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Gutes tun für gute Noten

Sola Hülsewig5. Februar 2013

Sie unterrichten Flüchtlinge, gestalten Websites für Senioren und Fragebögen für Behinderte: Beim Service Learning nutzen Studenten ihr Wissen für soziale Projekte. Die Idee aus den USA wird auch in Deutschland populär.

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Jörg Miller, Projektleiter bei Uniaktiv (Foto: DW/Sola Hülsewig)
Bild: DW/S. Hülsewig

Anne sitzt mit knapp zwanzig Studierenden der Sozialen Arbeit in einem fensterlosen Seminarraum an der Uni Duisburg-Essen und wartet darauf, dass es los geht. "Qualitätsmanagement im Sozialen Bereich" ist der Titel ihres Seminars. Das klingt zwar nach trockener Theorie - ist in diesem Fall jedoch alles andere als das. Anne und ihre Kommilitonen haben nämlich abseits der Uni mit so genannten Non-Profit-Organisationen zusammen gearbeitet, wie zum Beispiel der Caritas, der Suchthilfe oder der Rheuma-Liga.

Kaum ist Dozentin Daniela Filetti im Raum, hebt Anne die Hand. Sie will wissen, was aus dem Fragebogen wird, den ihre Gruppe während des Semesters für die Behindertenarbeit einer evangelischen Stiftung entworfen hat. Im kommenden Semester sollen andere Studierende mit Hilfe des Fragebogens herausfinden, welche neuen Bildungsangebote sich die behinderten Menschen wünschen. Daniela Filetti gibt der Studentin ein positives Feedback. Der Fragebogen sei "mehr als in Ordnung" gewesen, sagt sie. "Jetzt muss die Einrichtung Ihnen zurückmelden, ob dieses Instrument passt oder nicht."

Uni und Gesellschaft zusammenbringen

Daniela Filettis Seminar zum Qualitätsmanagement ist einer von 10 bis 14 sogenannten "Service-Learning"-Kursen, die jedes Semester im Bereich "Uniaktiv" an der Universität Duisburg-Essen angeboten werden. "Die Grundidee von Service Learning ist es, Hochschule und Zivilgesellschaft zusammen zu bringen", erklärt Projektleiter Jörg Miller. Mit gutem Grund, meint Miller. Denn die Hochschule hat seiner Ansicht nach eine besondere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft - zumal sie größtenteils aus Steuergeldern finanziert wird.

Dozentin Daniela Filetti sitzt in einem Seminarraum auf einem Tisch (Foto: DW/Sola Hülsewig)
Daniela Filetti unterrichtet QualitätsmanagementBild: DW/S. Hülsewig

Gemeinnützige Organisationen können sich an die Uni wenden, wenn sie Hilfe brauchen. Dann entwerfen Studenten beispielsweise Marketingkonzepte für soziale Projekte, überlegen sich Wege, wie es Kindern aus sozial schwachen Familien leichter gemacht werden kann, zu studieren oder treffen sich mit Menschen, um mit ihnen zu philosophieren.

Orientiert am amerikanischen Vorbild

Service Learning kommt ursprünglich aus den USA und ist mittlerweile auch an vielen deutschen Hochschulen etabliert. Die Uni Duisburg-Essen nimmt hier eine Vorreiterrolle ein, weil sie ihr Projekt schon 2005 gründete und sich dabei stark am amerikanischen Vorbild orientierte. Seitdem wurden etwa 75 Service Learning-Seminare umgesetzt; rund 200 gemeinnützige Organisationen profitierten davon.

Die praktische soziale Arbeit habe aber auch den Studenten genutzt, meint Jörg Miller. "Das Fachwissen bleibt besser im Gehirn, wenn es mit einer praktischen Erfahrung verknüpft wird", ist der Projektleiter überzeugt. Für ihn ist diese Art des Lernens eine sinnvolle Antwort auf das oft kritisierte Eintrichtern von Wissen in Studentenköpfe, das meist nicht allzu lange hängen bleibt.

Studierende der Sozialen Arbeit an der Uni Duisburg Essen im Seminar "Qualitätsmanagement im sozialen Bereich". (Foto: DW/Sola Hülsewig)
Das Projekt Uniaktiv fördert Teamgeist und OrganisationstalentBild: DW/S. Hülsewig

Außerdem können die Studierenden nach Ansicht Millers in der Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen Fähigkeiten trainieren, die sie in ihrem späteren Berufsleben auch brauchen. Etwa Teamgeist und Organisationstalent. Die Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlichen Menschen lehre sie, mit Konflikten umzugehen, betont der Projektleiter. Die selbständige Organisation der Projekte könne ihr Zeitmanagement schulen. Und: "Beim Service Learning lernen die Studenten oft Lebenswelten kennen, die ihnen vorher fremd waren."

Credit Points fürs soziale Engagement

All das sei den meisten Studenten aber kaum bewusst, wenn sie sich fürs Service Learning anmeldeten, beobachtet Miller. "Am Anfang sehen sie einfach ein Studienseminar, für das es Creditpoints gibt." Erst am Ende des Seminars werde ihnen klar, was ihre Arbeit für die Non-Profit-Organisation eigentlich gesamtgesellschaftlich bedeute und wie sie selbst davon profitiert hätten.

So gibt Anne zu, dass sie sich vor ihrem Service Learning-Seminar noch nie mit der Behindertenhilfe beschäftigt hat. "Deshalb fand ich es interessant, da mal reinschauen zu können", erklärt die künftige Sozialarbeiterin. Neben den persönlichen Erfahrungen, erlernten Fähigkeiten und den gesammelten Creditpoints sieht sie noch einen weiteren Anreiz, Service Learning-Seminare zu besuchen: Am Ende eines erfolgreich abgeschlossenen Projektes erhält jeder Student ein Zertifikat, das sein bürgerschaftliches Engagement offiziell bestätigt. Das wiederum macht sich gut in Bewerbungsunterlagen.

Anne (2. von links) mit Kommilitoninnen (Foto: DW/Sola Hülsewig)
Anne (2. von links) hat mit ihren Kommiltoninnen einen Fragebogen zur Behindertenarbeit entworfenBild: DW/S. Hülsewig