1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Grüne Energie für Europa aus dem Kaukasus

Oliver Ristau
23. Juni 2023

Die EU möchte Ökostrom aus Georgien importieren. Dies soll das Land unabhängiger von Russland machen und der EU helfen, ihre Klimaziele zu erfüllen. Blick auf ein ehrgeiziges Vorhaben.

https://p.dw.com/p/4Sluo
Georgien | Energieversorgung
Energieversorgung - Leitzentrale Tiflis mit MitarbeiternBild: Oliver Ristau

Rauschend fließt die Kura durch Tiflis. Für Georgien ist der längste Fluss des Kaukasus eine Lebensader. Das gilt auch in der georgischen Energiewirtschaft, denn etwa 70 Prozent der Elektrizität in dem 3,7 Millionen Einwohner großen Land zwischen Russland, der Türkei, Armenien und Aserbeidschan stammt aus der Wasserkraft. 20 Prozent basieren auf Kohle und Erdgas.

Der Rest wird durch Importe aus Russland gedeckt. Noch. Denn geht es nach Deutschland und der EU, soll Georgien zum einen unabhängig vom großen Nachbarn im Norden, zum anderen zum Stromexportland mit Ziel Europa  werden.

Für Deutschland treibt das die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) voran. Sie fördert mit mehr als 200 Millionen Euro den Ausbau des Stromnetzes. So soll Georgien in die Lage versetzt werden, mehr erneuerbare Energien zu erzeugen.

Das Potential ist groß: der staatliche georgische Stromerzeuger GSE rechnet mit dem Ausbau der Kapazitäten von aktuell 4.600 Megawatt (MW) auf knapp 10.000 MW bis 2033. Neue Wasserkraftwerke würden davon knapp vier Gigawatt (GW) stellen. Dazu kommen neue Windparks mit 900 MW und die Photovoltaik mit 200 MW. Aktuell ist erst ein Windpark mit 21 MW in Betrieb.

Georgien | Energieversorgung | Kura in Tiflis
Der Fluss Kura in TiflisBild: Oliver Ristau

Stromkabel im Schwarzen Meer

Mit den neuen Kapazitäten würde Georgien vom Nettostromimporteuer zum -exporteur werden. Die Richtung ist klar: der Grünstrom soll nach Europa fließen. Und zwar nicht nur georgischer. Auch Offshore-Windparks im Kaspischen Meer Aserbeidschans könnten beim Öko-Stromexport nach Westen mitwirken.

Um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, verfolgen die EU und Georgien die Idee einer Stromleitung durch das Schwarze Meer. Mit rund 1.100 Kilometer wäre es eines der längsten Untersee-Stromkabel der Welt und könnte 1.000 MW in beide Richtungen transportieren. Die Investitionen wären mit mehr als zwei Milliarden Euro allerdings erheblich.

Derzeit erstellen die Beteiligten eine Machbarkeitsstudie, Ende 2023 werden Ergebnisse erwartet. 2029 könnte das Kabel Realität werden. Die hohen Kosten und Sicherheitsbedenken - das Unterseekabel würde in relativer Reichweite zur von Russland gehaltenen Krim-Halbinsel verlaufen - haben den Blick der Beteiligten für eine Alternative geschärft.

Georgien | Energieversorgung
Strom-Leitzentrale Tiflis mit MitarbeiternBild: Oliver Ristau

Türkische Alternative

Denn der kaukasische Grünstrom ließe sich auch über das türkische Stromnetz nach Westen transportieren, sagt Thomas Arlt vom deutschen Ingenieurbüro Fichtner. Das sei mit dem europäischen Netz synchronisiert. Voraussetzung: die Leitung in Georgien müssen zunächst vom russischen Stromverbund entkoppelt werden, mit dem sie synchronisiert sind.

Die Stuttgarter haben im Auftrag der KfW für den staatlichen georgischen Stromerzeuger in Akhalzikhe unweit der Grenze zur Türkei eine Umspannstation gebaut, die das ermöglicht. Sie kann bis zu 700 MW georgischen Strom in das türkisch-europäische Netz leiten.

"Noch nie war die Umspannstation so profitabel wie zuletzt", sagt Arlt. Denn weil sich die Strompreise im letzten Jahr in der Türkei verdreifacht haben, ließ der Export die Kassen bei den Georgiern klingeln. Geplant ist deshalb, die Exportkapazitäten um weitere 350 MW zu erhöhen. Und auch die Türkei hat einen Ausbau der Leitungen angekündigt. Inwiefern das Land aber kooperieren wird, um den Grünstrom potentiell auch in die EU weiterzuleiten, ist Verträgen vorbehalten, die es bisher nicht gibt.

Georgien | Energieversorgung am Kaukasus | Thomas Arlt
Thomas Arlt vom deutschen Ingenieurbüro FichtnerBild: Oliver Ristau

Strombörse und grüner Wasserstoff

Zunächst steht deshalb der Aufbau neuer Kapazitäten am Anfang aller Grünstrom-Träume. Georgien hat im laufenden Jahr eine erste Ausschreibung für 300 MW neue Wasserkraft-, Wind- und PV-Kapazitäten gestartet. Im Median lagen die Gebotspreise bei 5-6 Cent je Kilowattstunde. Weitere 1,2 Gigawatt (GW) sollen im Jahresverlauf folgen.

Um eine marktwirtschaftliche Preisbildung möglich zu machen, hat Staatskonzern GSE außerdem die Einrichtung einer georgischen Strombörse für das laufende Jahr angekündigt. "Ohne einen solchen offenen Strommarkt kommt kein ausländischer Investor", sagt GSE-Vorstand Zviad Gachechiladze.

Denn noch sind die Strompreise staatlich reguliert, ein freier Handel kaum möglich. "Ein Marktpreis schafft aber die Basis für grüne Stromabnahmeverträge (PPA)", erwartet er. So könnte dann das Kapital ins kleine Land kommen, um die grünen Kapazitäten für Europa auch tatsächlich zu bauen.

Georgien | Energieversorgung am Kaukasus | Strommasten
Strommasten - Umspannstation in Akhaltsikhe unweit der TürkeiBild: Oliver Ristau

Und eine weitere Vision zeichnet sich ab: Die Bundesregierung unterstützt die Pläne Georgiens, mit  dem regenerativem Strom grünen Wasserstoff zu erzeugen. Darüber hat die KfW im Mai 2023 mit der Regierung in Tiflis, der georgischen Öl- und Gasgesellschaft GOGC und der Stadt Batumi eine Absichtserklärung geschlossen. Es geht um die Umsetzung eines ersten Demonstrationsprojekts für grünen Wasserstoff in dem Land. Deutschland stellt dafür rund 1,3 Millionen Euro zur Verfügung.

Transparenzhinweis: Teile des Beitrages wurden auf einer Pressereise auf Einladung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) recherchiert.