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Nicht das erste Mal

30. Juni 2009

Das Bundesverfassungsgericht hat sich schon mehrfach mit dem Spannungsverhältnis zwischen europäischem und nationalem Recht beschäftigt. Fast gegen alle weitreichenden EU-Verträge gehen Verfassungsbeschwerden ein.

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Gebäude des Bundesverfassungsgerichts (Foto: BVerfG)
Kein Palast, sondern Zweckbau: Verfassungsgericht in KarlsruheBild: 2000 BVerfG

Je weiter die Integration der europäischen Staaten fortschreitet und je mehr nationale Kompetenzen auf die Europäische Union übertragen werden, desto strenger werden augenscheinlich die Maßstäbe, die das höchste deutsche Gericht anlegt. Nicht zuletzt geht es bei diesen Urteilen auch immer um die Frage: Für was ist eigentlich noch das deutsche Verfassungsgericht zuständig und über welche Dinge entscheidet der Europäische Gerichtshof in Luxemburg?

"Maastricht"-Urteil vom 12. Oktober 1993

Die Verfassungsbeschwerde gegen den grundlegenden Vertrag der Europäischen Union haben die Richter zurückgewiesen. Die Übertragung von Hoheitsrechten vom deutschen Staat auf die Union sei zulässig, aber nur wenn in der EU bestimmt demokratische Prinzipen beachtet würden. Deutschland dürfe Mitglied in einer supranationalen Organisation wie der EU sein, solange in diesem Staatenbund das deutsche Parlament genügend Einfluss auf Entscheidungen nehmen könne.

Die Europa-Fahne weht vor der Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin (Foto: AP)
Vorrang für europäisches oder deutsches Recht?Bild: AP

Euro-Verfassungsbeschwerde am 31. März 1998

Das Bundesverfassungsgericht wies die Beschwerde der Euro-Kritiker zurück, da die Gemeinschaftswährung unter ausreichender Beteiligung der Mitgliedsstaaten eingeführt und verwaltet werde. Außerdem seien die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht auf Eigentum verletzt worden.

Urteil zum Europäischen Haftbefehl am 18. Juli 2005

Die Bundesverfassungsrichter verwarfen das Gesetz des Bundestags, mit dem der Europäische Haftbefehl eingeführt werden sollte. Diese EU-Regelung sieht vor, dass Deutsche an andere EU-Staaten ausgeliefert werden können. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen Grundrechte deutscher Staatsbürger.

Solange-II-Beschluss von 1986

Im sogenannten zweiten "Solange-Beschluss" stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass Europäisches Recht generell Vorrang vor nationalem Recht genießt. Solange die Grundrechte der Bürger auch durch Europäisches Recht ausreichend geschützt seien, sei gegen dieses Prinzip nichts einzuwenden. Der Europäische Gerichtshof kann also Entscheidungen deutscher Gerichte überprüfen. Umgekehrt behält sich das Bundesverfassungsgericht dieses Recht vor, wenn es deutsche Grundrechte bedroht sieht. Das Verhältnis zwischen EuGH in Luxemburg und Bundesverfassungsgericht wird als Kooperation definiert.

Solange-I-Beschluss von 1974

Im ersten "Solange-Beschluss" hatten die Richter dies noch anders gesehen. Anfang der 70-er-Jahre des letzten Jahrhunderts steckte die europäische Integration noch in den Kinderschuhen. Damals sagte das Bundesverfassungsgericht, die Grundrechte seien auf europäischer Ebene noch nicht ausreichend abgesichert. Deshalb werde europäisches Recht selbstverständlich in Karlsruhe auf Vereinbarkeit mit den in Deutschland garantierten Grundrechten geprüft.

Auflagen möglich?

Udo Di Fabio (Foto: dpa)
Richter di Fabio lehnte europäischen Haftbefehl abBild: dpa

Einen der großen grundlegenden EU-Verträge hat das Bundesverfassungsgericht bislang noch nie zurückgewiesen. Beobachter des Gerichts gehen deshalb davon aus, dass sich die acht Richter des Zweiten Senats auch diesmal auf eine Zustimmung mit gewissen Auflagen beschränken werden. Der Zweite Senat gilt aber als relativ unberechenbar. Der Berichterstatter, der das Verfahren vorbereitet hat, Richter Udo Di Fabio, hat sich in seinen Publikationen schon mehrfach europaskeptisch geäußert.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Mareike Röwekamp