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Wikileaks Guantanamo

26. April 2011

Die Internetplattform Wikileaks lebt. Und das ist gut so. Denn die neuesten Enthüllungen zu Guantanamo sind haarsträubend. Ein Kommentar von Daniel Scheschkewitz.

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Bild: DW

Die neuesten Enthüllungen von Wikileaks bestätigen, was Kenner der Materie schon immer vermutet hatten: In den allermeisten Fällen hatten die US-amerikanischen Terrorfahnder kaum Indizien, die nach rechtsstaatlichen Maßstäben gerechtfertigt hätten, jemanden im Gefangenenlager Guantanamo zu inhaftieren.

In den ersten Jahren nach den monströsen Terroranschlägen vom 11. September 2001 reichte manchmal schon eine bestimmte Reiseroute nach Afghanistan aus, um aus Verdächtigen dauerhafte Insassen des Hochsicherheitstraktes auf der US-Militärbasis in Kuba zu machen. Bei anderen war es der Besuch besonders suspekter Moscheen und der Besitz einer Armbanduhr einer bestimmten Marke. Oder es wurden Bauern, Männer auf Brautschau, ja sogar Kinder, die das Pech hatten, im Umfeld einer Explosion aufgegriffen zu werden, auf unbegrenzte Zeit in Guantanamo eingekerkert.

Mehr Unschuldige als Terroristen

DW-Autor Daniel Scheschkewitz (Foto: DW/Per Henriksen 15.02.2011)
DW-Autor Daniel ScheschkewitzBild: DW

Rund 800 Häftlingen sind dort insgesamt inhaftiert worden. Nur etwa zweihundert von ihnen konnten tatsächlich Verbindungen zu Terrornetzwerken nachgewiesen werden. Die von Wikileaks enthüllten Dokumente aus US-amerikanischen Geheimdienstquellen bestätigen: Die global agierenden Terrorfahnder der US-Geheimdienste operierten weithin hysterisch und wahllos und beraubten unschuldige Menschen über Jahre hinweg ihrer Freiheit.

Guantanamo war und ist in weiten Teilen auch heute noch ein Willkürsystem, das einer rechtsstaatlichen Basis entbehrt und dessen Auflösung zum großen bisher uneingelösten Versprechen der Präsidentschaft Barack Obamas zu werden droht.

Dabei zeigen die jetzt auszugsweise veröffentlichten Dokumente aber auch: Die Terrorgefahr war und ist wohl noch real. Die Führung der El Kaida berauschte sich nicht nur an den von ihr inszenierten Terroranschlägen, sie plante auch neue Verbrechen - ob am Londoner Flughafen Heathrow oder in der arabischen Welt. Nur wusste die Supermacht Amerika nicht, wie sie mit dieser Gefahr umgehen sollte. Sie agierte planlos und kannte die betroffenen Regionen nur unzureichend. Eine Supermacht in Panik, der nicht nur Maßstäbe solider Verbrechensaufklärung, sondern auch das Einmaleins der Kriminalistik abhanden gekommen war.

Problemfall Pakistan

Heute sitzen die maßgeblichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September in Guantanamo in Haft. Bis auf Osama bin Laden und Mullah Omar ist man ihrer zwar habhaft geworden, doch mit einem juristisch korrekten Prozess können sie auch unter Präsident Obama nicht rechnen. Außerdem werfen die jetzt enthüllten Dokumente neue Fragen auf. Etwa die, welche Rolle der pakistanische Geheimdienst ISI bei der Terrorbekämpfung in der Region spielt. Von Experten wird schon seit langem vermutet, er kenne und schütze den Aufenthaltsort Osama bin Ladens. Die USA - auch das zeigen die jetzt veröffentlichten Dokumente - stufen diesen eigentlich befreundeten Geheimdienst inzwischen sogar selbst als terroristische Organisation ein. Starker Tobak, dessen Enthüllung die ohnehin schon gespannten Beziehungen der USA zu Pakistan auf eine neue Belastungsprobe stellen dürfte.

Autor: Daniel Scheschkewitz

Redaktion: Beate Hinrichs