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Ein Jahr nach dem Putsch

Johannes Beck12. April 2013

Vor genau einem Jahr putschten Militärs, installierten eine Übergangsregierung und versprachen freie Wahlen. Doch auf die wartet Guinea-Bissau bis heute. Die DW schildert die Lage in dem westafrikanischen Land.

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Vor dem Parlamentsgebäude in Bissau (Foto: Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

So ungestüme und brutale Besucher wie am späten Abend des 12. April 2012 hatte Carlos Gomes Júnior noch nie in seinem Privathaus. Mit Klingeln oder Klopfen wollten sich die unangemeldeten Gäste nicht aufhalten. Also nahmen sie eine Panzerfaust zu Hilfe, um die schwarze Eingangstüre zu öffnen.

Bei den Besuchern handelte sich um aufständische Militärs, die den damaligen Regierungschef Carlos Gomes Júnior festnahmen und so die Macht in Guinea-Bissau an sich rissen.

Der Eingang zum Wohnhaus von Carlos Gomes Júnior, nachdem sich Militärs gewaltsam Zugang verschafft hatten (Foto: EPA/dpa/FERNANDO PEIXEIRO)
Militärs hatten sich gewaltsam Zugang zum Haus von Gomes Júnior verschafftBild: picture-alliance/dpa

Einige Monate später erinnert er sich im Exklusiv-Interview mit der DW nur ungern an diesen Abend. "Sie haben mein Haus zerstört und geplündert. Mit Schüssen haben sie die Möbelstücke, die sie nicht aufbekommen haben, gewaltsam geöffnet. Ich werde darauf bestehen, dass diese Leute vor Gericht gestellt werden."

Exil in Lissabon statt Wahlkampf in Bissau

Eigentlich hätte Carlos Gomes Júnior am nächsten Tag den Wahlkampf für die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen eröffnen wollen. Für die Stichwahl galt er als haushoher Favorit, nachdem er bereits im ersten Wahlgang mit 49 Prozent nur knapp die absolute Mehrheit verfehlt hatte. Zu dem Zeitpunkt war er amtierender Premierminister und sehr beliebt, weil er dem von Putschen geplagten Land eine gewisse Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hatte. Sein Gegner, Ex-Präsident Kumba Yalá, galt dagegen für viele Guineenser aufgrund seiner chaotischen Regierungszeit und der aufhetzenden Reden als unwählbar. Er hatte in der ersten Runde nur 23 Prozent der Stimmen erhalten.

Aber Carlos Gomes Júnior hatte trotz großer Beliebtheit einen gewichtigen Gegner: das Militär. Er hatte die Streitkräfte gegen sich aufgebracht, weil er mit Hilfe des ebenfalls portugiesischsprachigen Angola die Zahl der Offiziere und Soldaten verringern und sie dem zivilen Kommando unterwerfen wollte. Wäre Carlos Gomes Júnior nun zum Nachfolger des an einer Krankheit verstorbenen Präsidenten Malam Bacai Sanhá gewählt geworden, hätte er die Macht der Militärs und ihre Deals mit südamerikanischen Drogenkartellen bedroht. Statt Wahlkampf war für Gomes Júnior erst einmal Haft und später der Gang ins Exil nach Lissabon angesagt.

Militärsprecher Oberstleutnant Dabana na Walna (Bildmitte) am 20. April 2012 bei einer der ersten Pressekonferenzen nach dem Putsch vom 12. April 2012 (Foto: EPA/ANDRE KOSTERS)
Militärsprecher Oberstleutnant Dabana na Walna (Bildmitte) bei einer Pressekonferenz nach dem PutschBild: picture-alliance/dpa

Die aufständischen Militärs setzten daraufhin eine zivile, demokratisch allerdings nicht legitimierte Übergangsregierung ein. Passiert ist seitdem wenig: Die für den Zeitraum eines Jahres versprochenen Wahlen fanden noch nicht statt.

