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Griechenland droht Sparziele zu verfehlen

1. September 2011

Die griechische Verschuldung ist nach Einschätzung von Experten des Parlaments "außer Kontrolle" geraten. Das Defizit werde immer größer. Finanzminister Venizelos hält dagegen und spricht von Inkompetenz der Experten.

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Auf eine Griechenlandfahne fallen Ein-Euro-Münzen (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Ein Bericht zur finanziellen Lage des Landes erhitzt in Griechenland derzeit die Gemüter. Das Haushaltsbüro des Parlaments warnt, dass wegen der schrumpfenden Wirtschaft und sinkender Steuereinnahmen die von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF) gesetzten Sparziele voraussichtlich verfehlt werden.

Die ins Auge gefassten Sparmaßnahmen kämen zu spät, weil die Rezession tiefer sei als erwartet. Dem Land drohe in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von etwa 8,8 Prozent, schätzt das Haushaltsbüro, die zuständige Abteilung des griechischen Parlaments. Damit hätte Griechenland sein Ziel, das Staatsdefizit auf 7,5 bis 7,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu drücken, nicht erreicht.

Venizelos erklärt Gremium für unfähig

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos (Foto: AP)
Kein Vertrauen in eigene Finanz-Experten: Evangelos VenizelosBild: AP

Doch die Ohrfeige für das Gremium, das erst kürzlich gegründet worden war, um die Finanzpolitik der Regierung besser zu überwachen, kam prompt. Finanzminister Evangelos Venizelos erklärte das Gremium am Donnerstag (01.09.2011) für inkompetent und bestritt die Stichhaltigkeit des Berichts.

In seiner Stellungnahme hieß es, dass "etablierte Organisationen" wie die EU und die griechische Zentralbank wüssten, wie man die Haushaltsdaten eines Landes zusammenfasst und interpretiert. Demgegenüber sei es "klar, dass das Haushaltsbüro noch nicht über dieses Wissen, diese Erfahrung und diese Verantwortung verfügt".

Voraussetzung für nächste Hilfszahlung gegeben?

Bündel von Euro-Scheinen (Foto: pa/dpa)
Noch im September soll Griechenland weitere Milliardenhilfen erhaltenBild: dpa/PA

Für die Regierung in Athen kommt der Bericht zu einem ungelegenen Zeitpunkt, weil sie derzeit mit den internationalen Kreditgebern über die Auszahlung einer weiteren Tranche des ersten Hilfspakets verhandelt.

Venizelos traf sich am Donnerstag mit Inspektoren der EU, die die Finanzlage Griechenlands und den eingeschlagenen Sparkurs überprüfen. Geplant ist die Auszahlung von weiteren acht Milliarden Euro von EU und IWF noch für diesen Monat. Im Gegenzug für die Milliardenhilfen muss Griechenland die Umsetzung seines Spar- und Stabilisierungsprogramms vorantreiben.

EU: Prüfung abwarten

Die EU-Kommission hielt sich denn auch zunächst mit einer Stellungnahme zu der Finanzsituation in Griechenland zurück. Erst werde das Ergebnis der Prüfung seitens der sogenannten Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank abgewartet. "Es ist verfrüht, jetzt über Zahlen zu spekulieren, wir müssen erst einmal das Resultat abwarten", sagte ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel.

Doch gute Nachrichten hinsichtlich Griechenlands Verschuldung sind wohl auch von dieser Seite kaum zu erwarten. Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums habe sich schon länger abgezeichnet und sei keine Überraschung, so der Sprecher von Rehn. Darauf habe die Kommission bereits in ihrer Frühjahrsprognose hingewiesen. "Einige der Risiken für das Wachstum sind nun eingetreten."

Dass deshalb die nächsten Hilfsgelder für Griechenland womöglich nicht fließen werden, damit ist aber kaum zu rechnen. So betonte der Sprecher des Brüsseler Währungskommissars, wesentlich sei, dass Griechenland seine Strukturreformen und die Privatisierung von Staatsbesitz rasch umsetze.

Düstere Perspektive

Die Akropolis in Griechenland (Foto: pa/dpa)
Düstere Perspektive für das hoch verschuldete GriechenlandBild: picture-alliance / dpa

In der vergangenen Woche hatte das Finanzministerium in Athen bereits bekanntgegeben, dass in den ersten sieben Monaten des Jahres die Einnahmen des Staates um 1,9 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen sind. Die Ausgaben stiegen dagegen um 2,7 Milliarden an.

Auch die Aussichten für die Konjunktur sind düster. Die Wirtschaftsleistung wird laut neuen Schätzungen in diesem Jahr um weitere 5,0 bis 5,5 Prozent schrumpfen. 2010 war sie nach offiziellen Angaben bereits um 4,5 Prozent zurückgegangen.

Autorin: Ursula Kissel (dpa, rtr, afp, dapd)
Redaktion: Sabine Faber