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Was erwarten Künstler von Syriza?

Christiane Kort26. Januar 2015

Von der Linkspartei Syriza erhoffen sich viele Menschen einen Neuanfang. Acht Künstlerinnen und Künstler in Griechenland sagen, was sie von der neuen Regierung erwarten - einer gehört sogar zum Parlament.

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Parthenon in Athen (Foto: Reuters/Yorgos Karahalis)
Bild: Reuters/Yorgos Karahalis

Maria Karavatou, 45, ist Schmuckdesignerin in Athen. Sie mahnt die längst überfällige Trennung von Staat und Kirche an. Die orthodoxe Kirche habe noch immer einen sehr starken Einfluss auf die Gesellschaft, auch auf die Bildung. "Ich bin in eine Schule gegangen, die verstärkt Musik und Kunst unterrichtete. Das war ein Pilotprojekt." Schulen mit einem eigenständigen Profil sind auch heute noch selten, berichtet Maria. Sie kritisiert, dass die Medien, zusammen mit den Politikern, seit Jahren ein Klima der Angst verbreiten, statt unabhängig zu informieren.

Maria Karavatou (Foto: privat)
Maria KaravatouBild: privat

Manolis Perysinakis, 36, ist Pianist in Athen und arbeitet - wie viele Musiker und bildende Künstler - als Schullehrer. Er ist skeptisch: "Viele halten inzwischen Syriza nicht mehr für links, sondern für eine neue Pasok. Und die brauchen wir nicht." Aber das müsse man jetzt erst einmal sehen. Dringend mahnt Manolis einen Wechsel im Musik- und Kulturverständnis an: "Diejenigen, die unglaublich viel Geld damit machen, dass sie den Leuten die schlechteste Musik präsentieren, gehören beiseite geschoben. Dieser kranke Populismus, den Leuten das leichteste, billigste Zeug anzubieten mit der 'Rechtfertigung', das wäre es doch was sie wollten - das muss man beenden. Auch wir, die Musiker, die klassische und zeitgenössische Musik spielen, wollen von unserer Arbeit leben können und uns anerkannt und nützlich fühlen."

Kleine Unternehmen stärken

John Lindus, 64, ein englischer Maler, der seit 20 Jahren in Griechenland lebt, kritisiert, dass 80 Prozent der historischen Stätten inzwischen geschlossen sind. Noch direkter betrifft es ihn und viele andere Künstler, dass auch ein großer Teil der Galerien schliessen musste. Dadurch fehlen die notwendigen Orte, um Kunst zu zeigen und zu verkaufen. Erst wenn Griechenland aus der Krise herauskomme und seine Wirtschaft neu aufbaue, mit kleinen Unternehmen als Impulsgebern und einer klaren Tourismus-Strategie, könne sich der griechische Mittelstand erholen. Und erst dann, meint John Lindus, haben auch Künstler wieder eine Zukunft.

Dimitrios Sevastakis ist Maler und unterrichtet an der Technischen Hochschule in Athen. Er ist auf der Insel Samos aufgewachsen und vertritt nun dort, in der griechischen Provinz, Syriza. Dimitrios Sevastakis wurde ins neue Parlament gewählt. Der 54-Jährige sagt, er sei zwar stets politisch aktiv gewesen, fühle sich jedoch von ganzem Herzen als Künstler. An ein so weitreichendes Engagement habe er nicht gedacht. Doch die Lebensumstände hätten sich drastisch verschlechtert: "Wir können die Entscheidungen über unser Leben nicht länger den Politikern überlassen, sondern wir müssen selbst Verantwortung übernehmen und handeln."

Dimitrios Sevastakis (Foto: privat)
Dimitrios SevastakisBild: privat

Bürgernahe Verwaltung

Alek Lindus, 49, Fotografin und Designerin, wuchs als gebürtige Engländerin in Athen auf. Sie studierte in London Kunst und kehrte nach Griechenland zurück. "Das Zweiparteien-System aufzubrechen, ist für Griechenland eine große Sache", erklärt sie, "viele Menschen kennen nichts anderes. Das Klientel-System ist hier stark verwurzelt. Die Parteien versorgten ihre Wähler mit Stellen im Staatsdienst, so dass es zu viele Bedienstete für zu wenig Arbeit gab. Dass mit Syriza nun eine Partei gewählt wurde, die diese Vergangenheit nicht hat, ist ein großer Fortschritt." Alek fordert von der neuen Regierung, die öffentliche Verwaltung transparent und bürgerfreundlich zu machen. Ganz wichtig sei es auch, die kleinen Unternehmen wieder zu stärken, "denn sie sind das Rückgrat der griechischen Wirtschaft und haben durch die Krise sehr gelitten."

Alek Lindus (Foto: privat)
Alek LindusBild: privat

Maria Sevastakis, 50, ist Malerin. Sie stammt aus einer bekannten linksorientierten Politikerfamilie; ihr Vater wurde deshalb drangsaliert und musste emigrieren, nach Australien. Maria wuchs in Sydney auf und übersiedelte vor ihrem Studium nach Athen. Heute gestaltet sie internationale Kunstprojekte und engagiert sich unter anderem in der Flüchtlingshilfe. Auch Maria fordert eine bürgernahe Verwaltung. Da immer mehr Dienststellen geschlossen werden, müsse man für alltägliche Behördengänge inzwischen lange Wege zurücklegen. Das Privatisierungsprogramm soll gestoppt werden und "alles Staatseigentum, das gerade verkauft wird, in öffentlichen Besitz zurückgehen." Maria erwartet, dass die Reichen künftig besteuert werden. "Die Menschen begreifen, dass sie Macht besitzen, sie haben die Angst überwunden."

Maria Sevastakis Sofiane Ait Chalalet (Foto: privat)
Maria Sevastakis und Sofiane Ait ChalaletBild: privat

Zusammengehen und Veränderungen bewirken

Sofiane Ait Chalalet, 33, stammt aus Algerien und lebt seit zehn Jahren in Griechenland. Als Menschenrechtsaktivist, Performance-Künstler und Autor sieht Sofiane den Regierungswechsel in Griechenland als eine große Chance. "Die Menschen wollen nicht gedemütigt werden für Banken und Geld. Im Moment ereignet sich hier sehr viel. Und Syriza kann es schaffen, die Leute zusammenzubringen, aus allen Parteien. Wenn wir einig sind, können wir Veränderungen bewirken. Wenn ich nur für mich allein arbeite und der andere für sich, dann werden wir nichts erreichen. Aber wenn wir zusammengehen, dann wird es gut."