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Griechischer Kurs für die EU?

Alexander Kudascheff8. Januar 2003

Eine Schwalbe fliegt über Europa - so wollen es jedenfalls die Griechen, die in den kommenden sechs Monaten die Geschäfte der europäischen Union führen. DW-Korrespondent Alexander Kudascheff berichtet.

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Die Schwalbe - sie symbolisiert die Leichtigkeit und die Visionskraft der Europäer – so stellen es sich die Ahnen der europäischen Kultur vor. Für Athen ist offenbar klar: sie wollen aus ihrer Ratspräsidentschaft ein Ereignis machen. Zwar ist die Erweiterungsschlacht der europäischen Union seit dem letzten Gipfel in Kopenhagen geschlagen, aber für die Griechen bleibt sehr wohl einiges zu tun: Da ist zu aller erst die allerdings vor allem symbolträchtige Unterzeichnung der Beitrittsurkunden in Athen im April. Sie wird die neu gefundene Einheit des europäischen Kontinents, manche sprechen sogar von einer Wiedervereinigung, ausdrücken. Und diese neue Einheit findet in Athen statt - der Stadt, in der die europäische Kultur ihren ersten Ausgangspunkt hatte.

Wichtiger aber noch: in die sechs Monate, in denen die Griechen das Sagen haben, fällt auch der Schlussgong im europäischen Verfassungskonvent. So sieht es der Zeitplan vor: Im Juni wollen die Konventsmitglieder um den Franzosen Valéry Giscard d'Estaing herum ihre europäische Verfassung vorstellen. Sie wollen dem europäischen Rat vorschlagen, welchen Weg die EU in der Zukunft gehen wird. Das heißt, wird die EU ein Bundesstaat oder ein Staatenbund, ein Superstaat oder eine Supermacht. Und dieser Verfassungsentwurf wird sicher in den nächsten Wochen immer intensiver diskutiert werden - und Athen wird die Diskussion mitbestimmen. Kein Wunder, dass Außenminister Papandreu - genauso wie sein deutscher, belgischer und französischer Amtskollege - inzwischen mit im Konvent sitzt. Die Zeit der Entscheidung naht - die Mitglieder, die die Regierungen in den Konvent senden, werden immer höherrangiger. Und das zu Recht. Die europäische Verfassung - sie wird zur Nagelprobe der politischen Zukunftsfähigkeit der Union, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wieder in der Mitte der EU

Griechenland wird im kommenden halben Jahr seine Rolle spielen können. Das liegt auch an der Regierung in Athen. Denn sowohl Premier Simitis als auch Außenminister Papandreu sind unaufgeregte, souveräne Pragmatiker, die sich mit Erfolg bemüht haben, Griechenland wieder in die Mitte der EU zurückzuführen. Noch bei der letzten Präsidentschaft 1994 war Griechenland völlig unberechenbar. Man verhängte gegen den Willen der EU ein Embargo gegen Mazedonien. Der damalige Präsident Papandreu gefiel sich in der Rolle des Euroskeptikers, dem nur die griechischen Interessen am Herzen lagen. Außerdem bestimmte seine Frau, die legendäre Mimi - eine ehemalige Nachttänzerin - die politischen Geschicke des Landes in schier unglaublicher Weise mit. Da verzweifelten die Europäer oft an der Halsstarrigkeit Athens. Das ist nun vorbei.

Griechenland - auch beflügelt vom Erfolg, beim EURO mitmachen zu dürfen und zu können - ist in die Reihen der europäischen Gemeinsamkeiten zurückgekehrt. Es sucht eine neue Brücke zur Türkei zu schlagen, will mit Ankara eine der deutsch-französischen Freundschaft ähnliche Aussöhnung zustande bringen. Und es will die Zypernfrage lösen. Das hat den Blick der Europäer auf die Griechen schlagartig geändert. Man hört auf Athen. Und natürlich hofft man, dass die Schwalbe dauerhaft das Symbol der griechischen Europa-Ambitionen wird. Warum auch nicht?