1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Große Marionetten, große Oper

Kate Hairsine / pab15. März 2014

Eine altehrwürdige italienische Puppen-Bühne und ein deutsches Barock-Ensemble haben sich Händels "Rinaldo" angenommen. Das Ergebnis: ein besonderes Opern-Erlebnis mit einem Hauch von Magie.

https://p.dw.com/p/1BPj9
Eine handgeschnitzte Marionette - Foto: Kate Hairsine (DW)
Bild: DW/K. Hairsine

Hinter den Kulissen des #link:http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/info/1682/:Badischen Staatstheaters# in Karlsruhe wuseln Puppenspieler und Techniker hin und her. Sie bereiten sich auf die abendliche Aufführung vor. "Rinaldo", eine Oper aus dem 18. Jahrhundert von Georg Friedrich Händel steht auf dem Programm. Die Puppenspieler gehören zum Ensemble von #link:http://bit.ly/1gt98WE:Carlo Colla & Figli#, einem weltberühmten italienischen Puppen-Theater, das seit über 200 Jahren klassische Märchen und Theaterstücke aufführt.

Piero Corbella klettert auf ein zwei Meter hohes Gerüst, das quer über die Bühne reicht. Auf dieser Brücke wird er zusammen mit seinen Kollegen stehen und die Fäden ziehen, um den im Schnitt 85 Zentimeter großen Marionetten im Rampenlicht Leben einzuhauchen.

Eine wahre Tradition

Handgefertigt und bemalt, mit echtem Haar und aufwendigen Kostümen - die geschnitzten Marionetten sind beeindruckend. Die Puppen, die in dieser Rinaldo-Version zum Einsatz kommen, sind alle neu und eigens für diese Oper hergestellt worden. Damit sie bei künftigen Inszenierungen auch gemeinsam mit ihren älteren "Kollegen" auf der Bühne stehen können, wurden sie ganz auf traditionelle Art produziert, macht Puppenspieler Corbella deutlich.

Der Puppenspieler Piero Corbella zusammen mit der Marionette, die die Hauptfigur in Händels Oper "Rinaldo" spielt - Foto: Kate Hairsine (DW)
Puppenspieler Corbella: 3000 Marionetten, 8000 Kostüme, unzählige RequisitenBild: DW/K. Hairsine

"Deshalb ist es wichtig, dass wir noch heute dieselben Techniken und Verarbeitungsweisen gebrauchen wie vor 200 Jahren", sagt Corbella, während er sich das hölzerne Kreuz mit den vielen Fäden des Rinaldo-Darstellers nimmt und die Hand der Marionette gekonnt zum Herzen führt. Insgesamt warten 3000 Marionetten, 8000 Kostüme und unzählige Requisiten im Magazin des Puppentheaters vor den Toren Mailands auf einen erneuten Einsatz.

Während die Puppen der Nebenrollen nur sechs Fäden haben, haben die Hauptcharaktere bis zu 25 Fäden. Auf diese Weise, so Corbella, könnten sie komplizierte Bewegungen ausführen. Zum Beispiel könnten sie die Hand der Marionette als tragische Geste zu ihren Augenbrauen führen oder den Mund bewegen, damit die Mimik dem Gesang ähnelt. Diese Vielzahl an Bewegungen ist wichtig, um an den historischen Traditionen des barocken Theaters festzuhalten, das auf stilisierten, emotionalen Gesten basiert.

Bringt die Oper unters Volk!

Im 18. und 19. Jahrhundert war es gängige Praxis für Marionetten-Theater, wie das von Carlo Colla, zusammen mit Musikern und Sängern durch das Land zu fahren und Opern aufzuführen. "Damals konnte es sich niemand leisten, nach Mailand zu fahren und dort die großen Opern in der Scala zu sehen. Aber sie konnten es sich leisten, dieselben Opern, die von Marionetten gespielt wurden, zu besuchen", sagt Puppenspieler Corbella.

Bei dem großen Finale von Rinaldo singe alle Marionetten der Produktion auf der Bühne zusammen - Foto: Kate Hairsine (DW)
Marionetten von Carlo Colla & Figli, begeleitet von der Lautten Compagney: "Magischer Effekt"Bild: Ida Zenna

Das Ensemble von "Carlo Colla" führt noch heute Marionetten-Opern auf. Verdi, Mozart und Haydn sind nur einige Komponisten aus ihrem Repertoire. Dabei kommt die Musik mittlerweile meistens aus der Konserve. Bei den Aufführungen in Karlsruhe ist das anders und damit für die Puppenspieler sehr aufregend, sagt Eugenio Colla. Er gehört zur fünften Generation der Colla-Familie, die das Marionetten-Theater leitet.

"Bei einer Liveaufführung können die Musiker auf die Wärme des Publikums antworten und das Tempo ändern", so der Herr der Marionetten. "Die Sänger haben auch eine gewisse musikalische Freiheit, wie die Arien gestalten und so ist das eine großartige Erfahrung, den Bewegungen dieser außergewöhnlichen Stimmen mit den Marionetten zu folgen."

Historische Laute und Cembalo

Unten im Orchestergraben packen die Musiker ihre Instrumente aus, stimmen sie und fangen an, sich für die Probe warm zu spielen. Sie sind von der #link:http://www.lauttencompagney.de/:Lautten Compagney#, einem deutschen Barock-Ensemble, das Werke von Händel und anderen auf historischen Instrumenten spielt.

Dirigent Wolfgang Katschner hat die Koproduktion zwischen der Lautten Compagney und dem Marionetten-Theater organisiert. Er glaubt, dass die Zusammenarbeit in einem "sehr speziellen Theaterstück" aufgehen wird. "Wir kombinieren historische Musik mit einem speziellen historischen Theater - und das Ergebnis wird etwas sehr Magisches und Wunderschönes", sagt Katschner. "Die Marionetten folgen dem Libretto auf eine sehr naive, einfache Art, was einen magischen Effekt ergibt."

Nachdem ein kleiner Puppen-Vogel vorsichtig auf der Hand einer Marionette gelandet ist, tauchen Meerjungfrauen durch die glitzernden, auf Paper gemalten Wellen und eine Zauberin steigt von einem zweiköpfigen Drachen, der mit seinem Schwanz schlägt und feuer spuckt. Das Publikum scheint verzaubert von dieser außergewöhnlichen Vorstellung. "Es ist wunderschön, einfach großartig", sagt eine Frau, während eine weitere die Schönheit und die Kunstfertigkeit lobt. Ein älterer Herr, der die Oper zusammen mit seiner Frau besucht, ist von der Art und Weise entzückt, wie Puppen-Theater und historische Instrumente widerspiegeln, "wie Barock-Musik und Theater früher stattgefunden haben".

Diese Rückkehr des barocken Kulturerbes ist ohne Zweifel einer der Gründe, warum die Produktion von Händels "Rinaldo" so beliebt ist. Es ist das dritte Jahr, in dem die Lautten Compagney und Carlo Colla & Figli die Oper gemeinsam auf Festivals in ganz Europa aufführen. Und sie planen bereits die Inszenierung eines weiteren Händel-Werks. Das Publikum kann sich also auch in Zukunft auf diese gelungene Mischung aus italienischer Puppenspiel-Tradition und deutschem musikalischem Erbe freuen.