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Der Oscar für ökologische Erfindungen

Karin Jäger29. Mai 2015

Erfolgreiche Erfinder denken grün: Der GreenTec Award zeichnet zukunftsweisende Produkte aus, die marktfähig und profitabel sind, aber auch die natürlichen Ressourcen schonen und schädliche Emissionen reduzieren.

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Deutschland GreenTec Awards
Bild: GreenTec Awards/ 2015

Mehr Menschen. Mehr megaurbane Räume. Mehr Verkehr. Der Mobilitätsgrad steigt unaufhörlich. Gleichzeitig werden Ressourcen knapper. Eine Option für Autofahrer bei Staus wäre es, vom eigenen PKW auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, um schneller und vor allem effizienter voran zukommen. Die BMW-Manager trauen Fahrern von Elektroautos die Bereitschaft für die notwendige Flexibilität zu. Sie haben die Modelle i3 und i8 mit den weltweit ersten multimodalen Navigationssystemen ausgestattet. "Die Technik ist ein Stück weiter als das Bewusstsein der Autofahrer", gibt Marco Voigt, ehemaliger Ingenieur bei Porsche, zu. Er und Sven Krüger (früher Ingenieur bei Dornier) hatten die Idee des GreenTec Awards, mit dem nun auch die Bayerischen Motorenwerke (BMW) ausgezeichnet werden, weil "das Navi alltagstauglich ist und es über das Automobil hinweg denkt", so die Begründung der Fachjury.

Navis mit Optionen für Umsteiger

Die Geräte zeigen neben den schnellsten, kürzesten und kostengünstigsten Routen auch Park-and-Ride-Plätze an, alternative Tranportmittel, Nahverkehrslinien, Umsteigemöglichkeiten. Der Routenplaner soll dazu beitragen, Staus und Emissionen in Ballungsgebieten zu verringern. Er lässt sich mit einer App auf das Smartphone übertragen - inklusive des präzisen Rückwegs zum eigenen Auto und verfügt über alle notwendigen Daten, um in Europa, den USA und China eingesetzt werden zu können.

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Kugel fürs multimodale Navi: Elmar Frickenstein von BMWBild: GreenTec Award/ 13.05.2015

Eine Fachjury aus 60 Vertretern von Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden und Medien hat Vorschläge in zehn Kategorien bewertet. Auto-Ingenieur Marco Voigt, Initiator der Awards, haben auch andere Erfindungen nachhaltig beeindruckt, wie die "chemische Angel", ein Hybridkieselgel von Katrin Schuhen. Die Junior-Professorin der Uni Koblenz-Landau hat erforscht, dass sich das weiße Pulver auf Silikon-Basis mit in Wasser gelösten Stoffen verbindet und die Abfälle dann durch einen Filter isoliert werden können. Nach rund 1000 Experimenten in drei Jahren ist es der erst 30 Jahre alten Schuhen und ihrem Team gelungen, erstmals eine Methode zu entwickeln, um Wasser gezielt von Medikamentenrückständen zu reinigen. Denn Arzneimittelpartikel von Antibiotika und der Anti-Baby-Pille in Trinkwasser und Gewässern sind ein kaum wahrnehmbares, aber doch ernst zunehmendes Problem, gegen das die Wissenschaft bislang kein Rezept hatte. Die Rückstände beeinflussen sogar die Fortpflanzung von Meerestieren. "Faszinierend ist, dass so junge Wissenschaftler dieses bahnbrechende Verfahren entdeckt haben", sagt Marco Voigt.

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Nachwuchshoffnung unter Deutschlands Forschern: Katrin SchuhenBild: GreenTec Awards/ 2015

Berliner Pflanze - von der Klärgrube auf den Acker

Eine reinigende Wirkung hat auch das Verfahren, auf das Naturwissenschaftler der Berliner Wasserbetriebe stießen. Und nebenbei spült es Geld in die Kasse der Stadt: Die Biochemiker nutzten die Tatsache, dass im Klärschlamm wertvolle Mineralien wie Phosphor stecken, um daraus Dünger zu gewinnen. Phosphor ist lebenswichtig für die Zellen von Mensch, Tier, Pflanze. Es wird zur Knochenstabilität und Energiegewinnung benötigt. Weltweit wird soviel Phosphor aus Mineralien wie Apatit hergestellt, dass die natürlichen Vorräte zur Neige gehen.

