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Oft kopiert, nie erreicht

10. März 2011

Medienwirksam auch in Abwesenheit: Karl-Theodor zu Guttenberg inspiriert noch Tage nach seinem Rücktritt als Verteidigungsminister Demonstranten, den Karneval, den politischen Aschermittwoch und viele Internetnutzer.

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CSU-Mitglieder halten beim Politischen Aschermittwoch der CSU Schilder mit einem Foto des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der Aufschrift 'Minister der Herzen!!!' hoch (Foto: dapd)
Bild: dapd

Knapp 589.000 Unterstützer hat die Facebook-Seite "Wir wollen Guttenberg zurück" an diesem Donnerstag (10.03.2011), bevor Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) feierlich mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr als deutscher Verteidigungsminister aus dem Amt verabschiedet wird. Außerdem hat er 220.000 Fans auf seiner Facebook-Seite. Mehr als 412.000 Anhänger hat die Facebook-Seite "Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg", auf der sich Kritiker der Plagiatsaffäre hinter den Mann stellen, dem sein Doktortitel von der Universität Bayreuth aberkannt wurde, weil er offenbar etliche Quellen abgeschrieben hatte, ohne sie zu kennzeichnen.

Der Screenshot zeigt die Internetseitseite von Facebook 'Wir wollen Guttenberg zurück'
Bild: Facebook

"Smoke on the Water" von der britischen Rockband Deep Purple hat Guttenberg sich als Abschiedsmusik beim Großen Zapfenstreich gewünscht. Viel Rauch, viel Wirbel hat es auch in den Tagen nach seinem Rücktritt am 1. März 2011 um den lange Zeit beliebtesten deutschen Politiker gegeben. Auf den Facebook-Fanseiten wurden Aufrufe zu Pro-Guttenberg-Demonstrationen veröffentlicht: am Wochenende nach seinem Rücktritt sollten seine Anhänger in zahlreichen Städten für ihn auf die Straße gehen.

Torte in der Heimat, Spott in Berlin

Enoch zu Guttenberg, Dirigent und Vater des zurückgetretenen Verteidigungsministers, hält eine Torte mit dem Schriftzug 'Karl-Theodor wir stehen zu Dir' neben einem Porträt seines Sohnes (Foto: dpa)
Vater Guttenberg mit einer Unterstützer-TorteBild: picture alliance/dpa

Wirklich beeindruckend geriet die Unterstützer-Demonstration vier Tage nach dem Rücktritt dann aber nur im Heimatort des CSU-Politikers. Im oberfränkischen Guttenberg versammelten sich nach Veranstalterangaben 2000 Guttenberg-Fans. Unter ihnen war auch der Vater des Ex-Ministers, der Dirigent Enoch zu Guttenberg. Er prangerte auf dem Dorfplatz die "Menschenjagd" auf seinen Sohn an.

Mehrere hundert Anhänger demonstrierten in München und Rosenheim mit Slogans wie "KT wir glauben an dich" oder "Karl-Theodor zu Guttenberg soll bleiben". In Berlin dagegen versammelten sich anstelle der Guttenberg-Fans am Brandenburger Tor Gegner und Spötter des zurückgetretenen Ministers.

Ein Demonstrant in Berlin hält bei einer Demonstration ein Tranparent mit der Aufschrift 'Du hast die Haare schön' (Foto: dapd)
Spott für den stets glatt-gegelten CSU-PolitikerBild: dapd

Auf satirischen Transparenten war zu lesen: "Guttenberg muss Kaiser werden", "KTG - der Erlöser" oder "Du hast die Haare schön". In Hamburg, Frankfurt am Main und Köln kamen nur wenige hundert Anhänger zusammen. In Bremen, Hannover und Leipzig fielen geplante Kundgebungen aus mangelndem Interesse ganz aus. Offenbar ist bei vielen Anhängern die Begeisterung groß genug, um einen "Gefällt-mir-Klick" im Internet zu machen, geht aber nicht so weit, dass sie dafür auf die Straße gehen würden.

Willkommene Spottfigur im Karneval

Ein Karnevalswagen mit dem ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg als Bruchpilot, der ins Kanzleramt stürzt (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Alle Hände voll zu tun hatten in diesem Jahr die Karnevalisten, die ihre Mottowagen für die großen Umzüge am Rosenmontag auf den letzten Stand der Guttenberg-Affäre bringen wollten. Die Düsseldorfer setzten den gestürzten Minister in einen Bundeswehr-Kampfjet, der ins Kanzleramt kracht.

In Köln wurde der Wagen zwei Mal umgebaut. Nach Guttenbergs Rücktritt wurde die Pappfigur des Politikers mit der Motorsäge geköpft. Am Ende blickte der Guttenberg-Kopf aus Pappmaché aus einem Kopierer und verkündete: "Kopieren statt studieren."

Der wichtigste Mann am politischen Aschermittwoch

CSU-Anhänger halten ein Plakat mit dem Foto von Karl-Theodor zu Guttenberg in die Höhe mit dem Aufruf 'Lass uns nicht im Stich' (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Unverzichtbar war Karl-Theodor zu Guttenberg für die Redner am politischen Aschermittwoch in Bayern. Das galt für die Regierungsparteien ebenso wie für die Veranstaltungen der Opposition. CSU-Chef Horst Seehofer erntete in Passau stürmischen Applaus, als er an den abwesenden Ex-Minister gewandt sagte: "Du bist einer von uns, du bleibst einer von uns und wir wollen, dass du wieder zurückkehrst in die deutsche Politik." Ganz so theatralisch trat die CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihrer Partei nicht auf, doch auch sie erhielt starken Applaus, als sie Guttenberg für seine Arbeit als Verteidigungsminister dankte.

Die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke nutzten den Tag noch einmal für Hohn und Kopierspott. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: "Früher hieß es bei der CDU: Laptop und Lederhose. Heute heißt es: Copy und Paste". Grünen-Chefin Claudia Roth sprach von "einem Pakt mit dem Kopierteufel".

Und was sagen die Bürger zu dem Mann, gegen den mittlerweile die Staatsanwaltschaft Hof wegen Verletzung des Urheberrechts ermittelt? Nach einer Forsa-Umfrage für das Hamburger Magazin "Stern" denkt zwar eine große Mehrheit der Deutschen, dass der Rücktritt richtig war. 62 Prozent aber sähen es gerne, wenn Karl-Theodor zu Guttenberg noch einmal zurückkehrte auf die politische Bühne.

Autorin: Andrea Grunau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz