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Grundrechte für Menschenaffen?

Gina Krymalowski 10. Mai 2014

Menschenaffen sind dem Menschen sehr ähnlich. Deswegen werden sie so genannt. Aber ihre Lebensumstände in den Zoos sind oft nicht menschenwürdig. So wird die Debatte um Tierrechte neu aufgerollt.

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Gorilla-Waisenkind mit abgetrennter Hand im Virunga Nationalpark, Ostkongo (Foto: SImone Schlindwein)
Bild: DW/S. Schlindwein

Alles Gute Fatou! Der zweitälteste dokumentierte Gorilla der Welt wird 57 und der Berliner Zoo feiert. Schon seit 55 Jahren lebt Fatou dort im Menschenaffenrevier. Quasi zu ihrem Geburtstag stellt das Great Ape Project seine Initiative zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschenaffen in Zoos in Berlin vor und fordert für sie eigene Grundrechte, die denen der Menschen ähneln.

Menschenähnliche Eigenschaften

Gorillas, Schimpansen, Orang-Utans und Bonobos gehören zu der Gruppe der Menschenaffen. Sie werden begrifflich nicht der Gruppe der "Homo" zugeordnet, haben jedoch einige ausschlaggebende Eigenschaften, welche denen der Menschen sehr ähnlich sind. Das Erbgut von Menschen und Schimpansen ist je nach Analysemethode zwischen 93,5 bis 99,4 Prozent gleich. Abgesehen von der genetischen Ähnlichkeit haben sie die Fähigkeiten zu denken, vorrausschauend zu planen und auch Leid zu fühlen.

Schon die Forscherin Jane Goodall, bis heute der einzige Mensch, der je in eine Schimpansen-Gesellschaft aufgenommen wurde, beobachtete in den 1960er und 1970er Jahren bei Schimpansen menschenähnliches Verhalten wie Küsse, Umarmungen und Interaktionen, aber auch den Gebrauch von Werkzeugen.

Da wirkt es um so befremdlicher, wie diese so menschenähnlichen Geschöpfe in deutschen Zoos gehalten werden. In 38 Deutschen Tierparks werden rund 430 Menschenaffen gehalten. Die Mindestanforderungen der Haltungsbedingungen werden vom Tierschutzgesetz vorgegeben, sind aber nur schwer überprüfbar. Und selbst wenn sie eingehalten werden, sind sie kaum tragbar.

Haben in Österreich vier ausgewachsene Gorillas einen Anspruch auf 500 Quadratmeter Außengehege, sind es in Deutschland nur 200 Quadratmeter. Außerdem gibt es in den Innengehegen sogenannte Abtrennboxen, in welchen Tiere - oft auf Grund von psychischen Verhaltensauffälligkeiten - quasi in Einzelhaft eingesperrt werden.

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Untersuchungen vor Ort

Der Psychologe und Tierrechtler Dr. Colin Gouldner verbrachte über ein Jahr lang mehr als 600 Stunden damit, in deutschen Zoos die Menschenaffen und ihre Haltung zu untersuchen. Teilweise arbeitete er inkognito, da er auch schon eines Zoos verwiesen oder während seines gesamten Besuchs von Tierpflegern begleitet wurde. Sein Untersuchungskatalog, anhand dessen er die psychische Situation der Affen einordnete, stammt aus der Humanpsychologie.

Die Bedingungen der meisten Zoos stuft er zwischen schlecht und katastrophal ein und stellt diese detailliert in seinem Buch "Lebenslänglich hinter Gittern" vor. Eines der extremsten Beispiele ist seiner Ansicht nach der Zoo Welzheim. Dort hätten 41 Schimpansen ein Innengehege von nur 220 Quadratmeter zur Verfügung.

Gorilladame Fatou in ihrem Gehege im Berliner Zoo (Foto: )
Seit 55 Jahren im Zoo: Geburstagsgorilla Fatou in ihrem Gehege in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Psychopharmaka für Menschenaffen

Doch auch ein anderes Phänomen hat Gouldner bei seinen Untersuchungen beobachtet. Viele der Tiere waren sichtbar medikamentös eingestellt. Das stellte der klinische Psychologe an sichtbaren Nebenwirkungen der Medikamente, wie geröteten oder geschwollenen Augen fest. Denn oft werden Medikamente nicht zur Behandlung von Krankheiten verbreicht. Vielmehr kommen beispielsweise Antidepressiva zum Einsatz, die eigentlich für Menschen gedacht sind.

"Um im Zoo zu überleben, müssen die meisten Tiere medikamentös eingestellt werden", sagt Colin Gouldner. Viele der Tiere leiden an Depressionen, Aggressivität, Selbstverstümmelung und der mittlerweile in den Kreisen der Forscher so genannten Zoose, einer durch das Zooleben eingetretene Psychose.

Geplante Veränderungen

Ein Orang-Utan-Plüschtier hält ein von einem Menschenaffen gemaltes Bild (Foto: Uwe Anspach/dpa)
Affenkunst: Im Zoo Heidelberg malen die Orang-Utans - anschließend wird das Kunstwerk versteigertBild: picture-alliance/dpa

Doch wenn es nach den Tierrechtlern geht, soll sich etwas verändern. Die Gründer des 2011 in Deutschland gestarteten Great Ape Project fordern nun Grundrechte für Menschenaffen. Die Menschenrechte sollen um Tierrechte erweitert werden, verankert in der Verfassung. Eine Petition wurde Ende April eingereicht. Deren Kernforderung: "Das Recht der Großen Menschenaffen auf persönliche Freiheit, auf Leben und körperliche Unversehrtheit" zu schützen. Medizinische Versuche an Menschenaffen, die Gefangenschaft unter unwürdigen Bedingungen, sie zu töten oder ihren Lebensraum zu zerstören, sollen verboten werden.

Dabei sagen die Tierschützer, sie seien sich der Unterschiede zwischen Menschen und Menschenaffen durchaus bewusst. Und doch hätten die Tiere ein Recht auf lebenswürdige Umstände, unter denen sie nicht erkranken oder sogar sterben.

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