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Guttenberg setzt Generalinspekteur ab

26. November 2009

Verteidigungsminister Guttenberg greift infolge von Informationspannen nach dem Luftangriff in Kundus durch: Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert müssen gehen. Und Vorgänger Jung gerät unter Druck.

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Portrait des zurückgetretenen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan (Foto: AP)
Der zurückgetretene Generalinspekteur der Bundeswehr SchneiderhanBild: AP

Minister Karl-Theodor zu Guttenberg sagte am Donnerstag (26.11.2009) in der Bundestagsdebatte über die Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan, Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan selbst habe um seine Entlassung gebeten. Er habe dieser Bitte entsprochen. Auch Verteidigungsstatssekretär Peter Wichert räume seinen Posten.

Verteidigungsminister Guttenberg am Donnerstag im Bundestag (Foto: dpa)
Verteidigungsminister Guttenberg am Donnerstag im BundestagBild: dpa

Zur Begründung führte der CSU-Politiker an, unter seinem Vorgänger Franz Josef Jung seien wichtige Informationen zu dem von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriff auf zwei von den Taliban in Afghanistan entführte Tanklastwagen zurückgehalten worden. Bei dem Luftangriff am 4. September waren laut einem NATO-Bericht bis zu 142 Menschen getötet und verletzt worden. Untersuchungen der afghanischen Regierung kamen zu dem Ergebnis, es seien 69 Taliban-Kämpfer und 30 Zivilisten getötet worden.

Über Bericht nicht informiert

Der Verteidigungsminister betonte, einen von der "Bild"-Zeitung am Donnerstag zitierten internen Bericht der Bundeswehr-Feldjäger zu dem Luftschlag habe er das erste Mal am Mittwoch gesehen. Ebenso seien weitere Berichte und Meldungen in der letzten Legislaturperiode nicht vorgelegt worden, sagte Guttenberg. Schneiderhan und Wichert hätten die Verantwortung für die Pannen übernommen. Schneiderhan, der ranghöchste deutsche Soldat, war im November 2001 zum Generalinspekteur befördert worden.

VerteidigungsstaatssekretärPeter Wichert
Auch er muss gehen: Verteidigungsstaatssekretär Peter WichertBild: picture-alliance/dpa

Laut dem "Bild"-Bericht, der sich nach Angaben des Blattes auch auf ein Video vom Luftangriff aus einem der beteiligten US-Kampfflugzeuge stützt, habe Jung bereits viel früher über mögliche zivile Opfer informiert sein müssen als bislang bekannt. Dem Feldjäger-Bericht sei zu entnehmen, dass es schon am Abend des 4. September Informationen aus dem Bundeswehr-Regionalkommando in Masar-i-Scharif über zivile Opfer des Luftschlags gegeben habe.

Forderungen nach Rücktritt von Minister Jung

Grüne, Linke und - indirekt - auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderten daraufhin den jetzigen Arbeitsminister Jung zum Rücktritt auf. Dagegen listete der CDU-Politiker in einer Erklärung im Bundestag lediglich die Vorgänge seit dem Angriff am 4. September auf. Aus seiner Sicht habe er das Parlament stets korrekt über die Vorkommnisse informiert, so der frühere Verteidigungsminister. Er habe den jetzt bekanntgewordenen Feldjäger-Bericht über die Vorgänge in Kundus erst Anfang Oktober, also einen Monat später, erhalten. Diesen Bericht habe er dann ohne nähere Kenntnis des Inhalts an die NATO weitergeleitet. Auf die Rücktrittsforderungen ging Jung mit keinem Wort ein.

Der damalige Verteidigungsminister im März bei einem Besuch in Afghanistan (Foto: dpa)
Der damalige Verteidigungsminister im März bei einem Besuch in AfghanistanBild: picture-alliance/ dpa

Mit dem Luftangriff und seinen Folgen wird sich voraussichtlich ein Untersuchungausschuss des Bundestages beschäftigen. Steinmeier sagte, seine Fraktion fordere die unverzügliche Einsetzung eines Untersuchungsgremiums.

Opposition will Untersuchungsausschuss

Offenbar seien Informationen, die im Verteidigungsministerium vorlagen, der Öffentlichkeit und dem Parlament systematisch vorenthalten worden,so Steinmeier, der zum Zeitpunkt des Luftangriffs bei Kundus Bundesaußenminister war.

Auch die Grünen verlangten einen Untersuchungsausschuss zum Luftangriff von Kundus. Zusammen verfügen SPD und Grüne über die notwendige Zahl von mindestens einem Viertel der Bundestagsabgeordneten, um die Einsetzung eines solchen Ausschusses zu erzwingen.

Autor: Stephan Stickelmann / Michael Wehling (dpa, ap, rtr, afp)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot