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Griechenland pokert hoch

Bernd Riegert30. März 2015

Die Kreditgeber und Griechenland suchen weiter nach dem besten Blatt. Die Reformvorschläge aus Athen sollen nachgebessert werden. Wann Beschlüsse fallen ist unklar. Geht das Land vorher pleite? Bernd Riegert, Brüssel.

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Symbolbild Poker: Die Hand eines Spielers hebt zwei Karten an (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/apops

Die Beamten aus dem griechischen Finanzministerium, die am Freitag nach Brüssel gekommen waren, waren sehr freundlich. Sie klappten ihre Laptops auf und präsentierten Schaubilder und Tabellen auf Griechisch. Die Arbeitssprache in der Arbeitsgruppe der drei Institutionen, vormals Troika, die die Vorschläge aus Athen prüfen sollen, ist allerdings Englisch oder Französisch. Die Abgesandten der Links-Rechts-Koalition in Griechenland trugen die Reformvorschläge deshalb am Samstag erst einmal mündlich vor, später wurden Speicher-Sticks mit Daten nachgereicht. Über das Wochenende prüften dann Vertreter von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank die eingereichte Reformliste. Den griechischen Partnern wurde Verbesserungsvorschläge unterbreitet.

Glücksspielsteuer als Rettungsanker?

Die Prüfer bemängelten, dass viele der Vorschläge nicht konkret genug seien. Die neuen Einnahmen, die die Regierung in Athen durch neue Steuern und eine punktuelle Anhebung bestimmter Steuersätze erreichen wolle, seien zu optimistisch geschätzt, hieß es nach der Wochenend-Sitzung. Finanzminister Yanis Varoufakis will zum Beispiel eine Steuer auf Online-Glücksspiel einführen, die jährlich 500 Millionen Euro einbringen soll. Die Experten der Institutionen halten 50 Millionen Euro, also ein Zehntel, für realistisch. Die meisten Vorschläge der Syriza-Enel-Koalition zielen darauf, die Einnahmen zu erhöhen. Das Ziel aller Maßnahmen zusammengerechnet liegt bei drei Milliarden Euro jährlich. Die Ausgaben des griechischen Staates sollen nicht weiter reduziert, sondern für soziale Maßnahmen oder Wiedereinstellungen im Öffentlichen Dienst erhöht werden. Notwendige Reformen in den überlasteten Renten- oder Pensionskassen seien nicht vorgesehen, kritisierten die Prüfer. Der gute Wille auf Seiten der Griechen sei da, "aber wir sind noch nicht am Ziel", sagte der Sprecher der EU-Kommission, Margaritas Schinas, vor Journalisten in Brüssel.

"Keine Rückkehr zum Sparkurs"

Erstmals will die neue Regierung in Athen Lizenzgebühren für private Fernsehgesellschaften eintreiben, die zumeist im Besitz von Industriellen sind. Die Steuer steht zwar schon seit 26 Jahren im Gesetzbuch, wurde bislang aber wohl nicht ernsthaft erhoben. Ministerpräsident Alexis Tsipras sieht das als Schlag gegen die "Oligarchen", die die griechische Wirtschaft und die Medien beherrschten, heißt es in der griechischen Zeitung "Ekathimerini". Die Angleichung der Mehrwertsteuersätze auf bestimmten Touristeninseln wurde wieder verworfen, nachdem sich die Tourismuswirtschaft in Athen erfolgreich beschwert hatte.

Griechenland Finanzminister Yanis Varoufakis zieht einen Helm auf (Foto: Reuters)
Optimistische Steuerpläne: Finanzminister VaroufakisBild: Reuters/Alkis Konstantinidis

Am Sonntag hat das griechische Kabinett über eine Überarbeitung der Reformliste beraten. Danach sagte der stellvertretende griechische Außenminister für Wirtschaftsbeziehungen, Euklid Tsakalotos, eine Rückkehr zum alten Sparkurs werde es nicht geben. Finanzminister Varoufakis sagte in einem Interview mit der griechischen Zeitung "To Vima", im kommenden Jahr plane seine Regierung mit einem Primärüberschuss von 1,5 Prozent. Vorgesehen waren eigentlich 4,5 Prozent. In diesem Jahr dürfte überhaupt kein positives Haushaltsergebnis mehr erreicht werden, weil die Wirtschaft stagniert, statt zu wachsen. Griechenland steuert auf ein Haushaltsdefizit zu. "Das Loch, dass Syriza für Griechenland gräbt, wird jede Woche tiefer", sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Euro-Gruppe berät wahrscheinlich nach Ostern

Nach dem Gipfeltreffen mit Alexis Tsipras vor knapp zwei Wochen und seinem Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin vor acht Tagen hatte sich in Brüssel Hoffnung breit gemacht, dass die Verhandlungen mit Griechenland über die Auszahlung weiterer Kredittranchen nun zügig abgewickelt werden könnten. Doch nach diesem Wochenende sei die Hoffnung wieder geschwunden, hieß es von EU-Diplomaten in Brüssel. Die Finanzminister der Euro-Gruppe, die letztlich entscheiden müssen, werden sich jetzt wohl frühestens in der kommenden Woche mit Griechenland beschäftigen können. An diesem Mittwoch könnte die Arbeitsgruppe der Staatssekretäre aus den Finanzministerien der Euro-Länder in einer telefonischen Schaltkonferenz beraten.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras zu besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (li.). (Foto: AFP)
Harmonie, aber keine Annäherung: Merkel (li.) und Tsipras in BerlinBild: Getty Images/AFP/J. MacDougall

Nächste Hürde am 9. April

Bislang hat Griechenland die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Kreditgebern beglichen, auch Löhne und Gehälter wurden offenbar gezahlt. Die Schätzungen darüber, wann der griechischen Staatskasse das Geld ausgehen könnte, gehen unter den Experten auseinander. Sie reichen von einigen Tagen bis Ende April. Klarheit ist auch deshalb nicht zu bekommen, weil die Vertreter der Institutionen (Troika), die in Athen verbindliche Daten aus dem Finanzministerium bekommen sollten, über mangelnde Zusammenarbeit berichten. Der österreichische Finanzminister Jörg Schelling warf den Griechen schon letzten Freitag vor, sie lieferten immer noch keine konkreten Unterlagen. "Wir haben eine Vertrauenskrise mit Griechenland", sagte Schelling in Wien. Am 09. April muss Griechenland 458 Millionen an den Internationalen Währungsfonds zahlen. Die Europäische Zentralbank hat vorerst die Ausgabe von kurzfristigen Staatsanleihen (T-bills) gestoppt, mit denen sich Griechenlands Staatskasse noch über Wasser halten konnte.

Jeroen Dijsselbloem - Eurogruppenchef (Foto: Reuters)
Noch kein Zeitplan: Eurogruppen-Chef DijsselbloemBild: Reuters/F. Lenoir

Aus dem im Februar verlängerten Hilfsprogramm sind 7,2 Milliarden Euro bisher nicht ausgezahlt. Um wenigstens in Kürze einen Teil dieser Summe zu bekommen, hat Griechenland zugestimmt, mit der Umsetzung von Reformen zu beginnen. Noch liegt nicht einmal die Liste von Reformen vor, die in Angriff genommen werden sollen. Bevor tatsächlich Geld fließen kann, müssten nicht nur die Finanzminister der Euro-Staaten, sondern auch noch einmal der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen.