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Anleitung zum Frieden

18. Mai 2009

Bei weltpolitischen Krisen konnte die UNO bislang wenig ausrichten. Kritiker halten die Organisation deshalb für überflüssig. Nicht so der Diplomat Hans-Christof von Sponeck: "Natürlich kann die UNO Frieden schaffen."

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UN-Friedenstruppen nur zahnlose Tiger?Bild: AP

In den 64 Jahren seit der Gründung der Vereinten Nationen im Jahre 1945 ist ein weites Netzwerk internationalen Rechts erarbeitet worden, um Frieden mit friedlichen Mitteln zu erhalten und um Konflikte zu vermeiden oder auf friedliche Weise zu lösen.

Der UNO ist das Monopolrecht auf Einsatz von "Luft-, See- oder Landstreitkräfte(n) zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" in der UN-Charta (Kapitel VII, Artikel 51) zugesprochen worden. Wer dieses Monopolrecht nicht beachtet und anders handelt, bricht internationales Recht.

Zerstörte Gebäude in Belgrad
Von NATO-Bomben zerstörte Gebäude in Belgrad. Für die Bombardierung Jugoslawiens gab es kein UN-MandatBild: picture-alliance/ dpa

Seit 1945 sind immer wieder große weltpolitische Krisen in allen Teilen der Welt entstanden: zum Beispiel in Asien (Nord- und Südkorea, Afghanistan), in Afrika (Sierra Leone, Liberia, Angola, Sudan), im Nahen und Mittleren Osten (Irak, Iran, Libanon, Syrien, Palästina/Israel), in Lateinamerika (Kuba, Peru, Kolumbien, Venezuela) und in Europa (Jugoslawien, Griechenland, Türkei). Viele endeten in kriegerischen Auseinandersetzungen und großen menschlichen, materiellen und rechtlichen Verlusten.

Die UNO als Handwerkskasten

Die Vereinten Nationen haben wenig Einfluss auf diese Konflikte gehabt. Multilateraler Dialog und Diplomatie spielten keine entscheidenden Rollen. Immer wieder wurden die Vereinten Nationen, und auch ihre Sonderorganisationen, wie ein Handwerkskasten benutzt. Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates hatten häufig mehr mit bilateralen Eigeninteressen zu tun als mit multilateralen Friedensinitiativen. Auf diese Weise wurde die UNO Handlanger für die Belange einzelner Mitgliedstaaten. Ein Beispiel: Im Jahr 2001 wurde die UNO kurzerhand in die Strategie der Kriegsführung gegen El-Kaida und die Taliban in Afghanistan auf Druck von einer Gruppe von Staaten mit eingebaut. In Fällen, wo eine Staatenmehrheit sich gegen die Vorgehensweise einzelner Regierungen im UN-Sicherheitsrat entschied, wie zum Beispiel 1999 gegen den Krieg mit Jugoslawien oder gegen die Invasion 2003 in den Irak, wurde die UNO ignoriert. Macht- und energiepolitische Interessen wurden durch andere Bündnisse - die NATO etwa in Jugoslawien und Koalitionsgruppen zum Beispiel im Fall Irak - wahrgenommen.

Flughafen Bagdad Saddam International Airport Irak Gefecht
Auch die Invasion des Irak durch US-Truppen verstieß gegen das VölkerrechtBild: AP

In einem solchen Umfeld können die Vereinten Nationen ihren Friedensauftrag nicht durchführen. Dies bedeutet aber nicht, dass die UNO als größte multilaterale Einrichtung der Welt prinzipiell nicht in der Lage wäre, Frieden zu schaffen. Die Voraussetzungen für eine Teilnahme der Vereinten Nationen an Friedensinitiativen und Konfliktlösungen können geschaffen werden, wenn es den entsprechenden politischen Willen der Regierungen der Mitgliedstaaten gibt.

Bedingungen für den Frieden

Dazu gehören allerdings einige Voraussetzungen: Die UNO Mitgliedstaaten müssen sich einmütig für eine Rückkehr zu den Grundsätzen der UN-Charta bekennen. Die UN-Charta muss als internationales Recht nicht nur rhetorisch anerkannt, sondern auch praktisch angewendet werden. Außerdem müssen politische Entscheidungen im UN-Sicherheitsrat Rechenschaftsverpflichtungen enthalten. Beschlüsse ohne Konsequenzen für die verantwortlichen Parteien werden ineffektiv bleiben.

Hinzu kommt: Multilaterale Politik, sowohl im UN-Sicherheitsrat, als auch in der UN-Vollversammlung, muss kontinuierlich in ihren Auswirkungen durch die UNO verfolgt werden. Nur dann wird es möglich sein sicherzustellen, dass internationales Recht eingehalten und angewandt wird.

Und schließlich: UN-Reformen haben über die Jahre solide Verbesserungen in der Struktur, der Vorgehensweise und im internationalen Recht hervorgebracht. In entscheidenden Bereichen der UN-Friedensarbeit gibt es allerdings bisher keine der dringlich geforderten Reformen. Zu diesen gehören, die Erweiterung des Sicherheitsrats, die Abschaffung oder Begrenzung des Vetorechts der permanenten Mitglieder des Sicherheitsrats, die überfällige Arbeitsteilung zwischen dem UN-Sicherheitsrat, der UN-Generalversammlung und dem Internationalen Gerichtshof der UNO, die Präzisierung des Monopolrechts der UNO für Gewaltanwendung und die Finanzierung der Arbeit der Vereinten Nationen.

Falschaussagen zerstören Glaubwürdigkeit

Powells Beweise
Die USA präsentierten 2003 dem UN-Sicherheitsrat angebliche Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak. Sie waren falschBild: AP

Bleibt noch das Problem der organisierten Unwahrheit: Politische Entscheidungen werden immer wieder mit bewussten Falschdarstellungen der Öffentlichkeit mitgeteilt, um damit Akzeptanz zu erwirken. Das schwerwiegendste Beispiel der letzten Jahre ist die Falschaussage Washingtons im UN-Sicherheitsrat im Februar 2003, dass der Irak im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei. Durch diese Unwahrheit wurde eine Invasion gerechtfertigt und die Friedensansätze der UNO in der Irak-Krise zerstört. Teil einer Reform der multilateralen Zusammenarbeit muss die Erarbeitung von Grundsätzen für eine Staats- und Regierungs-Informationsethik werden. Dabei hat die UNO eine zentrale Rolle zu spielen.

Erst wenn internationales Recht ernst genommen wird, wenn Konsequenzen für Entscheidungen, kontinuierliche Aufsicht der Arbeit des Sicherheitsrats und die bereits erwähnten Reformen durchgeführt werden, wird die UNO eine entscheidende Rolle für die Schaffung und den Erhalt des Friedens spielen können.

Hans von Sponeck
Bild: Dirk Eckert

Autor: Hans-Christof Graf von Sponeck, Beigeordneter UN-Generalsekrär a.D. begann seine Karriere als deutscher Diplomat im UN-Entwicklungsprogramm UNDP bei den Vereinten Nationen. Später übernahm er als UN-Koordinator die Verantwortung unter anderem für das "Oil for food" Programm im Irak. Aus Protest gegen die Sanktionspolitik des UN Sicherheitsrates trat er im Februar 2000 zurück. Er bemängelte, dass unter den Sanktionen und dem Krieg vor allem die Zivilbevölkerung zu leiden hatte.

Redaktion: Ulrike Mast-Kirschning (stl)