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Wirtschaftskraft gebremst

15. Februar 2012

Die deutsche Wirtschaftskraft ist Ende 2011 eingebrochen, aber nicht dauerhaft, wie Experten meinen. Wie es weitergeht, darüber besteht jedoch aufgrund der Schuldenkrise Uneinigkeit.

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Fichtelbergbahn Cranzahl-Oberwiesenthal auf dem Viadukt vor Oberwiesenthal, Erzgebirge, Deutschland
Nur leicht gebremst, die deutsche WachstumslokomotiveBild: picture-alliance/Bildagentur Huber

Die Schuldenkrise bremst inzwischen auch die europäische Konjunkturlokomotive Deutschland. Ganz zum Stillstand wird sie die deutsche Wirtschaft aber nicht bringen. Wie es bereits erwartet wurde, schrumpfte die deutsche Wirtschaft im letzten Quartal 2011, das gab das Statistische Bundesamt am Mittwoch (15.02.2012) in Wiesbaden bekannt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) war preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gesunken. Für das gesamte vergangene Jahr bestätigte das Statistische Bundesamt ein BIP-Wachstum von drei Prozent.

Entwicklung im Euroraum

Nicht nur in Deutschland ging das Wachstum zum Jahresende 2011 zurück. Schaut man sich die 17 Euro-Länder in ihrer Gesamtheit an, dann ist auch hier die Wirtschaftskraft deutlich geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt sank um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat ebenfalls am Mittwoch in Luxemburg mitteilte. Im Jahr 2011 stieg das BIP im Euroraum um 1,5 Prozent. In der Zukunft kommt es aber noch dicker für den gesamten Währungsraum. Der IWF rechnet in diesem Jahr mit einem Konjunktureinbruch von 0,5 Prozent.

Einen schwereren Wachstumseinbruch hatte einzig das Schwergewicht Frankreich verhindert. Dort konnte die Wirtschaft auch Ende des Jahres 2011 noch um 0,2 Prozent wachsen und das in einem "international schwierigem Umfeld" wie Wirtschaftminister François Baroin betonte. In Italien schrumpfte dagegen das BIP zwei Quartale hintereinander und ist damit in die Rezession abgerutscht. Für dieses Jahr wird ein Rückgang von 0,6 Prozent ausgegangen, so die italienischen Statistikbehörde. Für wenig Licht sorgten auch andere Problemländer wie Spanien, Portugal und Griechenland. In Portugal fiel das Bruttoinlandsprodukt um 1,3 Prozent, in Spanien um 0,3 Prozent. In Griechenland schrumpfte die Wirtschaft binnen Jahresfrist sogar um sieben Prozent.    

Rückgang positive Überraschung

Der erste Rückgang der deutschen Wirtschaftskraft seit fast drei Jahren ist aber nicht der Anfang einer dauerhaft langsamen Fahrt der deutschen Lokomotive, meinen Ökonomen. Der Rückgang sei sogar eher eine positive Überraschung, meint Andreas Scheuerle von der Dekabank. "Im Dezember gab es fast durch die Bank weg sehr schlechte Konjunkturdaten, die einen stärkeren Rückgang befürchten ließen", so Scheuerle. Auch wenn es in anderen Euroländern kritisch aussehe, "Deutschland selbst wird nicht in eine Rezession kommen", meint Joachim Scheide, Konjunkturchef Institut für Weltwirtschaft Kiel gegenüber der DW. "Man kann das auch daran sehen, dass sich bestimmte Stimmungsindikatoren stabilisiert haben. Es wird keinen Absturz der deutschen Konjunktur geben, sondern es wird allmählich wieder aufwärts gehen."  

Nach Einschätzung anderer Volkswirte hat der Aufschwung zu Beginn dieses Jahres wieder etwas an Fahrt gewonnen. "Das 4. Quartal 2011 dürfte den Tiefpunkt markiert haben", glauben etwa Experten der Unicredit. Darauf deuteten starke Daten vom Arbeitsmarkt hin. Eine gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt führe zu einer besseren Stimmung der Verbraucher und ließe den Inlandskonsum wieder anziehen. Auch hätten sich die Exporterwartungen wieder deutlich verbessert, sagte Unicredit-Ökonom Alexander Koch.

Nur Delle in Deutschland, keine Rezession

Die eher positive Stimmung in Deutschland wird von einer Umfrage unter deutschen Finanzexperten bestätigt, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) durchgeführt hatte. Der Wachstumseinbruch Ende 2011 sei eher eine Konjunkturdelle als der Sturz in eine schwere Rezession, meinte die Mehrheit der Befragten. Sie beurteilten die Aussichten im Februar so zuversichtlich wie zuletzt im vergangenen Frühjahr.

Damit legten die ZEW-Konjunkturerwartungen unerwartet kräftig um 27 Punkte auf 5,4 Punkte zu und hoben den Indikator erstmals seit Mai 2011 wieder in den positiven Bereich. Besser stand er zuletzt im April 2011, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung am Dienstag in Mannheim mitteilte. "Aus der Sicht der Finanzmarktexperten stehen die Chancen gut, dass sich die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte in einem leichten Aufwind befinden wird", erklärte ZEW-Präsident Wolfgang Franz.

Keine zu großen Erwartungen

Einen allzu rasanten Start dürfte die deutsche Konjunkturlokomotive zum Jahresbeginn aber noch nicht hinlegen. "Ein schwacher Start in das Jahr und der frostige Februar werden die Wirtschaftsleistung wohl auch im ersten Quartal belasten", glaubt DIW-Konjunkturexperte Simon Junker. Aber die Stimmung in den Unternehmen sei deutlich besser und auch die zuletzt wieder etwas dynamischeren Auftragseingänge in der Industrie mache Hoffnung, dass die deutsche Wirtschaft ab dem Frühjahr wieder wachsen könnte, sagte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner:    

Da die Schuldenkrise aber immer noch große Unsicherheiten mit sich bringt, gehen auch die Prognosen für das Gesamtjahr 2012 weit auseinander. So erwartet die Deutsche Bank eine "schwarze Null", die Commerzbank ein Plus von 0,5 Prozent und die Bank Unicredit ist mit ihrer Prognose von 0,9 Prozent BIP-Wachstum besonders optimistisch.  

Autor: Insa Wrede
Redaktion: Henrik Böhme