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Höchste Zeit für Respekt vor den Besten

André Leslie / sn27. November 2014

Cricket gilt als vornehmes Spiel. Dass es auch gefährlich sein kann, zeigt der Tod des Australiers Phillip Hughes. Die Risiken werden als selbstverständlich hingenommen, sagt DW-Sportredakteur André Leslie.

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Rose und Zettel im Gedenken an den verstorbenen australischen Cricket-Nationalspieler Philipp Hughes. Foto: Getty Images
Bild: Getty Images/A. Huckle

Die Bilder gingen um die Welt, ebenso die Genesungswünsche. Aber am Ende halfen alle Bemühungen, das Leben des australischen Cricket-Nationalspielers Philip Hughes zu retten, nichts. Der 25-Jährige starb an den schweren Kopfverletzungen, die er sich am Dienstag zugezogen hatte, als ihn bei einem Spiel in Sydney ein Cricketball hinter dem Ohr getroffen hatte. Die Cricket-Welt ist geschockt, Australien am Boden zerstört. Eigentlich sollte es der Beginn eines wunderbaren WM-Sommers in Down Under werden. Jetzt wird man sich immer aus anderen Gründen daran erinnern.

In Europa hat sich die Geschichte über Hughes‘ Unfall nur langsam in den Zeitungen und über die Fernsehsender verbreitet. Die Zurückhaltung der lokalen Journalisten war spürbar, sich mit einem Sport zu befassen, dessen Regeln sie kaum verstehen. Der Gefühlsausbruch in der englisch-sprachigen Welt war jedoch so groß, dass schließlich auch die deutschen, französischen und belgischen Journalisten nachzogen. Noch immer fragen sich viele: Wie konnte ein Sport, der so vornehm erscheint - für viele Europäer geradezu behutsam – zum Tod eines seiner Top-Profis führen? Wer sich jedoch wirklich mit dem Spiel auskennt, ist zwar schockiert, jedoch nicht überrascht. Jedes Mal, wenn du in einem Kricketspiel am Schlag bist, gehst du ein Risiko ein.

Geschwindigkeit muss sein

Genau wie im Baseball, schauen die Menschen auch beim Cricket besonders gern den schnellen Bowlern (für alle, die den Sport nicht kennen: den Werfern) zu. Shoaib Akhtar, Wasim Akram, Malcolm Marshall: Ich garantiere, dass diese Namen dafür sorgen, dass es allen Kricketfans eiskalt über den Rücken läuft. Ich wuchs in Sydney auf, als Brett Lee für den Mosman Kricket Club spielte. Wir staunten über die unglaubliche Geschwindigkeit seiner Würfe und verspürten die Angst, die er damit den gegnerischen Batsmen (Schlagmännern) einjagte.

André Leslie mit Cricketschläger. Foto: Ofelia Harms Arruti
André Leslie, DW-Sportredakteur und Cricket-NationalspielerBild: Ofelia Harms Arruti

Diese Angst spürte ich später als Erwachsener wieder, diesmal jedoch auf der anderen Seite: als Batsman für die deutsche Kricket-Nationalmannschaft. In einem meiner ersten Länderspiele für meine Wahlheimat, gegen Kuwait im Jahr 2010, sah ich mich einigen der schnellsten Würfe gegenüber, die ich jemals erlebt habe. Ich werde es nie vergessen: Innerhalb von einer Stunde wurde ich von etwa 10 Bällen am Körper getroffen. Das Licht war gut, der Platz perfekt und ich konnte den Ball auch gut sehen. Und doch kam dieses kleine Stück Leder und Kork so schnell angerast, dass ich es verpasste. Ich hatte einfach nicht genug Zeit, um zu reagieren. Mein Instinkt, jahrelanges Training und auch eine gut Portion Glück halfen mir dabei, im Spiel zu bleiben, und mein Team hatte einen guten Start.

Phillip Hughes wird vom Ball am Kopf getroffen. Foto: Getty Images
Phillip Hughes wird vom Ball am Kopf getroffenBild: Getty Images/M. Metcalfe

Unbekümmert und angriffslustig

Top-Cricketspielern passiert das ständig, wenn sie als Batsman den Platz betreten: In der gegnerischen Mannschaft steht immer ein schneller Bowler, der dich verletzten kann. Das wird auch Philip Hughes in dieser Woche in Sydney nicht anders ergangen sein, auch wenn er sich darüber weniger Sorgen gemacht haben dürfte. Er wollte seinen Stammplatz in der australischen Nationalmannschaft zurückerobern, und er war auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

Ich erinnere mich, dass ich Hughes vor ein paar Jahren beobachtete: als Batsman für den Verein Western Suburbs, beim Sydney Grade Cricket, einer der härtesten Amateur-Ligen der Welt. Hughes suchte nach seiner Form. Immer wieder probierte er es mit wilden und unkontrollierten Schlägen und schied zweimal beinahe aus. Mit dieser Spielweise verärgerte Hughes regelmäßig die Fans und rief seine Kritiker auf den Plan: Er hatte ein brillantes Auge, aber hatte er auch das richtige Temperament, um für Australien zu spielen?

Er scherte sich nicht um die Kritik. Er war unbekümmert, das war sein Markenzeichen, und so griff Hughes einfach weiter an. Innerhalb einer halben Stunde nahm er dem Gegner das Spiel ab und machte am Ende deutlich mehr als hundert Punkte – vor nur noch einer Handvoll Fans. Es war ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einer großen Karriere.

Es ist traurig, dass wir ihn nie wieder so spielen sehen werden. Aber hoffentlich lernen wir aus diesem Unfall auch etwas: unseren Sportlern den Respekt zu zollen, den sie verdienen. Auch wenn wir ihren Spielstil nicht mögen.

André Leslie spielt seit 2010 für die deutsche Cricket-Nationalmannschaft. Er arbeitet als Sportredakteur für die Deutsche Welle.