärker besteuert werden. "Aber es ist auch fair, Finanzaktivitäten zu besteuern."

Nach dem Willen der Kommission soll die Finanztransaktionssteuer dem EU-Haushalt zugute kommen. Das wird allerdings von zahlreichen EU-Regierungen - darunter der deutschen - strikt abgelehnt.

Weitere Details des geplanten Gesetzes nannte der Kommissionschef nicht. Laut Medienberichten sieht der Gesetzesvorschlag vor, ab 2014 den Kauf und Verkauf von Wertpapieren, Anleihen, Aktien und Derivaten zwischen Banken, Versicherungen und allen weiteren Finanzhäusern zu besteuern. Ausgenommen sei das Privatkundengeschäft. Für Aktien- und Anleihengeschäfte sei ein Satz von 0,1 Prozent vorgesehen. Für Derivate ein Satz von mindestens 0,01 Prozent des Umsatzes.

Altbekannte Hindernisse

Luftaufnahme der Londoner City (Archivfoto: dpa)
Aus dem Londoner Finanzviertel kommt der stärkste Widerstand gegen eine FinanztransaktionssteuerBild: picture-alliance/dpa

Über eine Steuer auf Finanzmarktgeschäfte wird seit Jahrzehnten diskutiert. Deutschland und Frankreich drängen seit langem auf eine solche Steuer in der EU. Vor allem wegen des britischen Widerstandes galt das Vorhaben aber bislang als schwer umzusetzen.

London fürchtet durch einen EU-Alleingang die Flucht der Spekulanten auf andere Finanzmärkte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich aufgrund des Londoner Widerstands dafür ausgesprochen, die Steuer in einem ersten Schritt zur Not nur in der Eurozone einzuführen, um die britische Blockade zu umgehen.

Gegen neue Institutionen, für neue Eurobonds

Den deutsch-französischen Vorschlag für eine Wirtschaftslenkung in der Eurozone lehnte Barroso in seiner Rede dagegen ab. "Die Kommission ist die wirtschaftspolitische Regierung der Union", sagte er im Europaparlament. Die EU brauche keine neuen Institutionen, betonte der Kommissionspräsident unter anhaltendem Applaus der Abgeordneten. Berlin und Paris hatten im August eine von den EU-Staaten gelenkte Wirtschaftsregierung für die Eurozone vorgeschlagen. Dazu sollte nach dem Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des französischen Staatschefs Nicolas Sarkozy der amtierende EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zugleich Chef der Eurogruppe werden.

Barroso warb abermals für die Einführung von Eurobonds. Voraussetzung dafür sei aber, dass derartige gemeinsame Anleihen diejenigen Regierungen belohnten, die sich an die gemeinsamen Sparregeln hielten, und diejenigen abschreckten, die die Regeln brechen. Zudem solle der Euro-Rettungsfonds EFSF so effizient wie möglich eingesetzt werden. Und dessen permanenter Nachfolge-Mechanismus ESM müsse früher als bisher geplant in Kraft treten. Derzeit ist der Start des ESM für das Jahr 2013 geplant.

Barroso fordert Ende des Einstimmigkeitsprinzips

Der Kommissionspräsident plädierte ferner dafür, das Einstimmigkeitsprinzip bei Abstimmungen der EU-Mitgliedstaaten - wie es etwa in der Steuerpolitik gilt - aufzugeben. Es könne nicht länger der langsamste Staat das Tempo diktieren, meinte Barroso. An diesem Prinzip dürfte am Ende wohl auch der Gesetzentwurf zu einer Finanztransaktionssteuer für die gesamte EU scheitern.

Autor: Martin Schrader (afp, dapd, dpa, rtr)

Redaktion: Dirk Eckert