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Grenzen für die Rasterfahndung

24. Mai 2006

Das Bundesverfassungericht in Karlsruhe hat die Rasterfahnung eingeschränkt. Die breite Datenerhebung ist jetzt nur noch bei konkreter Gefahr zulässig. Ein Grund: Bisher wurde noch kein einziger "Schläfer" entdeckt.

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Eine "allgemeine Bedrohungslage" reicht nicht mehr zur RasterfahndungBild: Das Fotoarchiv

Die Rasterfahndung zur Aufdeckung islamistisch-terroristischer "Schläfer" darf nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur bei einer konkreten Gefahr durchgeführt werden. Damit haben die Karlsruher Richter einem marokkanischen Ex-Studenten aus Nordrhein-Westfalen Recht gegeben, der sich im Visier der Ermittler wähnte. Eine "allgemeine Bedrohungslage, wie sie in Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen" genügen nach dem am Dienstag (23.5.) in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss dagegen nicht für die Anordnung der Rasterfahndung aus.

Bundesverfassungsricht Richter Erster Senat
Richter des Ersten Senats des BundesverfassungerichtsBild: AP

Bisher kein "Schläfer" entdeckt

Die Entscheidung erging mit sechs zu zwei Stimmen. In Nordrhein-Westfalen wurden nach dem 11. September 2001 die Daten von mehr als fünf Millionen männlichen Einwohner zwischen 18 und 40 Jahren erhoben. Konkrete Anzeichen für Terroranschläge gab es nicht. Die Gerichte ließen aber bereits die "Möglichkeit solcher Anschläge" genügen, um die Datenerhebung zu genehmigen. Ein so genannter Schläfer wurde auf Grund der auch in anderen Bundesländern durchgeführten und vom BKA koordinierten Rasterfahndung bislang nirgendwo aufgedeckt.

Fahndung war verfassungswidrig

Nach dem neusten Urteil war die bundesweite Fahndung verfassungswidrig, denn sie verstieß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Nur wenn im konkreten Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass "in absehbarer Zeit" terroristische Anschläge durchgeführt werden, sei der Einsatz der Rasterfahndung verhältnismäßig. Diese Voraussetzung hätten die Gerichte in Nordrhein-Westfalen nicht beachtet.

Landespolizeigesetze müssen überprüft werden

Die Karlsruher Entscheidung zur Rasterfahndung hat zur Folge, dass nicht nur die Gerichtspraxis zur Anordnung der Rasterfahndung korrigiert werden muss, auch die Landespolizeigesetze müssen überprüft werden. Bereits im Gesetz muss verankert werden, dass eine Rasterfahndung die "konkrete Gefahr" für Leib und Leben, die Freiheit von Bürgern oder den Bestand des Staates voraussetzt. Auf Grund einer "allgemeinen Bedrohungslage", wie sie nach dem 11. September 2001 durchgehend bestanden habe, kann die Rasterfahndung nach der Entscheidung nicht angeordnet werden.

"Ermittlungen ohne Verdacht"

Betende in der Al-Nur Moschee in Berlin
Al-Nur Moschee in Berlin, eine terroristische Vereinigung? 2003 im Visier der FahnderBild: dpa

Die Karlsruher Verfassungsrichter betonten, dass es sich bei der Rasterfahndung um Ermittlungen ohne Verdacht handelt. Nicht nur die Daten von Einwohnermeldeämtern und Ausländerbehörden könnten erhoben werden, auch private Dateien dürften mit staatlichen kombiniert werden. Die Betroffenen müssten davon nichts erfahren. Das seien schwerwiegende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, die nur bei einer konkreten Gefahr für hochrangige Rechtsgüter gerechtfertigt seien. Als "Vorfeldermittlung" zur Gefahrenerforschung sei der Einsatz der Rasterfahndung unverhältnismäßig. (sol)