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Höchste Ehre für US-Ökonomen

Rayna Breuer15. Oktober 2012

Wer bekommt was in Zeiten knapper Ressourcen? Antworten auf diese Frage liefern die Ökonomen Roth und Shapley. Für ihre Forschungsarbeit wurden sie nun mit dem Wirtschafts-Nobelpreis bedacht.

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Die Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften 2012: Alvin E. Roth und Lloyd S. Shapley (Foto: reuters)
Bild: Reuters

Die Spekulationen haben ein Ende. Nein, nicht die an den Aktienmärkten, sondern die über den diesjährigen Nobelpreisträger für Wirtschaft. An diesem Montag (15.10.2012) verkündete die Schwedische Wissenschaftsakademie zum 44. Mal die Gewinner dieser Auszeichnung. Es sind Alvin E. Roth und Lloyd Shapley - zwei US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler.

Als der entscheidende Anruf aus Schweden kam, war es "dunkel und ich habe geschlafen", sagte Roth bei der Verkündung des Preises, telefonisch zugeschaltet aus Kalifornien. Mit dieser Auszeichnung habe er nicht gerechnet, fügte er hinzu. Die zwei Wissenschaftler, die in der Entscheidungstheorie zuhause sind, erhielten die Auszeichnung für ihre Forschung über "die Theorie der stabilen Verteilung und der Methode über den Aufbau des Markts", so begründete die Schwedische Wissenschaftsakademie ihre Entscheidung. Roth ist 60 Jahre alt und ist Professor an der Harvard Universität. Shapley ist 89 und ist emeritierter Professor der University of California in Los Angeles.

Die Entscheidungstheoretiker

Die 1950er und 1960er sind die Geburtsjahre von Lloyd Shapleys Entscheidungstheorien. Er betrachtete Märkte, in denen der Ausgleich von Angebot und Nachfrage nicht über den Preis stattfindet oder stattfinden kann. Davon gibt es mehr als man glaubt: Der Heiratsmarkt etwa, die Wahl der Schule oder des Berufs, oder auch die Organspenden, bei denen der Preis schon aus ethischen Gründen keine Rolle spielen darf. Damals hat Sharpley einfache Algorithmen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots definiert, die zum bestmöglichen Ergebnis für alle Beteiligten führen.

30 Jahre galt das als nette theoretische Spielerei, bis 1984 sein Kollege Alvin Roth, entdeckte, dass eine amerikanische Institution diesen Algorithmus in der Praxis erfolgreich angewendet hat. Als es in den USA einen Mangel an Assistenzärzten gab, boten die Krankenhäuser Medizinstudenten frühzeitig "auf Verdacht" einen Job an - umgekehrt mussten sich Studenten frühzeitig für einen Job entscheiden. Durch die Festlegung einer Frist wurde die Entscheidungsfindung verkürzt und die Prozessplanung erleichtert. Die Arbeiten von Roth und Shapley könnten auch dazu genutzt werden, den besten Organ-Spender für einen Transplantationspatienten zu finden, heißt es in einer Erklärung des Nobelpreis-Komitees. Im Grunde bewiesen die Forscher mit ihren Theorien, dass die Märkte nicht immer über den Preis reguliert werden.

Ein Nobelpreis, der eigentlich keiner ist

Die Auszeichnung wird zwar in einer Reihe mit allen anderen Nobelpreisen verliehen, doch in Wirklichkeit geht sie nicht direkt auf das Testament des Preisstifters Alfred Nobel zurück. Der Wirtschaftsnobelpreis wurde 1968 von der Schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel ins Leben gerufen und wird seit 1969 verliehen.

Seitdem hat die Schwedische Wissenschaftsakademie einen deutlichen Trend gesetzt - die Preisträger sind meist US-amerikanische Wissenschaftler, männlich und bei der Auszeichnung im Schnitt 67 Jahre alt. Unter den 71 Preisträgern findet sich nur eine einzige Frau - Elinor Ostrom, die 2009 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Als bislang letzter Deutscher wurde 1994 der Bonner Spieltheoretiker Reinhard Selten ausgezeichnet.

Die Balance bewahren

Welche ist nun die richtige Wirtschaftstheorie? John Maynard Keynes gegen Milton Friedman, mehr Staat oder weniger Staat: Zwei Lager mit unterschiedlichen ökonomischen Modellen prägen die Wirtschaftsordnung seit jeher. Die Bekanntgabe des Wirtschafts-Nobelpreises hat daher nicht selten zu ideologischen Diskussionen geführt.

Um die ideologische Balance zu bewahren, verlieh die Schwedische Wissenschaftsakademie 1974 den Nobelpreis gleich an zwei Ökonomen, deren Theorien unterschiedlicher nicht sein können. Friedrich August von Hayek ein britisch-österreichischer Ökonom, war einer der herausragenden Verfechter einer liberalen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Staatsordnung und überraschte immer wieder durch radikale ordnungspolitische Vorschläge. Dagegen war der Schwede Gunnar Myrdal - ein Armutsforscher und überzeugter Sozialist - ein scharfer Kritiker der neoliberalen Theorien. Wenig amüsiert über die gemeinsame Auszeichnung, waren sich beide zumindest in einer Sache einig: Sowohl Hayek als auch Myrdal sprachen sich offen für die Abschaffung des Wirtschaftsnobelpreises aus.

Seit der Jahrtausendwende geht der Wirtschaftspreis immer häufiger an Marktskeptiker. So wurden Joseph E. Stiglitz und Paul Krugman 2001 beziehungsweise 2008 ausgezeichnet. Beide fordern, gegen die Euro-Krise mit noch mehr Schulden vorzugehen.

Der Nobelpreis wird feierlich am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel (1833-1896), überreicht.