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Grabenkämpfe im Golfkooperationsrat

Kersten Knipp9. März 2014

Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre Botschafter aus Katar abgezogen. Die Entscheidung zeigt: Die Arabellion hat auch die konservativen Monarchien der arabischen Halbinsel erreicht.

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Tagung des Golf-Kooperationsrat im Jahr 2012 (Foto: "picture-alliance/Photoshot)
Bild: picture-alliance/Photoshot

Es ist eine starke diplomatische Geste: Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre Botschafter aus Doha abgezogen. Die drei Staaten begründen ihren Schritt damit, Katar habe ein im November 2012 geschlossenes Abkommen nicht umgesetzt, in dem sich die Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrates (Kuwait, Saudi-Arabien, Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate, Katar und Oman) darauf geeinigt hätten, niemanden zu unterstützen, der Sicherheit und Stabilität der Staatengruppe bedrohe - ganz gleich, ob es sich um Individuen oder Gruppen handelt.

Genauere Angaben, wodurch Katar die Sicherheit und Stabilität der arabischen Halbinsel gefährde, machten die drei Staaten nicht. Umso deutlicher waren die Erklärungen, die aus Doha kamen. "Es geht um Sisi", erklärte Nasser bin Hamad Al Khalifa, der ehemalige Botschafter Katars bei den Vereinten Nationen, im Sender Al-Dschasira, der in Doha beheimatet ist. Gemeint war der ägyptische General Abdel Fatah al-Sisi, stellvertretender Ministerpräsident Ägyptens. Über die Haltung gegenüber al-Sisi und seinen größten politischen Rivalen, den Muslimbrüdern, ist in der Gruppe der Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrates (GCC) ein offener Streit entbrannt.

Die Skyline von Doha, 20.02.2014 (Foto: Getty Images)
Architektonisches Bekenntnis zur Moderne: die Skyline von DohaBild: Getty Images

Die Angst der Saudis vor den Muslimbrüdern

Saudi-Arabien hatte sich von Anfang an gegen die Muslimbrüder gestellt. Denn deren sozial-revolutionärer Kurs sorgt in Riad für Unruhe. Die Königsfamilie der Al-Saud fürchtet, das Beispiel der Muslimbrüder könnte auch in Saudi-Arabien Schule machen. "Die saudische Regierung hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zu den Muslimbrüdern", sagt Christian Koch, Wissenschaftler am Gulf Research Center in Dubai. "Aus saudischer Sicht droht eine Ausbreitung der Muslimbrüder in die gesamte Region. Diese, so die Sorge, könnte auch die Stabilität der Golfstaaten in Gefahr bringen."

Um dem entgegenzuwirken hat Saudi-Arabien die nun regierenden ägyptischen Militärs massiv unterstützt. Zusammen mit Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten hat Saudi-Arabien Ägypten in den Monaten nach dem Sturz der regierenden Muslimbrüder kostenlose Erdöllieferungen im Wert von vier Milliarden Dollar zukommen lassen. Außerdem überwiesen die drei Staaten direkte Finanzhilfen in Höhe von rund 12 Milliarden Dollar. Sicherheit und Stabilität sind aus Sicht Saudi-Arabiens und seiner Partner derzeit nur mit den ägyptischen Militärs zu haben.

Diese Haltung macht sich auch die von einem saudischen Finanzier unterhaltene Zeitung Al Hayat zu eigen. Die saudische Position den Muslimbrüdern gegenüber sei richtig, denn sie schütze die Halbinsel vor der von ihnen ausgehenden Gefahr. Katar hingegen widersetze sich dieser Politik - "ohne die Interessen der Region zu berücksichtigen und ohne die Dimension der Gefahren zu begreifen, die ihr von allen Seiten drohen", schreibt Al Hayat.

