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"Großer Informationsbedarf deutscher Firmen an Ungarn nicht mehr vorhanden"

4. April 2002

- Immer mehr deutsche Firmen überlegen, in Siebenbürgen statt in Ungarn zu investieren

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Budapest, 2.4.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Gunnar Erth

(...) Seit August 2000 arbeitet Siegfried Breuer in Budapest für die Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai). Egal, ob es um die Firmen der Zementindustrie, das Investitionsklima oder die Wachstumsrate geht - die bfai berichtet. 1951 wurde die Bundesagentur gegründet. (...) 163 Wirtschaftsexperten sitzen in der Kölner Zentrale, 45 Korrespondenten berichten aus dem Ausland. 1000 Veröffentlichungen publiziert die Agentur im Jahr, sei es als Export- oder Rechtsführer, Länderjahresberichte oder das Flaggschiff, die 14-tägige Zeitschrift "bfai info". Hinzu kommen Internetbanken unter und CD-Roms.

Kunden sind vor allem deutsche Investoren. Denen werden auch Geschäftskontakte vermittelt, allerdings von den Zentralen, nicht von den Korrespondenten. "Das macht in Budapest eher die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer, sonst käme ich auch nicht zum Arbeiten", sagt Breuer. Die bfai und die Kammer sind zwei Säulen der deutschen Außenwirtschaftsbeziehungen, die dritte ist die deutsche Botschaft. Diese drei teilen sich weltweit die Arbeit. (...)

Einziges Handicap in Ungarn: die Sprache. "Überschriften kann ich vielleicht noch lesen, zu mehr reicht es nicht", erzählt der Mann, der fließend Englisch, Französisch und Spanisch spricht. "Alle unsere Korrespondenten müssen die Sprache des Einsatzlandes sprechen, Ungarn ist die einzige Ausnahme - die Sprache ist zu exotisch." Selbst mit Rumänisch, der Sprache des zweiten Landes, das Breuer von Budapest aus betreut, kommt er besser zurecht. "Meine Assistentin übersetzt mir die Texte, ansonsten benutze ich die englischsprachigen Agenturdienste."

Eng arbeitet Breuer, der sein Büro im Haus der deutschen Wirtschaft in der Lovohaz utca hat, zudem mit dem Landesstatistikamt KSH zusammen. Hinzu kommen Termine mit Verbänden und deutschen Firmen. Mit der Politik arbeite er weniger zusammen, der Kontakt zum Außenministerium sei aber gut. Nach der täglichen Materialsammlung beginnt er mittags, seine Berichte für die Zentrale zu verfassen.

Als Breuer in Budapest begann, musste er sich erst seine Kontakte schaffen. Die Übergangsperiode beträgt generell nur eine Woche, danach wird jeder Korrespondent ins kalte Wasser geworfen. Das sei aber lediglich beim ersten Einsatz ein Problem, danach nicht mehr, so Breuer. "Jeder Korrespondent arbeitet auf eine andere Art und schafft sich seine eigenen Kontakte." Deutlich größere Probleme bei der Umstellung bereitete ihm der immer noch spürbare Einfluss des Sozialismus. "Man hat den Menschen 50 Jahre lang die Kreativität und Lebensfreude genommen." Ungarn sei zu grau, es fehlten die Farben.

Der Reiz am Exotenland Ungarn nehme auch im Bereich der Wirtschaftsbeziehungen ab. "Die Kontakte sind eingespielt, lediglich was die Umsetzung der EU-Bestimmungen betrifft, wird sich noch einiges tun." Der große Informationsbedarf deutscher Firmen an Ungarn sei nicht mehr vorhanden. "Das Land ist klein und wird sich in Zukunft vor allem als Logistikstandort noch entwickeln, während für die Produktion Rumänien aufholen wird. Immer mehr Firmen, die hier präsent sind, überlegen, in Siebenbürgen statt in Ungarn zu investieren", glaubt er.

Überhaupt stehe die Region vor einigen Umwälzungen. "Zurzeit haben wir Korrespondenten in Zagreb, Sofia und Budapest - es wird bei uns diskutiert, ob das auf Dauer die richtige Verteilung ist. Statt Zagreb wäre ein Büro in Jugoslawien sinnvoller. Und man sollte sich überlegen, ob wir nicht langfristig ein Büro in Wien einrichten, das über Ungarn, Slowenien, Tschechien und die Slowakei berichtet." In den kommenden Jahren führe aber an einem Büro in Budapest noch kein Weg vorbei. (...) (ykk)