1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Großbritannien bald Steueroase?

Rolf Wenkel4. Juli 2016

Nach dem Brexit erwägen zahlreiche Firmen, Großbritannien zu verlassen. Finanzminister Osborne will dagegenhalten und die Steuern für Unternehmen drastisch senken.

https://p.dw.com/p/1JIYd
Großbritannien Finanzminister George Osborne
Bild: Getty Images/AFP/J. Super

Mit einer deutlichen steuerlichen Entlastung will der britische Finanzminister George Osborne (Artikelbild) Unternehmen nach dem Brexit-Votum zu einem Verbleib in Großbritannien bewegen. Die Körperschaftsteuer soll von derzeit 20 Prozent auf unter 15 Prozent gesenkt werden, berichtete die "Financial Times" am Wochenende.

Dieser Satz wäre im Vergleich der großen Volkswirtschaften der niedrigste. In anderen Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beträgt der Steuersatz im Schnitt 25 Prozent. Eine niedrigere Besteuerung von Unternehmen in Großbritannien würde vermutlich andere Länder der Europäischen Union verärgern, weil sie zu einem Steuersenkungs-Wettlauf und damit zu insgesamt sinkenden Steuereinnahmen führen kann.

Mit den Plänen reagiert Osborne ganz offensichtlich auf Befürchtungen, Unternehmen könnten nach dem Brexit-Votum wegen der Unsicherheit über die künftigen Beziehungen Großbritanniens mit der EU das Land verlassen. Mehrere große britische Unternehmen haben wegen der Brexit-Entscheidung bereits Gewinnwarnungen ausgegeben.

Wettbewerbsfähigkeit verbessern

Die Körperschaftssteuer (Corporate Tax) ist eine Abgabe auf das Einkommen von bestimmten juristischen Personen wie zum Beispiel Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereine, Stiftungen. Sie ist eine Ertragssteuer, weil sie den Gewinn eines Unternehmens belastet, und sie kann zu einer Doppelbesteuerung führen, wenn der versteuerte Gewinn anschließend an die Anteilseigner ausgeschüttet wird. Diese Ausschüttung ist für die Aktionäre einkommenssteuerpflichtig.

Finanzminister Osborne sagte der "Financial Times", die britische Wirtschaft müsse sich mit einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf das Ausscheiden aus der EU vorbereiten. "Wir müssen den Horizont und den Weg vor uns in den Blick nehmen und das Beste aus dem Blatt machen, das uns ausgeteilt wurde".

Noch vor dem Brexit-Referendum war aus dem Munde von Osborne von Steuersenkungen nichts zu hören. Im Gegenteil: Der Finanzminister hatte ursprünglich angekündigt, dass Großbritannien im Falle eines "Leave"-Votums etwa 30 Milliarden Pfund mit Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen einnehmen müsse.

Vorbild Irland

Osbornes Vorbild ist offenbar die Republik Irland, die bereits seit Jahrzehnten eine aggressive Steuersenkungspolitik betreibt - sehr zum Ärger anderer Industriestaaten. Waren es in den Jahren vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise die großen Banken, die in Scharen in die irische Hauptstadt Dublin zogen, sind es nun die High-Tech-Firmen der Internetwirtschaft.

In der Nachbarschaft von mittlerweile vier Google-Gebäuden in Dublin haben sich etliche IT-Konzerne angesiedelt. In den gläsernen Bürotürmen, die in den früheren Hafen-Docks hochgezogen worden sind, sitzen etwa Facebook, Amazon, Paypal, Twitter, Dropbox und Airbnb. Der Grund ist klar: In Irland zahlen die Firmen weniger Steuern als andernorts. Die Körperschaftsteuer ist mit 12,5 Prozent so niedrig wie in kaum einem anderen Industriestaat.