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Guttenberg lädt Käßmann nach Afghanistan ein

11. Januar 2010

"Nichts ist gut in Afghanistan" - wegen solcher Sätze wird die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche seit Tagen angegriffen. Jetzt hat sich die Bischöfin mit dem Verteidigungsminister über den Einsatz unterhalten.

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Margot Käßmann und Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: dpa)
Zwei im Dialog: Bischöfin Käßmann und Verteidigungsminister zu GuttenbergBild: picture-alliance/ dpa

Seit Jahresbeginn diskutiert Deutschland: Darf eine Bischöfin, dazu noch die wichtigste des Landes, solche Sätze sagen? "Nichts ist gut in Afghanistan", hatte Margot Käßmann in ihren Predigten zu Weihnachten und Neujahr gesagt und den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan gefordert. "All diese Strategien haben uns darüber hinweggetäuscht: Soldaten benutzen nun einmal Waffen und im Krieg sterben Zivilisten." Es war nicht das erste Mal, dass sie den Bundeswehreinsatz kritisierte, aber es war das erste Mal seit ihrer Wahl zur Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Populistische Bischöfin?

Nein, diese Worte seien nicht angemessen, hieß es vor allem aus dem Regierungslager. Die Bischöfin missbrauche das Thema, um "innenpolitisch Beifall zu erhalten", sagte der CDU-Abgeordnete Philipp Missfelder. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte, Käßmann übersehe, dass Deutschland im Rahmen der UN handle. Auch der sozialdemokratische Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, kritisierte Käßmanns Predigt. Einer allerdings sprang nicht auf den Zug der öffentlichen Kritik. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg beschloss, das Thema lieber leise anzugehen. Anstatt sich der öffentlichen Empörung über die Bischöfin anzuschließen, lud er sie lieber zum Gespräch in sein Ministerium ein. "Wechselseitiges Verständnis sei wichtig", sagte er. "Und dass man ein differenziertes Bild zeichnet."

Karl-Theodor zu Guttenbergin Afghanistan (Foto: AP / Bundeswehr, Marcus Rott)
Bei der nächsten Afghanistan-Reise könnte die Bischöfin den Minister begleitenBild: AP

Die Bischöfin bekräftigte ihre Forderung nach einer klaren Abzugsperspektive. Beide vereinbarten, den Dialog zu verstärken. Außerdem lud Guttenberg Käßmann zu einem Afghanistan-Besuch ein. Über den weiteren Inhalt des Gesprächs vereinbarten beide Seiten Stillschweigen. "Beide Seiten waren sich ebenso einig, dass für die Soldatinnen und Soldaten der Rückhalt der Gesellschaft wichtig ist. Dem könne eine offene Debatte nur dienlich sein", hieß es in einer gleichlautenden Erklärung der Evangelischen Kirche und des Verteidigungsministeriums. Der Sprecher des Ministeriums, Christian Dienst, betonte: "Wir begrüßen es ausdrücklich, dass diese Debatte, die lange vernachlässigt wurde, endlich stattfindet."

Pazifistische Tradition

Die Evangelische Kirche sieht sich in Deutschland insbesondere seit dem Dritten Reich besonders stark dem Pazifismus verpflichtet. Und auch sich in die Politik einzumischen gehört für die Lutheraner zur Aufgabe eines Christen. Margot Käßmann hat das immer wieder bekräftigt. "Dass du in die Freiheit gestellt bist, dass du selbst nachdenken sollst, dass es darum geht, dass du dir eine Meinung bildest - diese Haltung, die ist ganz evangelisch", hat sie kurz vor Weihnachten geantwortet, als sie gefragt wurde, was für sie das Evangelische ausmacht.

Ganz in diesem Sinn hat Margot Käßmann in den letzten Tagen auch gegen alle Kritik immer wieder ihre ablehnende Haltung zum Afghanistan-Einsatz bekräftigt. Nun hatte sie Gelegenheit, ihre Kritik direkt im Verteidigungsministerium vorzubringen.

Autor: Mathias Bölinger

Redaktion: Manfred Götzke