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Griechen müssen Gürtel enger schnallen

3. März 2010

Griechenlands Regierung hat Sparmaßnahmen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro beschlossen. Dazu werden die Mehrwertsteuer auf 21 Prozent angehoben, Pensionen gekürzt und Urlaubsgeld für Beamte gestrichen.

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Ministerpräsident Giorgos Papandreou (Foto: AP)
Ministerpräsident Giorgos PapandreouBild: AP

In Athen wird der Rotstift angesetzt: Die griechische Regierung kam an diesem Mittwoch (03.03.2010) zu einer Krisensitzung im Kampf gegen die hohe Staatsverschuldung zusammen. Dabei erörterten Ministerpräsident Giorgos Papandreou und sein Kabinett, welche Etatkürzungen in Zukunft den Staatshaushalt entlasten sollen. Am Abend zuvor hatte Papandreou seine Landsleute zu einer nationalen Kraftanstrengung im Kampf gegen die Schuldenkrise aufgerufen. Er warnte vor den verheerenden Folgen, falls der hochverschuldete Staat nicht zu ähnlichen Bedingungen wie andere Staaten frisches Geld leihen kann. Für ihn ist klar: Angesichts immer neuer Löcher im Haushalt sei die Regierung zu harten Einschnitten gezwungen, die von allen Bürgern Opfer abverlangten.

Zudem hat Europa Athen an die kurze Leine gelegt. Mit einer strikten Überwachung der Staatsfinanzen will die EU-Kommission die Griechen zur Haushaltsdisziplin zwingen. Das hoch verschuldete Land werde in Zukunft "genau beobachtet werden", kündigte Währungskommissar Joaquín Almunia an. Künftig soll Griechenland alle drei Monate über seine Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung Bericht erstatten.

Kürzungen und Steuererhöhungen

Doch wo genau will die griechische Regierung in Zukunft sparen? Das griechische Kabinett hat sich Regierungskreisen zufolge auf Sparmaßnahmen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro geeinigt. Dafür solle die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf 21 Prozent angehoben werden, berichtete der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NET. Die Hälfte der Einsparungen solle durch Kürzungen erreicht werden, die andere Hälfte durch Steuererhöhungen. Zudem sei geplant, alle Renten der Beamten einzufrieren. Die Gehälter der Staatsbediensteten sollen um etwa zehn Prozent gekürzt werden, das 13. Gehalt (Weihnachtsgeld) um 30 Prozent und das Ferien- und Ostergeld um 35 Prozent. Das Ferien- und Ostergeld sind in Griechenland ein 14. Monatsgehalt. Außerdem sollen höhere Steuern auf Luxusautos, Yachten und große Immobilien erhoben werden.

Korruption weit verbreitet

Politische Beobachter in Athen vermuten , dass der Regierungschef die schlechte Steuermoral seiner Landsleute ins Visier nimmt. Durch Korruption und Steuerbetrug entgehen dem griechischen Fiskus nach Schätzung von Experten jedes Jahr zwölf Milliarden Euro. Anscheinend ein weiteres drängendes Problem: die für die dramatische Haushaltslage mitverantwortliche Korruption ist laut "Transparency International" in Wirtschaft und Gesellschaft des Landes tief verankert. Im vergangenen Jahr zahlte jeder Grieche durchschnittlich 1355 Euro Bestechungsgeld, wie aus einer am Dienstag in Athen vorgestellten Studie der Anti-Korruptions-Organisation hervorgeht.

Papandreou hat den Abgeordneten seiner sozialistischen Pasok Partei bereits zuvor die Sparpläne im Umfang von knapp fünf Milliarden Euro vorgestellt und angekündigt, "Ordnung im eigenen Hause" schaffen zu wollen. Griechenland müsse "den Alptraum des Bankrotts, in dem der Staat weder Gehälter noch Renten zahlen kann", vermeiden, sagte Papandreou, um hinzuzufügen: "Es ist nicht die Schuld der anderen Europäer, dass wir in dieser Lage sind."

Viele Griechen haben jedoch kein Verständnis für die Pläne: Die Gewerkschaft der Staatsbediensteten kündigte für den 16. März einen 24-stündigen Proteststreik gegen die Sparpläne an. Am Dienstag waren bereits die Taxifahrer für 48 Stunden in den Ausstand getreten.

Berlin will "keine Blankoschecks" ausstellen

Westerwelle und Merkel auf einem Podium sitzend (Foto: AP)
Die Regierung in Berlin macht sich Gedanken über das Finanzdesaster der HellenenBild: AP

In Deutschland wird unterdessen genau beobachtet, was gerade in Griechenland passiert. Der Grundtenor der deutschen Regierungsvertreter: Das Verursacherprinzip gelte auch im Falle Griechenlands. Ein "Bailout" - eine Übernahme von Schulden durch Dritte - könne nicht die Lösung sein. "Hier muss jedes Land seine Hausaufgaben erfüllen", kommentiert Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle das griechische Finanzdesaster.

Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung haben Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle und Brüderle bereits über mögliche deutsche Hilfen für Athen beraten. Die Gesprächsteilnehmer seien sich jedoch einig gewesen, dass sich die griechische Regierung zunächst selbst helfen müsse, hieß es unter Berufung auf Regierungskreise. Schon zuvor hatte Westerwelle deutlich gemacht, dass man erwarte, dass Griechenland zunächst "in vollem Umfang die eigenen Hausaufgaben für die Konsolidierungspolitik abarbeitet". Dies wolle man Papandreou auch deutlich machen, wenn er am Freitag zu Gesprächen mit Merkel nach Berlin kommt. "Griechenland muss wissen: Blankoschecks stellen wir nicht aus", sagte Westerwelle.

Haben Spekulanten auf den Staatsbankrott gewettet?

Ungemach droht den Griechen auch an den internationalen Finanzmärkten: Anhaltende Spekulationswellen gegen Griechenland alarmierten jetzt die Aufsichtsbehörden. Die EU-Kommission will wegen der Griechenland-Krise eine interne Untersuchung zum Handel mit Kreditderivaten einleiten. "Ich will wissen, wer das getan hat. Ich will es verstehen", sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der "Financial Times". Der Großteil des Handels mit Kreditderivaten (CDS) in Europa wird in London abgewickelt. Mittels CDS-Papieren sollen Spekulanten auf einen Staatsbankrott Griechenlands gewettet haben.

Blick in die Frankfurter Börse (Foto: dpa)
Haben Spekulanten an den internationalen Börsen auf den Bankrott Griechenlands gesetzt?Bild: picture-alliance / dpa

Fakt bleibt: Griechenland hat mehr als 300 Milliarden Euro Schulden. Und die EU macht Druck: Athen muss das riesige Haushaltsdefizit von 12,7 Prozent binnen eines Jahres um vier Punkte drücken.

Autor: Marcus Bölz (afp, rtr, dpa)
Redaktion: Annamaria Sigrist

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