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Der neue Verhoeven

Jörg Taszman9. Mai 2007

"Black Book" heißt das europäische Kino-Comeback des Niederländers Paul Verhoeven. Nach über 20 Jahren in Hollywood knüpft er an seinen für viele besten niederländischen Film "Soldaat van Oranje" an.

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Sebastian Koch, Quelle: AP
Sebastian Koch überzeugt in einer schwierigen Rolle als SS-MannBild: NFP
Carice van Houten
Carice van Houten spielt Ellis de VriesBild: NFP

Rachel Stein war einst eine junge, jüdisch-holländische Sängerin, die auch in der Hauptstadt Berlin Erfolge feierte. Als sie versucht, im Herbst 1944 gemeinsam mit ihrer Familie und anderen wohlhabenden Juden ins befreite Belgien zu fliehen, wird die nächtliche Rettungsaktion verraten. Die SS erschießt die Flüchtlinge.

Rachel ist die einzige Überlebende. Sie ändert ihren Namen in Ellis de Vries, färbt sich die Haare blond und schließt sich dem niederländischen Widerstand an. In einer Schlüsselszene steigt Rachel auf der Flucht vor der Gestapo mit zwei Koffern voller Waffen in das Zugabteil des SS-Chefs von Den Haag, Ludwig Müntze, ein.

Kein Schwarz-Weiß-Schema

Sebastian Koch verkörpert diesen hohen Naziführer zunächst als einen charmanten Gentleman. "Schöne Frauen sollten keine schweren Koffer tragen. - Da sind meine Schallplatten und mein Grammofon drin. - So sehr lieben Sie die Musik? - Das ist mein Beruf, ich war Sängerin vor dem Krieg."

Der Machtmensch aus gutem bürgerlichen Hause hat jedoch innerlich längst mit der Nazi-Ideologie gebrochen und als Ellis de Vries auf ihn angesetzt wird, um ihn auszuspionieren, nutzt er das auch, um sich mit dem Widerstand zu arrangieren.

Die Kino-Legende

Eigentlich wollte Sebastian Koch nach "Stauffenberg" und "Speer und Er" keine Nazis mehr spielen. "Jetzt kommt aber ein Paul Verhoeven, der für mich auch so etwas wie eine lebende Kinolegende ist," erzählt Koch. "Der immer wieder Filme gedreht hat, die die Filmlandschaft verändert haben. Das ist ein Mensch, der Neuland betreten muss und da sind wir uns verwandt."

Verhoeven zeichnet fast alle Charaktere - egal ob Nazis, Juden oder Niederländer - mit einer tiefen zwiespältigen Menschlichkeit aus und verblüfft so immer wieder den Betrachter. So zeigt er den niederländischen Widerstand in sich zerstritten zwischen Nationalisten, Kommunisten und christlichen Pazifisten, thematisiert auch einen latenten Antisemitismus.

In den Niederlanden provozierte diese kritische Sicht auf den Widerstand erstaunlicherweise nicht. Dies überraschte Verhoeven zunächst, fand dann aber eine Erklärung dafür. "Nicht alles war so heldenhaft und wunderbar, wie wir noch nach dem Krieg dachten. Statistiken zeigen, wie sich die Niederländer im Krieg verhalten haben. 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung blieben neutral. Einige versteckten oder schützten sich, aber aktiver Widerstand gab es bei den meisten nicht."

Beeindruckendes Comeback

Regisseur Paul Verhoeven
Regisseur Paul VerhoevenBild: 2007 NFP neue film produktion GmbH

"Black Book" operiert mit allen Mitteln des Unterhaltungskinos. Verhoeven, der schon seit "Türkische Früchte" oder "Basic Instinct" Spannung und Erotik meisterhaft einzusetzen vermag, rechtfertigt so das enorme Budget von 17 Millionen Euro in jeder Einstellung.

"Zwartboek" wie der Film im Original heißt, ist ein Film, der polarisiert. In den Niederlanden sahen ihn mehr als eine Million Zuschauer im Kino. Bleibt abzuwarten, ob man in Deutschland bereit ist, sich auf einen Film einzulassen, der mit Klischees spielt, um sie dann genüsslich zu hintertreiben. Verhoeven mischt die Karten zwischen gut und böse neu. Bei ihm gibt es nicht nur heldenhafte Widerstandskämpfer und sadistische Nazis, sondern auf beiden Seiten einfach nur Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen. Mit "Black Book" hat sich der große Provokateur Paul Verhoeven eindrucksvoll zurückgemeldet.