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FAQ zu Griechenland

Bernd Riegert6. August 2012

Die CSU, Koalitionspartner in Berlin, fordert offen den Austritt Griechenlands aus der gestressten Euro-Zone. Geht das überhaupt? Welche Folgen hätte der Griechen-Exit für die Gläubiger?

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Der Schriftzug "Pleite" wird auf eine griechische Euro-Münze projiziert. (Foto: dpa/lmv)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Forderungen innerhalb der deutschen Regierungskoalition nach einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone werden lauter. Der bayrische Finanzminister Markus Söder (CSU) fordert ganz offen, man müsse an Griechenland "ein Exempel statuieren". Für FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler hat ein griechischer Währungsschnitt "seinen Schrecken" verloren. "Griechenland ist nicht zu retten, das ist simple Mathematik", sagt Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der konservativen Bundestagsfraktion. Nur noch ein Drittel aller Deutschen ist laut einer Meinungsumfrage der ARD für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone.

Da es den Fall einer möglichen Staatspleite und den Austritt aus der Währungsgemeinschaft der 17 Euro-Staaten noch nie gegeben hat, sind verlässliche Vorhersagen schwierig. Zumindest darin sind sich die meisten Fachleute einig. Wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengetragen. Wie bei der Lotterie gilt: Alle Angaben ohne Gewähr!

Bayerns Finanzminister Markus Söder (Foto: dapd)
Söder: Ende des Jahres muss Griechenland rausBild: dapd

Kann die Europäische Union Griechenland aus der Euro-Zone herauswerfen, wenn sich die griechische Regierung nicht mehr an die vereinbarten Haushaltsauflagen hält?

Nein, rechtlich ist ein Ausschluss nicht möglich. Die europäischen Verträge bezeichnen eine Mitgliedschaft in der Währungsgemeinschaft als unumkehrbar.

Kann die Europäische Union Griechenland pleite gehen lassen?

Griechenland hatte sich per Vertrag verpflichtet, bis Ende Juni neue Sparmaßnahmen und Haushaltskürzungen einzuleiten. Das soll jetzt bis Mitte September nachgeholt werden. Sollte die Prüfer-Troika (EU-Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds) zu dem Schluss kommen, dass die griechische Politik nicht zu einem tragfähigen Schulden-Management führt, könnte die Euro-Staaten und der IWF die Notkredite an Griechenland stoppen. Das Land wäre dann spätestens Ende September nicht mehr in der Lage, seine Schulden zu bedienen oder die Gehälter der Staatsbediensteten zu zahlen. Das Land wäre bankrott.

Kann Griechenland einen Staatsbankrott abwenden?

Griechenland könnte versuchen, Notkredite der EU und des Internationalen Währungsfonds weiter zu erhalten und parallel neue Kreditbedingungen aushandeln. Die große Mehrheit der Griechen wünscht sich einen Verbleib in der Euro-Zone, aber ohne die harten Sparauflagen. Denkbar wäre außerdem ein zweiter Schuldenerlass, diesmal durch öffentliche Kreditgeber, nicht nur durch private Gläubiger wie im März. Diese Nachverhandlungen schließen die Betreiber der Rettungsfonds, also die übrigen Mitglieder der Euro-Zone, aus. Noch.

Kann die EZB eingreifen, um einen Bankrott Griechenlands abzuwenden?

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte in großem Umfang griechische Anleihen aufkaufen, um Griechenland flüssig zu halten. Die EZB hat aber bereits 50 Milliarden Euro an griechischen "Ramschpapieren" in den Büchern. Die EZB könnte griechische Banken mit einer unbegrenzten Menge an Kapital ausstatten, damit diese Banken das Geld, dem griechischen Staat leihen. Ein solches Notprogramm könnte nicht lange durchgehalten werden, weil diese Staatsfinanzierung durch die EZB nach den europäischen Verträgen eigentlich nicht gestattet ist.

Könnte Griechenland selbst aus der Euro-Zone austreten?

Sollte Griechenland wirklich kein Geld mehr aus den Rettungsfonds bekommen, wäre es wohl gezwungen, den Euro als Währung aufzugeben und eine Ersatzwährung einzuführen. Ansonsten wäre der Staat nicht mehr in der Lage, Gehälter und Sozialleistungen auszuzahlen. Die neue Währung würde gegenüber dem Euro stark abgewertet werden müssen, wahrscheinlich 30 bis 50 Prozent. Der gesamte Geldverkehr innerhalb Griechenlands müsste auf die neue Währung umgestellt werden.

Rein rechtlich wäre es wohl nötig, dass Griechenland für eine Sekunde aus der gesamten Europäischen Union austritt und dann sofort wieder ohne Gemeinschaftswährung eintritt. Nur ein Austritt aus der EU ist im Lissabonner EU-Vertrag geregelt. Ein Austritt aus der Euro-Zone allein ist nicht vorgesehen.

Welche Folgen hätte ein Währungsschnitt in Griechenland für die Gläubiger?

