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Guttenberg mit zerzausten Haaren

24. Januar 2011

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg steht wegen mehrerer Vorfälle bei der Bundeswehr in der Kritik. Nicht immer zurecht, in einer Sache aber schon, meint Peter Stützle.

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Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Klar, dass sich die Opposition auf den Verteidigungsminister stürzt. Karl-Theodor zu Guttenberg ist der mit Abstand populärste Politiker dieser Regierung. Da kommt natürlich jede Gelegenheit recht, ihm das gegelte Haar zu zerzausen. Aber diese Gelegenheit bietet Guttenberg eben auch - nicht wegen der Vorfälle in der Bundeswehr, sondern wegen der Art, wie er damit umgeht.

Peter Stützle, Hauptstadtstudio Berlin (Foto: DW)
Peter Stützle, Hauptstadtstudio BerlinBild: DW

Die Vorfälle an sich sind alle noch nicht aufgeklärt. Da sind erstens die geöffneten Feldpostbriefe von Soldaten in Afghanistan. Wilde Spekulationen bis hin zu Machenschaften des Militär-Geheimdienstes MAD machten die Runde, aber vielleicht hat ja nur ein afghanischer Bote Verwertbares wie Speicherkarten und USB-Sticks aus den Umschlägen geholt. Man weiß es noch nicht. Dann ist da der tödliche Schuss in einem Feldlager in Afghanistan - vermutlich versehentlich aus der Waffe eines Kameraden. Genaueres müssen die Untersuchungen ergeben. Und dann gibt es die Beschwerde von Offiziersanwärtern auf dem Segelschulschiff Gorch Fock. Sie wollten nach dem tödlichen Absturz einer Kameradin nicht die Takelage hochklettern, weshalb ihnen der Kommandant Meuterei vorgeworfen haben soll.

Wie gesagt, zu all dem sind die Untersuchungen nicht abgeschlossen. Dass unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe Oppositionspolitiker und viele Medien nach der Verantwortung des Ministers fragten, war unangebracht. Die Bundeswehr hat mehr als eine viertel Million Mitarbeiter, da kommen leider immer wieder unschöne Dinge vor. Niemand käme auf die Idee, wegen vergleichbarer Vorfälle in einem Volkwagen-Werk den Vorstandsvorsitzenden verantwortlich zu machen.

Anders war es schon, als dann der Verdacht auftrat, das Verteidigungsministerium habe die Abgeordneten im Verteidigungsausschuss falsch informiert. Ein Staatssekretär Guttenbergs habe dort davon gesprochen, dass sich der erschossene Soldat beim Reinigen seiner Waffe selbst getötet habe, obwohl längst klar war, dass der tödliche Schuss aus der Waffe eines Kameraden kam. Sollte Guttenbergs Haus damit versucht haben, das Parlament falsch zu informieren, wäre das tatsächlich ein Skandal. Aber welches Motiv sollte es dafür haben? Eher war wohl der Staatssekretär schlecht informiert.

Die letzte Sache aber war wirklich fragwürdig. Im Fall des Segelschulschiffs Gorch Fock hatte Guttenberg, nach Konsequenzen gefragt, gerade noch geantwortet, er wolle erst die Untersuchung abwarten. Da veröffentlichte die Boulevardzeitung "Bild" neue Vorwürfe über angebliche Schikanen auf der Gorch Fock, und prompt berief Guttenberg den Kommandanten ab. Natürlich kann man sagen, ein Kommandant, gegen den schwere Vorwürfe im Raum stehen, kann das Schiff nicht weiter führen, unabhängig davon, ob die Vorwürfe stimmen. Aber dann hätte er sofort abberufen gehört und nicht erst auf Zuruf der "Bild"-Zeitung.

Karl-Theodor zu Guttenberg kann, trotzdem, diese Affäre durchstehen. Aber erst einmal ist sein Haar zerzaust - von ihm selbst.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Kay-Alexander Scholz