Katars schwieriges Verhältnis zu den ägyptischen Militärs

In Katar sieht man das anders. Dort hat die Regierung die Muslimbrüder unterstützt. Diese stehen dort für einen moderaten Islam, der sich zudem wirtschaftlicher Modernisierung nicht verschließt. Den Machtverlust der Muslimbrüder hat die katarische Regierung mit Bestürzung registriert.

Panzer vor dem Tora-Gefängnis, in dem die Journalisten von Al-Dschazira auf ihren Prozess warten, 20.02.2014 (Foto: REUTERS)
Starker Staat? Panzer vor dem Tora-Gefängnis, in dem Journalisten von Al-Dschasira auf ihren Prozess wartenBild: Reuters

Wie angespannt das Verhältnis der beiden Staaten seitdem ist, zeigt sich derzeit an dem Prozess gegen insgesamt 17 Mitarbeiter von Al-Dschasira. Der Sender hat über die Muslimbrüder immer ausgesprochen freundlich berichtet. Jetzt müssen sich die Journalisten wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beziehungsweise deren Förderung verteidigen. Vorgeworfen wird ihnen zudem, "falsche Nachrichten zur Schädigung des Ansehens Ägyptens" verbreitet zu haben.

Mit seiner Sympathie für die Muslimbrüder trifft Katar allerdings auch das Lebensgefühl vieler Bürger Saudi-Arabiens. Der an Bildung und Aufstieg orientierte saudische Mittelstand geht auf Distanz zur wahhabitischen Staatsreligion. Ihr setzen Angehörige der Mittelschicht die Lehre der Muslimbrüder entgegen, die ihnen gesellschaftlich und intellektuell viel größere Freiheiten lässt als der ultrakonservative Wahhabismus. Zwar zeigt sich das saudische Königshaus offen für Reformen, die aber gehen vielen Bürgern zu langsam. Dadurch riskiert es, den Kontakt zur Mittelschicht zu verlieren - zu Bürgern also, deren Rolle angesichts des absehbaren Endes des Ölreichtums immer wichtiger wird.

Riads Riskanter Kurs

Gleichzeitig verliert Saudi-Arabien innerhalb des Golfkooperationsrates an Gewicht. Das zeigte sich deutlich in der von Riad angestoßenen Diskussion um die Intensivierung der Beziehungen der Mitgliedsstaaten. Der Rat, so wünschten es sich die Saudis, sollte sich in eine "Union" verwandeln. Oman lehnte dies ab. Einen solchen Schritt würde das Land nicht mitmachen - und aus dem Rat austreten.

Hilflos musste Saudi-Arabien auch zusehen, wie Oman in der iranischen Atomfrage zwischen Teheran und dem Westen vermittelte. Das nach zähen Verhandlungen erreichte Moratorium bringt den Iran wieder in die Nähe der Internationalen Staatengemeinschaft. Dadurch wird auch das regionale Gewicht des Iran aufgewertet - auf Kosten Saudi-Arabiens, das bislang nicht nur die religiöse, sondern auch die politische Führungsrolle im Nahen Osten beanspruchte. Der Rückzug der Botschafter Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten aus Katar könnte ein Versuch sein, die angeschlagene Autorität wieder zurückzugewinnen. Denn außen- wie innenpolitisch steht für das saudische Könighaus viel auf dem Spiel.

Herrscher über ein Reich in Aufruhr: der saudischer König Abdullah, umringt von Prinzen (Foto: dpa)
Der saudische König Abdullah im Kreis seiner FamilieBild: picture-alliance/dpa

Die in London erscheinende Zeitung Al Quds al Arabi bezweifelt allerdings, dass dieser Kurs angemessen sei. Die Entscheidung zeige, wie nervös Saudi-Arabien und seine Partner hinsichtlich der politischen Entwicklung in Ägypten seien. Scheiterten die Militärs, falle das auch auf Riads Partner auf der Halbinsel zurück. So deutet der harte Kurs darauf hin, "dass Saudi-Arabien die weltweiten Veränderungen nicht sehen will, sie weiterhin leugnet und ignoriert."