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Härtere Regeln für Spekulanten

18. Mai 2010

Als Konsequenz aus der Finanzkrise will die EU hochspekulative Hedgefonds an die Leine legen. In Deutschland werden bestimmte Wetten auf fallende Kurse untersagt. Die Koalition will eine Finanzmarktsteuer.

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Blick in der Saal der Deutschen Börse in Frankfurt (Foto: AP)
Blick in der Saal der Deutschen Börse in FrankfurtBild: AP

Mehrheitlich beschlossen die EU-Finanzminister am Dienstag (18.05.2010), dass sich Hedgefonds künftig registrieren sowie gegenüber Aufsichtsbehörden und Investoren Risiken und Anlagestrategien offenlegen müssen. Hedgefonds setzen mit viel Geld auf kurzfristige Anlagen und schnellen Profit. An langfristigen Investitionen sind sie meist nicht interessiert. Bislang gibt es für Hedgefonds keinerlei Regulierungen. Schon vor der Finanzkrise, als deren Mitverursacher sie gelten, standen die Hedgefonds deshalb in der Kritik.

Großbritannien sperrt sich

Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Juncker, und Bundesfinanzminister Schäuble in Brüssel (Foto: AP)
Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Juncker, und Bundesfinanzminister Schäuble in BrüsselBild: AP

Großbritannien, wo 80 Prozent der in Europa vertriebenen Hedgefonds ihren Sitz haben, hatte eine Einigung der 27 EU-Staaten monatelang blockiert. Aus Rücksicht auf den britischen Wahlkampf hatte die spanische EU-Ratspräsidentschaft das Thema im März sogar von der Tagesordnung der Finanzminister-Beratungen genommen. Auch jetzt stimmte die britische Regierung nicht zu.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble begrüßte die Einigung. "Jetzt wird diese Regulierungslücke geschlossen", sagte der Minister nach den Beratungen in Brüssel. Damit die neue Regelung in Kraft treten kann, muss das Europa-Parlament zustimmen. Schäuble zeigte sich zuversichtlich, dass es bald zu einer Einigung kommen wird.

Zustimmung bei Abgeordneten

Bei Abgeordneten stieß der Beschluss der Finanzminister auf ein positives Echo. "Für die 'Heuschrecken' in der Finanzmarktbranche brechen damit neue Zeiten an", erklärte der SPD-Finanzexperte Udo Bullmann. Der CDU-Abgeordnete Burkhard Balz sprach von einem "Durchbruch in der Neuregulierung der Finanzmärkte". Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments hatte am Montagabend allerdings einen eigenen Entwurf beschlossen, der weniger strenge Auflagen für Hedgefonds aus Drittstaaten verlangt.

Bafin verbietet ungedeckte Leerverkäufe

Zur Eindämmung der Spekulation an den Finanzmärkten hat die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin Wetten auf fallende Kurse untersagt. Sogenannte ungedeckte Leerverkäufe von Aktien von zehn deutschen Finanzhäusern sowie von ungedeckten Kreditausfallversicherungen (CDS) auf Schuldtitel von Staaten der Eurozone sind von Mittwoch (19.05.2010) an verboten. Bei ungedeckten Leerverkäufen wetten Spekulanten auf fallende Kurse von Aktien und anderen Wertpapieren, die sie gar nicht besitzen.

Koalition will Finanzmarktsteuer

Frankfurter Bankentürme im Nebel (Archivfoto: dpa)
Frankfurter Bankentürme im NebelBild: picture-alliance/ dpa

In Berlin verständigten sich gleichzeitig die Spitzen der Koalition von CDU/CSU und FDP auf die Forderung nach einer Finanzmarktsteuer. Der Koalitionsausschuss forderte die Bundesregierung auf, "sich auf europäischer und globaler Ebene für eine wirksame Finanzmarktsteuer, das heißt Finanztransaktionssteuer oder Finanzaktivitätssteuer, einzusetzen". Zunächst solle geprüft werden, welches der beiden Instrumente geeigneter sei. Mit der Steuer sollen die Akteure auf den Finanzmärkten über die vorgesehene Bankenabgabe hinaus an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden.

Die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger erklärte: "Diejenigen, die zu Lasten von Steuerzahlern spekulieren, müssen an den Kosten der Krise beteiligt werden." Die kleinen Bürger dürften nicht wieder die Leidtragenden sein. Unionsfraktionschef Volker Kauder ergänzte: "Wir wollen die Stabilisierung des Euro, wir wollen aber auch, dass die Finanzmärkte an dieser Stabilisierung beteiligt werden."

Sitz des IWF in Washington (Foto: Ullstein-Bild)
Sitz des IWF in WashingtonBild: ullstein bild - Imagebroker.net

Bislang hatten die FDP und Teile der Union eine Finanztransaktionssteuer strikt abgelehnt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte wiederholt erklärt, dass sie eine solche Steuer international für nicht durchsetzbar halte. Vor allem im Kreis der G-20-Staaten werde dies nicht leicht sein, erneuerte die Kanzlerin ihre Bedenken. Im Notfall müsse man dann aber Rabatz machen, wurde Merkel jetzt nach einem Treffen der Unionsfraktion zitiert.

Die Finanzaktivitätssteuer hat der Internationale Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen. Sie soll auf den gesamten Gewinn von Finanzinstitutionen erhoben werden sowie auf die Boni der Führungskräfte, die über ein "normales" Maß hinausgehen. Nach Auffassung des IWF könnte so der Renditehatz im Finanzgewerbe mit hohen Boni und Sondervergütungen ein Riegel vorgeschoben werden.

Bei der Besteuerung nach der Transaktionssteuer würde dagegen auf jedes Geschäft mit Aktien, Devisen und Derivaten eine Abgabe erhoben. Die Steuer würde damit auch für Privatanleger gelten - dies ist das Hauptargument der Gegner. Gleichzeitig könnte die Transaktionssteuer den Staatshaushalten Einnahmen in Milliardenhöhe bringen. Diskutiert werden Sätze von 0,01 bis 0,05 Prozent des Wertes einer jeden Transaktion.

Positive Reaktion der SPD

Die SPD begrüßte den Beschluss von Union und FDP. Dass sich die Koalition endlich bewege, sei ein großer Erfolg der Sozialdemokraten, sagte Parteichef Sigmar Gabriel. Nötig sei aber ein klares Bekenntnis von Union und FDP zur Transaktionssteuer. "Unverbindliche Prüfaufträge reichen nicht aus." Die Skepsis von SPD-Chef Gabriel erscheint nicht ganz unbegründet, denn es gibt zumindest innerhalb der FDP auch Unmut über die beabsichtigten Maßnahmen. So legte inzwischen aus Protest gegen den Beschluss der Koalition der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler mit sofortiger Wirkung sein Amt als Obmannn der Liberalen im Finanzausschuss nieder.

Die Grünen kündigten eine parteiübergreifende Initiative für schärfere Regeln am Finanzmarkt an. Die SPD-Fraktion hatte sich bei der Abstimmung über die Finanzhilfe für Griechenland der Stimme enthalten, da die Koalition die Forderung nach der Transaktionssteuer nicht in einen Entschließungsantrag aufnehmen wollte.

Autor: Michael Wehling
Redaktion: Ulrike Quast/Frank Wörner