Gegen den Stillstand: Wahlen bis Ende 2013

Der Sondergesandte für die Mission der Vereinten Nationen in Guinea-Bissau (UNOGBIS), der Friedensnobelpreisträger und ehemalige Präsident Ost-Timors, José Ramos-Horta, fordert, die Wahlen bis Ende des Jahres abzuhalten: "Außerdem sollte so schnell wie möglich, also ab April oder Mai, eine Regierung mit einer breiteren Basis und damit mit mehr Legitimität gebildet werden." Diese Regierung sollte dann den Wahlprozess organisieren, schlägt Ramos-Horta vor: "Die Mobilisierung der finanziellen Mittel und des Materials für die Wahlen ist dabei der einfache Teil. Schwieriger und sensibler ist dagegen der politische Teil."

Auch die Staatengemeinschaft Westafrikas ECOWAS fordert, bis zum Ende des Jahres Wahlen abzuhalten. Sie hat als einzige die neue Regierung anerkannt, die ansonsten international isoliert ist.

Ende der Übergangsregierung nicht in Sicht

Der Übergangsregierung steht seit Mai vergangenen Jahres Serifo Nhamadjo vor. Obwohl er ebenfalls der Partei von Carlos Gomes Júnior, der ehemaligen Befreiungsbewegung PAIGC, angehört, hat er bei den Präsidentschaftswahlen als Unabhängiger gegen ihn kandidiert.

Manuel Serifo Nhamadjo ist seit Mai 2012 Präsident der Übergangsregierung von Guinea-Bissau (Foto: Julien Tack/ABACAPRESS.COM)
Manuel Serifo Nhamadjo ist seit Mai 2012 Präsident der ÜbergangsregierungBild: picture-alliance/abaca

Er war aber im ersten Wahlgang mit 15 Prozent klar ausgeschieden. Nhamadjo drückt sich jedoch um eine klare Ansage, wann die nächsten Wahlen und damit das Ende seiner demokratisch nicht legitimierten Übergangsregierung genau stattfinden sollen. "Die Guineenser sind auch dafür verantwortlich, ein realistisches Datum für die Wahlen zu präsentieren. Aber es darf nicht zu früh sein und uns überfordern, es darf aber auch nicht zu weit nach hinten geschoben werden", so Serifo Nhamadjo.

Es reiche nicht aus, die verfassungsgemäße Ordnung wieder herzustellen, auch wenn das sehr wichtig sei, gibt der Direktor des portugiesischen Instituts für Internationale Politik IPRIS, Paulo Gorjão, zu bedenken. Wahlen alleine seien kein Allheilmittel: "Es ist nötig, ein für alle Mal die Probleme zu lösen, die Guinea-Bissau belasten. Jeder - ob von außen oder von innen - weiß doch, welche das sind: zum einen die Reform der Streitkräfte und zum anderen eine aktivere Politik gegen den Drogenhandel." Das westafrikanische Land spielt eine Schlüsselrolle im Drogenhandel zwischen Lateinamerika und Europa. Am 02.04.2013 fassten US-Agenten den ehemaligen Marinechef Guinea-Bissaus, José Americo Bubo Na Tchuto, vor der kapverdischen Küste. Er wurde wegen Drogenhandels festgenommen und in die USA überstellt.

Seit dem Putsch: Rezession statt Aufschwung

Die Wirtschaft leidet unter dem Stillstand nach dem Putsch: Die Zahlungen internationaler Geber bleiben aus, und kaum ein Investor traut sich aufgrund der unsicheren Lage ins Land. Nach einem Wachstum von 5,3 Prozent im Jahr 2011 brach das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2012 nach Angaben des Internationalen Währungsfonds um 2,8 Prozent ein. Vor dem Putsch war noch ein Aufschwung von mehr als vier Prozent erwartet worden.

Eine Gruppe von Militärs im Oktober 2012 – in der Mitte im blauen Gewand der Generalstabschef der Streitkräfte von Guinea-Bissau, General António Indjai (Foto: DW/Braima Darame) 21.10.2012, Bissau, Guinea-Bissau
Eine Gruppe von Militärs im Oktober 2012 - im blauen Gewand der Generalstabschef António IndjaiBild: DW

Dabei könnte Guinea-Bissau etwas Wachstum gut gebrauchen, um die Armut zu bekämpfen: Das Land belegt auf der Liste der Menschlichen Entwicklung der Vereinten Platz 176 - von 187.