Phosphor wird durch die Nahrung aufgenommen und mit dem Urin ausgeschieden. Die organischen Phosphorverbindungen landen im Abwasser und bei der landwirtschaftlichen Produktion in der Gülle. Die Berliner Wasserbetriebe haben daher ein elektrochemisches Verfahren zur Gewinnung von Magnesium-Ammonium-Phosphat aus den Fäkalien entwickelt - mit einem besonders hohen Anteil an Phosphor. Das geruchlose und kristalline Salz erfüllt alle Anforderungen der EU-Düngemittelverordnung und ist im Handel unter dem Namen "Berliner Pflanze" erhältlich. Die Wasserwerke erhalten dafür den GreenTec Award in der Kategorie Energie.

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"Berliner Pflanze" - Mineraldünger auf PhosphorbasisBild: GreenTec Award/ 2015

Mode aus Milch

Beim Preisträger der Kategorie Produktion ist schon der Name preisverdächtig: QMilk heißt das Start-up, das eine Textilfaser aus Milch produziert, die bisher entsorgt wurde - Erstmilch kalbender Kühe oder Milchfiltrat, das bei der Käseherstellung freigesetzt wird. 1,7 Millionen Tonnen haben Deutschlands Bauern pro Jahr weggeschüttet. Die Biologen von QMilk erhitzen Milchpulver und Wasser in einem Fleischwolf ähnlichen Gerät auf 80 Grad und treiben die Masse durch eine Düse. Aus den Fasern der Milchproteine entstehen dabei Fäden. Der hautpflegende, seidenähnliche und kompostierbare Stoff, der aus den Fasern gefertigt wird, eignet sich für Kleidung, Matratzen oder medizinische Verbände. "Der Stoff fühlt sich an wie Samt und ist doch viel leichter", schwärmt GreenTec-Initiator Voigt. "Ist doch toll, dass man so etwas aus Abfall produzieren kann." Nur zwei Liter Wasser pro Kilogramm Faser benötigen die Hersteller. Und die Landwirte erhalten vier Cent pro Kilogramm Milch, statt das Rohprodukt zu vernichten.

Der grüne Teppich, über den die Geehrten an diesem Freitag bei der Preisverleihung in Berlin schreiten, wurde aus alten Fischernetzen, die am Meeresboden lagen, und damit ebenfalls aus Naturfasern hergestellt.

Umweltfreundlicher reisen

Becker Marine Systems wird für sein Engagement auf dem Reisesektor belohnt. Das Hamburger Unternehmen hat mit der LNG Hybrid Barge ein schwimmendes Kraftwerk erfunden, um die vor Anker liegenden Kreuzfahrtschiffe mit Strom und Wärme zu beliefern. Denn Reisen per Schiff wird immer beliebter. Durch den Verbrauch von Dieselkraftstoff erhöhen sich die Emissionen. Um die Schadstoffe zumindest im Hamburger Hafen zu senken, die Luft zu verbessern und Urlauber und Besatzung an Bord mit Strom zu versorgen, liefert LNG Energie. Gleichzeitig kann das Kraftwerk durch seine saubere Verbrennung Kohlenstoffdioxide um rund 20 Prozent und Stickstoffoxide um etwa 88 Prozent vermindern. Die LNG Hybrid Barge kann auch auf Flüssen eingesetzt werden.

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Macher und Mentor: Sven Krüger (li.) und Marco Voigt (re.) Initiatoren der GreenTec Awards, mit Kanzleramtschef Peter AltmaierBild: GreenTec Awards

Die diesjährige Preisverleihung in allen zehn Kategorien der GreenTec Awards wird von Kanzleramtminister Peter Altmaier (CDU) und 1000 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Showgeschäft begleitet. In nur acht Jahren seines Bestehens hat sich der Award zur weltweit wichtigsten Veranstaltung für Erfindungen im Umweltbereich entwickelt. "Der Oscar gehört nach Hollywood, die Nobelpreise nach Skandinavien", sagt Marco Voigt: "Deutschland ist Vorreiter in der grünen Umwelttechnik. Also macht es Sinn, einen solchen Preis in Deutschland zu verleihen."