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"Grexit" ist das Unwort des Monats

Barbara Wesel 6. Januar 2015

Je mehr man über die Wahlen in Griechenland und einen möglichen Ausstieg des Landes öffentlich spekuliert, desto verfahrener wird die Lage. In der EU-Kommission und im EU-Parlament wollen viele ein Ende der Debatte.

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Alexis Tsipras
Sorgt in Brüssel für Unruhe: Alexis TsiprasBild: picture-alliance/dpa

Zur Abschreckung hat der Vorsitzende der Liberalen Fraktion im Europaparlament gleich ein paar Zahlen parat: Allein über die Idee zu reden, dass es einen "Grexit" geben könnte, sei nicht besonders schlau, sagt Guy Verhofstadt, denn ein Austritt Griechenlands aus dem Euro wäre für die anderen Mitgliedsländer ziemlich teuer. So müßten Irland und Portugal, die sich selbst mit vielen Opfern aus der Eurokrise befreit haben, jeweils drei und sechs Milliarden Euro aufbringen. Der Anteil Spaniens an den Griechenland-Schulden würde 29 Milliarden Euro kosten, was die Regierung in Madrid bei ihren eigenen Sanierungsbemühungen ziemlich aus der Bahn werfen dürfte. Und die Liste des Schreckens geht weiter mit 44 Milliarden für Italien, 49 für Frankreich und zwischen 66 und 80 Milliarden, die Deutschland aufbringen müßte. Beim deutschen Beitrag seien sich die Ökonomen nicht einig, fügt der Liberalenchef noch spöttisch hinzu.

Damoklesschwert "Grexit"

Verhofstadt hatte ins Europaparlament geladen, um über Wachstum und Investitionen in der EU zu reden, aber dieser Tage führt an dem Thema "Wie weiter mit Griechenland?" kein Weg vorbei. Die notwendige Debatte über die Ankurbelung der europäischen Wirtschaft aber finde jetzt unter dem Damoklesschwert des "Grexit" statt, ärgert sich Verhofstadt, und das sei das Letzte, was Europa derzeit brauche. So eine Diskussion könne noch zu einer Rückkehr der Eurokrise führen, es sei einfach eine schlechte Idee, überhaupt darüber zu reden. In Griechenland selbst würde sie nur die anti-europäischen Gefühle bestärken und am Ende könnte eine Einmischung in die griechischen Wahlen genau das Ergebnis befördern, das viele in der EU befürchten, nämlich einen Sieg der linken Syriza Partei. Was jedoch passieren würde, wenn deren Chef Alexis Tsipras tatsächlich den Schuldendienst einstellen und die Vereinbarungen mit der EU kündigen würde, darüber will der Liberalenchef gar nicht spekulieren. 75 Prozent der Griechen wollten im Euro bleiben. "Was wir ihnen also sagen müssen ist nicht: Wir werfen euch raus! Sondern: Wir verpflichten euch, die vereinbarten Reformen umzusetzen, von denen viele noch nicht einmal begonnen haben."

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Jyrki Kattainen, ist noch weitaus abweisender, was die "Grexit"-Debatte angeht: "So eine Diskussion brauchen wir absolut nicht, das Prinzip der EU ist Zusammenhalt. Neue Länder sind willkommen und die Alten bleiben dabei", sagt er. Er sei sich auch nicht sicher, ob die Gerüchte und Überlegungen über die Verkraftbarkeit eines griechischen Ausstieges aus dem Euro wirklich von der Regierung in Berlin kämen. "Solche Spekulationen brauchen wir überhaupt nicht", wiederholt Kattainen. Man müsse jetzt den Griechen die Freiheit lassen, selbst über ihren politischen Weg und ihre Zukunft zu entscheiden. Obwohl auch der finnische Kommissar hier noch einmal darauf hinweist, dass ungeachtet demokratischer Prinzipien Griechenland ein reformfreundliches Programm brauche. Abgesehen davon sei ein Ausstieg aus dem Euro rechtlich nicht vorgesehen - so lautet die offizielle Linie der EU-Kommission seit dem Wochenanfang. Wenn es Probleme gebe, etwa beim Eintreiben von Steuern oder der Korruptionsbekämpfung, dann müßten die eben gelöst werden. Was der Wirtschaftskommissar aber für Gift hält, ist Unruhe um den Euro. Damit vertreibe man die Investoren, die Brüssel derzeit so dringend anlocken will. Selbst wenn der niedrige Euro-Kurs derzeit gut sei für die Exportwirtschaft, "was wir mehr als alles andere brauchen, ist Stablität".

Guy Verhofstadt und Jyrki Katainen
Guy Verhofstadt und Jyrki Kattainen wollen über einen Grexit überhaupt nicht redenBild: DW/B. Wesel

EU darf nicht erpressbar werden

Mehr auf Berliner Kurs dagegen hält sich der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. "Wenn Griechenland sich entscheidet, einen anderen politischen Kurs einzuschlagen, so dass es den Euro nicht mehr schultern könnte, dann müsste es eine Möglichkeit geben....". Das Wort "Grexit" will auch Ferber nicht so wirklich in den Mund nehmen. Er weist aber darauf hin, daß es in Europa schließlich immer zwei Öffentlichkeiten gebe: Deutschland schaue mit Sorge nach Griechenland und es sei klar, dass der deutsche Steuerzahler nicht für politische Entscheidungen der Griechen gerade stehen müsse. Auf europäischer Ebene dagegen frage man sich, ob die EU jetzt zusammenhalte. Und was den von Syriza-Vertretern verlangten weiteren Schuldenschnitt angehe, weist der CSU-Abgeordnete darauf hin, dass Griechenland schon über 100 MIlliarden seiner Schulden erlassen worden sind und der Rest inzwischen nur noch bei öffentlichen Gläubigern liege.

Wenn jetzt aber das Signal käme: "Man muss nur hart genug verhandeln, dann muss man nicht weiter zahlen", würden alle anderen Schuldnerländer für sich das gleiche verlangen. Die EU dürfe sich an der Stelle nicht erpressbar machen. Solidarität sei keine Einbahnstrasse und wer Hilfe in Anspruch nehme, müsse auch etwas dafür tun. So klare Worte können derzeit nur aus der deutschen CDU/CSU kommen, denn wie Markus Ferber so richtig anmerkte: Es gibt in Europa immer zwei Öffentlichkeiten, die zu Hause und die der anderen Mitgliedsländer. Da ist das Jonglieren zwischen Beruhigung der heimischen Wähler und Bekräftigung der europäischen Gemeinschaftsgrundsätze nicht immer einfach.

Markus Ferber
Der Europaabgeordnete Markus Ferber ist ziemlich einsam auf seinem 'Berliner Kurs'.Bild: DW/B. Wesel