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Perspektivwechsel

Christine Harjes, zurzeit Ouagadougou2. März 2007

Filmemacher aus Industrienationen, die mit ihren Videokameras in Afrika auf Motivjagd gehen: Daran ist nichts Ungewöhnliches. Was aber passiert, wenn ein afrikanischer Filmemacher die Perspektive umdreht?

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Zwei afrikanische Flüchtlinge (Quelle: dpa)
Flüchtlinge, die Spanien erreichen, haben es dort bei der Integration sehr schwerBild: picture-alliance/dpa
Einlass-Tor zum FESPACO in Ouagadougou
Einlass-Tor zum FESPACO in OuagadougouBild: DW/Christine Harjes

Ein eher ungewöhnliches Bild bietet sich auf dem größten afrikanischen Filmfest FESPACO in Burkina Faso, als der senegalesische Film "Nosaltres" auf dem Programm steht. Anders als sonst sitzen dieses Mal mehr weiße als afrikanische Zuschauer in den Reihen des Kinos. Kein Wunder – schließlich ist das Thema in Europa hoch brisant. "Nosaltres" erzählt die Geschichte eines Dorfes in Katalonien. Hier leben zwei Gemeinschaften ohne jeden Kontakt nebeneinander her: Die Spanier auf der einen Seite und die Einwanderer aus Mali auf der anderen Seite. Seit acht Jahren wohnen sie im selben Dorf. Ein Gruß oder gar ein Gespräch – daran ist nicht zu denken.

"Ich denke, dass der Film wirklich die Realität in Europa widerspiegelt, weil die Schwarzen und die Einheimischen überall kaum miteinander sprechen", sagt der Kino-Besucher Georges Kaboré, Musiker und selbst Filmemacher aus Burkina Faso. Er hat einige Monate in Frankreich gelebt und ähnliche Erfahrungen gemacht. In Frankreich zu bleiben, wäre für ihn unter anderem aus diesem Grund nicht in Frage gekommen.

Acht Jahre Schweigen

Der senegalesische Regisseur Moussa Touré ist durch eine katalanische Freundin auf das Dorf in der Nähe von Barcelona gestoßen. Er hat sich mit der Kamera auf die Suche gemacht nach den Ursachen für die scheinbar unüberbrückbare Distanz zwischen den Katalanen und Maliern. Der Regisseur befragt beide Seiten und stößt bald auf eine simple Antwort. Schuldzuweisungen fallen bei Touré dabei weg. Auch als der Regisseur ältere Spanierinnen in dem Dorf fragt, woher die Malier kämen und die Damen zögernd "aus Afrika – vielleicht?" antworten, stellt er die Unwissenheit nicht zur Schau.

"Sie müssen einfach miteinander sprechen. Das ist das ganze Problem", sagt Touré. Er habe keine Lust ihnen zu sagen: Du hast Recht und du bist im Unrecht. Es gehe nur darum, miteinander zu sprechen. "Das ist alles. Aber das habe ich während der Dreharbeiten erst nach und nach gemerkt. Am Ende habe ich dann gemerkt: Warte, es ist tatsächlich möglich!", sagt der Filmemacher.

Erste Kontakte

Möglich wird am Ende der Dreharbeiten dann tatsächlich ein Treffen zwischen den Katalanen und den Maliern. Der Bürgermeister unterstützt den Vorschlag des senegalesischen Filmemachers, und im Gemeindezentrum sprechen die Alteingesessenen und die Zugezogenen zum ersten Mal seit acht Jahren miteinander. Vorurteile und Beschuldigungen werden vorgebracht. Immer aber gleicht jemand aus - so können Missverständnisse ausgeräumt werden, und die beiden Gruppen nähern sich einander an. Der Film lebt von den Aussagen der Dorfbewohner. Besonders, als sich am Ende des Treffens alle die Hand geben und sich zum Abschied auf die Wangen küssen, ist jeder Kommentar aus dem Off überflüssig.

Der Film berühre und mache Hoffnung auf ein besseres Zusammenleben auch an anderen Orten, sagt Georges Kaboré aus Burkina Faso. "Ich denke, dass alle Leute, die den Film sehen, dazu gebracht werden, wirklich über diese Situation nachzudenken und wie man eine Lösung gefunden hat, um sich gegenseitig zu entdecken, miteinander zu kommunizieren und sozialer miteinander zu leben."

Vorbild für andere Orte

Das Beispiel des kleinen spanischen Ortes könnte zumindest in Spanien zum Vorbild werden. Der Film wird jetzt an alle Bürgermeister in Katalonien verteilt und in allen Gemeinden gezeigt.

Moussa Touré hat in der kleinen katalanischen Gemeinde, in der er gedreht hat, auf jeden Fall viel bewegt. Dieselben Bewohner, die ihn beim ersten Interview auf dem Marktplatz mit der etwas fassungslosen Bemerkung: "Guckt mal, ein Neger!" begrüßt haben, wollen sich nun auf besondere Art bei dem Filmemacher bedanken. Sie wollen den Marktplatz nach ihm benennen. Schließlich sei das der Platz, an dem sich jetzt alle treffen, erklärt Touré und grinst.