Guatemala: Ein Festival für einen offenen Staat | Lateinamerika | DW | 24.11.2017
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Lateinamerika

Guatemala: Ein Festival für einen offenen Staat

Viel Korruption, kaum Informationen – Guatemala ist ein undurchsichtiger Staat, dem Bürgerbeteiligung fremd ist. Um den Zugang zu Informationen zu fördern, geht die DW Akademie dort neue Wege.

Diana Sofía Posada steht auf dem Gang zwischen den wuchtigen grauen Betonblöcken der Universität Rafael Landívar in Guatemala-Stadt und sucht in ihrer Handtasche nach ihrer Visitenkarte. „Vizebürgermeisterin“ steht darauf, mitsamt sämtlicher Kontaktdaten: Facebook, Twitter, Telefon- und Handynummer. Die 36-Jährige will rund um die Uhr für ihre Gemeinde erreichbar sein. Ihr ist wichtig, dass ein Staat seinen Bürgern zuhört, sie einbezieht und sich von ihnen beraten lässt. Um diese Entwicklung voranzutreiben, ist Diana Sofía Posada als eine von 25 Expertinnen und Experten aus Lateinamerika zum Open-Government Festival vom 7. bis 8. November nach Guatemala-Stadt gekommen.

Das Festival, mitveranstaltet und mitfinanziert durch die DW Akademie, soll die Idee der Bürgerbeteiligung im ganzen Land bekannt machen – durch Diskussionsforen, Workshops und Kurzvorträgen.

Bevölkerung stärker einbinden

Auch Diana Sofía Posada berichtet hier von den Erfahrungen in ihrer Gemeinde Montes de Oca, in der Nähe der costa-ricanischen Hauptstadt San José. Dort hat sie ein Regierungsprogramm auf Basis von Bürgerversammlungen entwickelt und in anderthalb Jahren Amtszeit vieles verändert.

Guatemala Open Government Festival

Diana Sofía Posada berichtet von ihren Erfahrungen

Für die Gestaltung der Gemeinde wurden 5.000 Kinder nach ihren Wünschen befragt. In regelmäßigen Workshops geht es unter anderem um die Verwendung des Bürgerbudgets – rund zehn Prozent des Haushalts werden in enger Absprache nach den Bedürfnissen der Bevölkerung ausgegeben.

Besonders wichtig ist für Posada der Zugang zu Informationen. So will sie alles ins Netz stellen – von den Haushaltszahlen bis hin zur Route der örtlichen Müllabfuhr. Auch ein Open-Data-Portal ist bereits in der Entwicklung. Die Botschaft: „Der Staat als Besserwisser hat ausgedient, die Bürgerinnen und Bürger übernehmen selbst die Interpretation der vorhandenen Daten.“

Rückschritte bei Bildung und Armutsbekämpfung

Vor allem in den ländlichen Regionen Guatemalas gibt es enorme Informationsdefizite: „Nach wie vor wissen viele Menschen hier nicht, was die Behörden eigentlich tun und auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen werden“, sagt Ángel Ramírez, Direktor von Guatecambia, einer NGO, die durch Transparenz und Bürgerbeteiligung eine partizipative und inklusive Demokratie in Guatemala fördern möchte. Korruption ist allgegenwärtig und hat Folgen: Als einziges Land in Lateinamerika verzeichnet Guatemala gravierende Rückschritte bei Bildung und Armutsbekämpfung.

Seit anderthalb Jahren fördert die DW Akademie das Projekt „Munis Abiertas“, das zu Guatecambia gehört und auf eine stärkere Informationsfreiheit zielt. Spezialisten für die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes schulen und beraten Organisationen der Zivilgesellschaft, um die Gemeinden zur Herausgabe von Informationen zu bewegen. Ángel Ramírez selbst ist dabei eine Schlüsselfigur. Er gehört zu einer neuen Generation von jungen Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern, die den 36 Jahre andauernden guatemaltekischen Bürgerkriegs nicht selbst erlebt haben und sich mit gesellschaftlicher Stagnation in einem Klima der Angst nicht abfinden wollen. Erst vor wenigen Wochen gingen Zehntausende auf die Straße, um gegen Korruption zu protestieren.

Ungewöhnliche Strategien zeigen Wirkung

Auch wegen der erneuten Protestwelle kommt das Open-Government Festival genau zum richtigen Zeitpunkt. „Trotzdem wurden wir von der Flut von Anmeldungen überrascht“, sagt Ramírez. Statt der ursprünglich kalkulierten 250 Teilnehmer kamen rund 800 Gäste, viele von ihnen aus den Provinzen des Landes.

Der Erfolg zeigt, dass die DW Akademie mit ihrer ungewöhnlichen Strategie zur Stärkung des Menschenrechts auf Zugang zu Information den richtigen Weg eingeschlagen hat – jenseits von Journalismus und klassischen Medien. Ein Weg hin zu Veränderungen, die sich viele Guatemalteken so dringend wünschen.