Griechenland könnte die Zinsen für seine Schulden bei ausländischen Investoren, aber auch bei griechischen Banken nicht mehr bedienen. Die griechischen Banken könnten reihenweise Pleite gehen, weil sie ihrem Staat viel Geld geliehen haben. Die Europäische Zentralbank besitzt ebenfalls in großem Umfang griechische Staatsanleihen, die wohl wertlos würden. Für die Verluste der EZB würden deren Anteilseigner, also am Ende die Steuerzahler in der Euro-Zone haften. Die Verluste für private Banken in Europa könnte einige Institute stark unter Druck setzen. Vielleicht müssten diese wiederum von den Heimatstaaten gerettet werden. Die Kredite, die Griechland beim Rettungsfonds EFSF, bei der EU-Kommission und bilateral auch in Deutschland aufgenommen hat, würden wohl nicht mehr bedient. Auf den Verlusten blieben die Gläubiger sitzen. 

Welche Folgen hätte ein Währungsschnitt für Griechenland auf internationalen Kapitalmärkten?

Griechenland würde mit einer neuen abgewerteten Währung zunächst keine Staatsanleihen an Investoren verkaufen können. Die Risikoaufschläge wären astronomisch hoch. Erst wenn Investoren wieder Vertrauen in die neue griechische Währung und eine neue Regierung fassen, könnten Staatsanleihen platziert werden.

Was passiert mit der griechischen Wirtschaft?

Langfristig könnten griechische Produkte durch einen Währungsschnitt im Ausland billiger werden. Reisen nach Griechenland und Waren aus Griechenland würden in Deutschland preiswerter. Doch die Frage ist, ob Urlauber in einer unsicheren Umbruchsituation wirklich nach Griechenland reisen wollen. Einfuhren aus dem Ausland nach Griechenland würden sich stark verteuern. Eine Erholung der Wirtschaft würde viele Jahre dauern. Unklar ist, ob zum Bespiel die Energieversorgung aufrecht gehalten werden kann, weil Griechenland Gas und Öl im Ausland dann sehr viel teurer einkaufen müsste.

Wäre Griechenland weiter auf Hilfe von außen angewiesen?

Als EU-Mitglied, das den Euro nicht mehr als Währung hat, wäre Griechenland weiter berechtigt, Hilfen bei der EU in Brüssel zu beantragen und Kredite mit dem Internationalen Währungsfonds auszuhandeln. Die Bedingungen für diese Hilfen würden sich wohl nicht großartig von denen unterscheiden, die heute verlangt werden. Hilfen aus den Rettungsfonds der Euro-Staaten, EFSF und ESM, könnte Griechenland nicht mehr beziehen.

Wie hoch ist die "Ansteckungsgefahr" für andere kriselnde Staaten?

Hier gehen die Einschätzungen weit auseinander. Einige Ökonomen halten die Auswirkungen eines Währungsschnitts in Griechenland für den Rest der Euro-Zone für beherrschbar. Andere warnen davor, dass sich die weltweite Finanzkrise von 2008 wiederholen könnte. Wenn Investoren nach einem Griechenland-Schock auch keine spanischen, italienischen oder portugiesischen Staatsanleihen mehr kaufen, weil sie den Staaten nicht mehr trauen, könnte die gesamt Euro-Zone schwer unter Druck geraten. Die bislang aufgerichtete "Brandschutzmauer" umfasst bislang 800 Milliarden Euro. Noch allerdings arbeitet der permanente Rettungsfonds ESM nicht. Im akutellen Rettungsfonds EFSF sind noch 240 Milliarden Euro verfügbar. Das wäre genug, um notfalls Spanien mit Notkrediten zu versorgen. Sollte Italien ins Schlingern geraten, wäre sie wohl zu klein.

Könnte es zu einem Sturm auf die griechischen Banken kommen?

In den letzten Monaten haben griechische Sparer schon Milliarden von Kapital aus den heimischen Banken abgezogen. Sollte ein Währungsschnitt konkret werden, könnten alle Kontoinhaber versuchen, ihr Geld auf einmal abzuheben und ihre Euro zu retten. Die Banken würden wahrscheinlich pleite gehen. Um das zu verhindern, müsste der Staat, die Abhebung von Geld einschränken, die Grenzen schließen und den Kapitalverkehr mit dem Ausland strikt kontrollieren.

Es gibt außerdem die Furcht vor einer Kettenreaktion in Europa. Sparer in Portugal, Spanien, Italien und anderen Ländern könnten in Panik geraten und versuchen, ihre Guthaben ebenfalls abzuheben oder in "sichere" Euro-Länder zu überweisen. Dann würden viele Banken zusammenbrechen.

Wie viel Zeit braucht ein Währungsschnitt?

Die Einführung von neuem Bargeld in Griechenland würde mehrere Wochen Vorlauf erfordern. 2003 bei der von den USA organisierten Währungsreform im Irak waren knapp drei Monate nötig, um Geld mit Spezialmaschinen zu drucken und mit schwer bewaffneten Transportern über das ganze Land zu verteilen.

Soll der Währungsschnitt über Nacht erfolgen, um Kapitalflucht einzudämmen, könnte man Euro-Noten in Griechenland mit besonderen Stempeln versehen. Die gestempelten Euro wären dann nur noch in Griechenland gültig. Euro-Münzen hätte keine Gültigkeit mehr, weil man sie nicht einfach kennzeichnen kann. Guthaben bei griechischem Banken müssten nach dem neuen Kurs umgestellt werden. Dazu bräuchten die Banken mehrere Tage.