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Griechenland-Einigung sorgt für Streit

16. Juni 2017

Die Erleichterung war groß, nachdem sich die Euro-Finanzminister auf die Freigabe neuer Milliardenkredite für Griechenland geeinigt hatten. In Deutschland gibt es Lob, aber auch viel Kritik.

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Flaggen Griechenland EU Währungsunion
Bild: Getty Images/C. Furlong

Frische Kredite in Höhe von 8,5 Milliarden Euro wird Griechenland von den anderen Euroländern bekommen, um im Juli fällige Schulden bedienen zu können. Darauf haben sich die Finanzminister der Euroländer bei ihrem Treffen am Donnerstag in Luxemburg verständigt.

"Wir haben den entscheidenden Schritt für den Ausweg des Landes aus der Wirtschaftskrise gemacht", sagte der griechische Premierminister Alexis TsiprasTsipras am Freitag in Athen. "Jetzt müssen wir unsere Bemühungen verstärken, um einen Aufschwung zu erzielen."

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag lobte die Einigung der Eurogruppe und verwies auf deutsche Investitionen und belebte Geschäfte mit Griechenland. Auch der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold nannte die Auszahlung der Kredite eine gute Nachricht. Doch dürften die harten Bedingungen nicht verschwiegen werden. "Die nochmalige Kürzung von Kleinrenten und Steuererhöhungen für Niedriglöhner sind eine Schande", meinte Giegold.

Wer muss zustimmen?

Allerdings gibt es innerhalb der deutschen Regierungskoalition nun Streit über die Frage, ob der Bundestag der Einigung zustimmen muss. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist der Ansicht, dass am Freitag nur der Haushaltsausschuss des Bundestags prüfen muss, ob die Vereinbarung der Eurogruppe dem Mandat des Parlaments entspricht.

Der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs pocht dagegen auf eine Abstimmung im Parlamentsplenum und nicht nur im Haushaltausschuss. Er warf Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Freitag vor, aus Wahlkampfgründen eine Entscheidung hinauszuzögern.

Auslöser für den Streit ist die unklare Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF), dessen Chefin Christine Lagarde am Treffen der Eurogruppe teilgenommen hatte. Im Vorfeld hatte der IWF Griechenlands Schulden als nicht tragfähig kritisiert und gedroht, er werde sich ohne einen Schuldenschnitt nicht an neuen Krediten beteiligen. Später erklärte Lagarde, auch eine Verlängerung der Laufzeiten als Schuldenerleichterung  anzusehen.

Vor allem Deutschland war gegen eine Lockerung der Kreditbedingungen für Griechenland - bestand aber gleichzeitig darauf, dass sich der IWF weiter am Kreditprogramm beteiligt.

Denn das war einst Bedingung für die Zustimmung des Bundestags zum aktuellen dritten Kreditprogramm für Griechenland, das 2015 beschlossen wurde und im Sommer 2018 ausläuft.

Ist der IWF an Bord?

In Luxemburg einigten sich die Europäer und der IWF nun auf einen Kompromiss. Der IWF legt nun formal ein eigenes Kreditprogramm auf, zahlt aber zunächst kein Geld aus. Dies soll erst fließen, wenn der Streit über mögliche weitere Schuldenerleichterungen für Athen beigelegt ist. Darüber wird aber erst nach Auslaufen des aktuellen Hilfsprogramms 2018 entschieden - und somit auch nach der Bundestagswahl im Herbst.

Schäuble, der lange auf eine sofortige finanzielle Beteiligung des IWF gepocht hatte, räumte nach der Einigung ein, dies sei eine "gewisse Abweichung von dem, was beschlossen war".

Der Haushaltsausschuss des Bundestags muss nun prüfen, ob eine "wesentliche Änderung" des 2015 aufgelegten Programms vorliegt. Falls ja, müsste das Plenum des Bundestags sich mit einem neuen Mandat befassen. Davon gehe er aber nicht aus, sagte Schäuble.

Schäuble zu Griechenland: "Es bleibt ein schwerer Weg"

Hinauszögern wegen der Wahl

SPD-Haushaltspolitiker Kahrs sieht das anders. Er werde seiner Fraktionsspitze empfehlen, über die Einigungsformel im Parlamentsplenum zu beraten. "Das möchte ich nicht im Haushaltsausschuss abfrühstücken, sondern darüber soll jeder Abgeordnete im Plenum offen diskutieren", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Jeder wisse, dass die Einigung zur Freigabe weiterer Milliardenhilfen an Griechenland und zur Beteiligung des IWF nur ein Formelkompromiss sei. Lagarde habe Schäuble einen Gefallen getan.

Kahrs sieht die Bedingungen des Bundestages somit nicht erfüllt. Die IWF-Beteiligung werde auf die Zeit nach der Bundestagswahl ins nächste Jahr verschoben: "Es gibt nur ein weiteres Verschieben, um nicht zu sagen, wie die Lage wirklich ist."

Auch FDP-Chef Christian Lindner, dessen Partei derzeit nicht im Bundestag vertreten ist, warf Schäuble vor, wegen des Bundestagswahlkampfes Scheinlösungen mitbeschlossen zu haben. Der IWF sei nicht mit eigenem Geld an Bord, sagte Lindner.

"Es wurde nur ein Formelkompromiss verabredet, der über die Bundestagswahl bis ins kommende Jahr tragen soll." Diese Lösung sei eine Aufweichung der Linie, die der Bundestag vor zwei Jahren beschlossen habe. "Es darf nicht sein, dass fortwährend die Bedingungen und Regeln verändert werden, auf deren Grundlage die Hilfsprogramme anfangs gewährt wurden", so Lindner.

EZB wartet ab

Die Europäische Zentralbank (EZB) signalisierte, sie werde vorerst keine griechische Staatsanleihen ankaufen. Die Beschlüsse der Eurogruppe seien zwar ein "sehr positiver Schritt in die richtige Richtung", sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters. "Aber es muss erst mehr Klarheit bei den Schulden geben, um Griechenland in das PSPP aufzunehmen." So wird unter Fachleuten das in Deutschland umstrittene Anleihenkaufprogramm der EZB genannt. Es soll noch bis mindestens Ende 2017 laufen und dann ein Gesamtvolumen von 2,28 Billionen Euro erreichen.

Die Zentralbank hatte wiederholt erklärt, sie müsse vor einer Aufnahme griechischer Papiere die Schulden als langfristig tragfähig einstufen können. Dazu müsste es aber relativ spezifische Zusagen für Schuldenerleichterungen geben. Eine Aufnahme griechischer Staatstitel in das EZB-Programm wäre für das Land ein wichtiges Signal für eine Rückkehr an den Kapitalmarkt auf absehbare Zeit.

Trotz vieler Unklarheiten sorgte die Griechenland-Einigung an den europäischen Börsen für Erleichterung. Der Leitindex der Athener Börse kletterte auf den höchsten Stand seit zwei Jahren. Der Deutsche Aktienindex (DAX) und der Eurostoxx50 legten jeweils ein halbes Prozent zu.

bea/wen (dpa, Reuters)