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Steuerschätzung

6. Mai 2010

Knapp 39 Milliarden Euro weniger Steuern wird Deutschland in den kommenden drei Jahren einnehmen. Gefragt ist jetzt vor allem eine kluge Sparpolitik, die die zarte Konjunkturerholung nicht abwürgt, meint Henrik Böhme.

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Symbolbild Steuererklärung und Taschenrechner (Foto: DPA)
Immerhin 510 Milliarden Euro an Steuern nimmt der Staat noch einBild: picture-alliance/ dpa

Wer von der Steuerschätzung etwas anderes erwartet hatte als neue Milliarden-Löcher, der ist nicht von dieser Welt. Oder er hat noch immer nicht begriffen, dass wir erst jetzt beginnen, den Preis für die große Krise zu bezahlen. Einer Krise, die viele für überwunden halten. Aber nein, so ist das nicht. Dafür, dass es sich so anfühlt, als könne man die vergangenen zwei düsteren Jahre jetzt mal eben abhaken, nur weil Unternehmen wieder recht ordentlich Geld verdienen und Börsenkurse wieder nach oben klettern, dafür haben die Staaten rund um den Globus mit milliardenschweren Geldspritzen gesorgt. Geld, das sie eigentlich gar nicht haben. Die Schuldenberge sind in eine nie dagewesene Höhe gewachsen. Das Abtragen dieser gigantischen Last – sie wird dieses Jahrzehnt prägen. Und dabei kann es schon mal passieren, dass ein Land diese Last eben nicht tragen kann – und eigentlich Konkurs anmelden müsste. Griechenland ist so ein Fall – und es steht zu befürchten: Anderen geht es nicht viel besser. Man ahnt: Da kommen noch harte Zeiten auf die öffentlichen Haushalte zu.

Bitte keinen Rasenmäher!

Das engt natürlich die Spielräume all derer ein, die diese Haushalte verwalten. Zumal, wenn man, wie es Deutschland in vorbildlicher Weise tut, seine Schulden qua Gesetz begrenzen will. Diese sogenannte Schuldenbremse schreibt dem Bund vor, seine Neuverschuldung bis 2016 auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zurück zu fahren. Zudem dürfen ab 2020 die Bundesländer keine neuen Kredite mehr aufnehmen. Diesen Weg zu gehen, verlangt eine intelligente Sparpolitik: Eben nicht einfach nur mit dem Rasenmäher quer durch alle Ressorts zu fahren, sondern zuallererst auf die geplanten Steuersenkungen zu verzichten. Stattdessen sollte das deutsche Steuerrecht endlich vereinfacht und so gestaltet werden, dass es Initiative und damit Wachstum fördert. Sicher ist jetzt nicht die Zeit für einen völligen Wechsel des Steuersystems: Aber für eine Entrümpelungs-Aktion allemal, und auch dafür, die unzähligen Ausnahme-Tatbestände auf dem Prüfstand zu stellen. Und genau dorthin gehören auch unsinnige Subventionen wie die Steuerbefreiung für Nachtschicht- und Sonntagszuschläge. Kosten 2010: Rund zwei Milliarden Euro.

Henrik Böhme, DW-Wirtschaft (Foto: DW)
Henrik Böhme, DW-WirtschaftBild: DW

Und es ist ja nicht so, dass in den Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden ab morgen gähnende Leere herrscht: Satte 510 Milliarden Euro nehmen sie nur an Steuern in diesem Jahr ein. Damit lässt sich doch etwas anfangen – intelligente Ausgabenpolitik vorausgesetzt. Es muss nicht jede Kleinkunstbühne gefördert werden, und nicht jedes Hallenbad beheizt sein. Und schließlich: Ein bisschen Wirtschaftsaufschwung wird es in diesem Jahr geben, die Zahl der Arbeitslosen ist auf einem erträglichen Niveau: Das allein schon bringt ja auch eine gewisse Entlastung.

Europa braucht die Schuldenbremse

Eines kann allerdings nicht angehen: Dass Deutschland mit seiner Schuldenbremse in Europa alleine dasteht, versucht, seine Finanzen einigermaßen in Ordnung zu halten – und dann der große Zahlmeister ist für Staaten, die es damit nicht so genau nehmen. Ein solches Haushaltsinstrument sollte Pflicht für alle EU-Staaten werden.

Und weil ja eingangs von der großen Krise die Rede war: Die Staaten müssen jetzt endlich entschlossen die Reform der Finanzmärkte angehen. Hier ist der Elan, der unter dem Eindruck der schweren Verwerfungen durchaus zu verspüren war, abhanden gekommen. Eine Bankenabgabe, eine Finanz-Transaktionssteuer, strenge Regeln für hochspekulative Finanzprodukte: Die Werkzeugkiste muss endlich gefüllt werden. Denn gegen Staaten mit hohen Schulden bei gleichzeitig geringer Wirtschaftsleistung lässt sich derzeit noch immer trefflich und gewinnbringend spekulieren. Griechenland ist das mahnende Beispiel. Dagegen sind die Ergebnisse der deutschen Steuerschätzung dann doch nur Peanuts.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Jutta Wasserrab