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Graf Lambsdorff: "Wir bleiben involviert"

Bahri Cani15. September 2012

In Pristina verkündete die internationale Lenkungsgruppe ihre Auflösung und damit das Ende der "überwachten Unabhängigkeit" für das Kosovo. Was bedeutet das? Ein Interview mit Nikolaus Graf Lambsdorff.

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Porträt von Nikolaus Graf Lambsdorff, (Foto: Tim Brakemeier dpa/lbn +++(c) dpa - Report)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Lambsdorff, wie bewerten Sie die Entscheidung des Internationalen Lenkungsausschusses, das Kosovo in die uneingeschränkte Selbstständigkeit zu entlassen? Ist das Kosovo wirklich reif für die volle Selbstbestimmung, für Souveränität?

Nikolaus Graf Lambsdorff: Es ging ja bei der Entscheidung der International Steering Group (10.9.2012) erst einmal darum, ob das International Civilian Office (ICO), geleitet von Pieter Feith, dem International Civilian Representative, die Aufgaben erfüllt hat, die es nach dem sogenannten Ahtisaari-Plan erfüllen sollte, so weit das möglich ist. Und da ist die International Steering Group zu dem Schluss gekommen, dass in der Tat das ICO diese Aufgaben erfüllt hat. Wir wissen natürlich auch, dass manche Aufgaben, vor allem diejenigen im Norden Kosovos, nicht erfüllt sind und vom ICO auch nicht erfüllt werden konnten, und so ist die ISG dann zu dem Schluss gekommen, auf Empfehlung von Pieter Feith das ICO zu schließen. Damit ist übrigens auch die Existenz der International Steering Group beendet.

Eine Frau zeigt die albanische Fahne. (Foto: AP Photo/Bela Szandelszky)
Kosovo feiert UnabhängigkeitBild: AP

Außer dem Norden hat des Kosovo auch andere Probleme, wie zum Beispiel die schlechte wirtschaftliche Lage, Kriminalität und Korruption. Glauben Sie, dass die Kosovo-Institutionen in der Lage sind, das zu bewältigen?

Zum einen muss man sagen, dass solche Probleme ja nicht auf Kosovo beschränkt sind. Das gibt es auch anderswo hier in der Region und in der Tat stellt sich auch anderswo die Frage, ob die jeweiligen zuständigen Institutionen in der Lage sind - in manchen Fällen auch, ob sie gewillt sind - sich dieser Probleme anzunehmen. Kosovo ist nun erst seit viereinhalb Jahren unabhängig, die Institutionen sind also sehr jung und durchaus auch unerfahren. Aber im Rückblick muss man auch feststellen, dass viele der Institutionen im Kosovo - dazu zählt, wie es in einer Demokratie sein sollte, vorneweg natürlich das Parlament - durchaus einige Aufgaben schon erfüllt haben. Aber gleichzeitig geht ja die Arbeit weiter, diese Institutionen weiter aufzubauen, zu unterstützen, Erfahrungen zu sammeln und Kosovo auf dem Weg zu einem modernen demokratischen multiethnischen Staat auch weiter zu helfen.

Eine europäische Perspektive

Deutschland ist sehr bemüht, zu helfen, dass Kosovo und Serbien eine Einigung erzielen, um sich weiter zu entwickeln. Sehen Sie Ansätze, die dazu beitragen könnten, diesen Prozess weiter zu erleichtern?

Es stimmt, Deutschland hat sich von Anfang an aktiv in vielfacher Hinsicht darum bemüht, Kosovo zu helfen und das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo zu normalisieren. Das ist noch nicht gelungen, geht also deswegen weiter. Wir bleiben aktiv involviert. Wir wissen, dass sowohl die neue politische Führung in Belgrad, aber auch die politische Führung in Pristina ja selbst wissen, dass dies im Interesse der beiden Staaten ist, und dass diese Fragen gelöst werden müssen, wenn Serbien und Kosovo weiterkommen wollen auf dem Weg nach Brüssel.

Erst Kosovo, dann die EU

Der Vorsitzende des Europa-Parlaments, Martin Schulz, hat ja sowohl hier im Kosovo als auch in Belgrad eine Lawine von Reaktionen ausgelöst mit seiner Aussage, es gebe ohne Anerkennung des Kosovo keine EU-Perspektive für Serbien. Sehen Sie das auch so und wie sehen Sie überhaupt die Perspektive für Kosovo und Serbien, bald in die EU zu kommen?

Beide Staaten, Serbien und Kosovo, haben die - wie wir das nennen - europäische Perspektive. Das heißt: Beide Staaten können Mitglied der Europäischen Union werden. Serbien kann aber ganz sicher nicht Mitglied der EU werden, solange das Kosovo-Problem nicht gelöst ist. Wir sprechen nicht von der Anerkennung der Republik Kosovo, wir sprechen aber sehr wohl davon, dass das Verhältnis zwischen Belgrad und Pristina auf eine belastbare Grundlage gestellt werden muss, die dann den Ausbau der Beziehungen zulässt.

Die Flagge Serbiens (links) und Kosovos (Foto: DW)
Die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo müssen sich normalisierenBild: AP/Montage DW

Es geht natürlich um den Norden des Kosovo, das ist das größte Problem zwischen Serbien und Kosovo. Sehen Sie da eine Lösung? Wie könnte man dieses Problem lösen?

Wir sprechen von einem kleinen Gebiet mit etwa 40.000 Einwohnern. Tatsächlich sprechen wir also davon: Was ist die richtige, beste Lösung, um dieses Gebiet vernünftig nach modernen demokratischen Vorstellungen zu verwalten? Wo soll da eigentlich tatsächlich das unüberwindbare Problem sein? Es gibt in Europa eine große Zahl von sehr verschiedenen Modellen, die man sich in der Praxis anschauen kann, wie ein solches Gebiet verwaltet werden könnte. Wenn der politische Wille dazu da ist, dieses Problem zu lösen, dann ist es nur noch eine technische Frage, die durchaus lösbar ist. Aber sie muss auch gelöst werden, denn - um es noch einmal zu sagen - sonst hat Serbien keine Chance, Fortschritte auf dem Weg nach Europa zu machen.

Nikolaus Graf Lambsdorff ist Beauftragter des Auswärtigen Amtes für Südosteuropa, die Türkei  und die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA).

Das Interview führte Bahri Cani in Pristina.