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Höhenflug mit Absturzrisiko

Nina Werkhäuser26. April 2013

Die Grünen könnten bei der nächsten Bundestagswahl das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielen. Dennoch ist die Stimmung in der Partei gedämpft: Für das Wunschbündnis mit der SPD wird es wohl nicht reichen.

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Grüne Luftballons, (Foto: dpa)
Hochfliegende Pläne: Von Freitag bis Sonntag tagt die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Berlin.Bild: picture alliance / dpa

Eigentlich könnten die Grünen in bester Laune ihren Wahlparteitag in Berlin abhalten: In den konstant guten Umfragen wird ihnen ein Rekordergebnis bei der Bundestagswahl vorausgesagt. Die 10,7 Prozent von der letzten Wahl wird die Partei vermutlich locker übertreffen. Diesmal seien 14 oder sogar 15 Prozent möglich, prophezeien die Meinungsforscher. Der Aufschwung, den die Grünen in den letzten Jahren in den Ländern erlebten, setzt sich also auf Bundesebene fort.

Das freut die Parteibasis durchaus, es fehlen aber realistische Perspektiven für eine Regierungsbeteiligung. Drei Tage lang werden die 800 Delegierten in Berlin an einem Wahlprogramm feilen, das vermutlich nie ein Regierungsprogramm werden wird. Sie werden sich für einen Mindestlohn von 8,50 Euro aussprechen und für eine Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro, für den ökologischen Umbau der Wirtschaft und eine Beschränkung der deutschen Rüstungsexporte.

Derzeit keine Mehrheiten in Sicht

Doch ob die Grünen diese Ziele jemals werden umsetzen können, ist fraglich. Denn die Sozialdemokraten, mit denen sie zusammen regieren wollen, haben einen schwachen Start in den Wahlkampf hingelegt. Außerdem ist eine Wechselstimmung im Land nicht auszumachen. Bei dem Gedanken an vier weitere Jahre in der Opposition sieht so mancher Grüne die gelbe Sonnenblume im Parteilogo bereits welken.

1998 holte die SPD unter Gerhard Schröder knapp 41 Prozent der Stimmen - das reichte für die erste rot-grüne Bundesregierung. Im Moment dümpelt die SPD bei Werten von 25 Prozent vor sich hin. Eine Neuauflage des rot-grünen Bündnisses dürfte also auch mit einem grünen Rekordergebnis schwierig werden.

Arm in Arm halten Gerhard Schröder (SPD), links im Bild, und Joschka Fischer (Grüne) 1998 den erste rot-grünen Koalitionsvertrag in die Höhe, (Foto: dpa)
Gerhard Schröder (SPD), links, und Joschka Fischer (Grüne) mit dem ersten rot-grünen KoalitionsvertragBild: picture-alliance/dpa

Den Totengräber des rot-grünen Traums haben die Delegierten längst ausgemacht: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Er sollte das Zugpferd des rot-grünen Projekts sein, nun zieht er die Sozialdemokraten in den Keller. Unter anderem geriet Steinbrück wegen teils sehr hoher Honorare für seine Vorträge in die Kritik. Trotzdem macht die Parteiführung der Grünen eine klare Koalitionsaussage zugunsten der SPD. "Wir kämpfen für starke Grüne in einer Regierungskoalition mit der SPD", heißt es in der Präambel zum Wahlprogramm.

Gemeinsames Ziel, eigenständiger Wahlkampf

Die inhaltlichen Übereinstimmungen, argumentiert Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, seien mit der SPD nun mal am größten, etwa in der Sozialpolitik. "Die Menschen wollen vor einer Wahl wissen, was für eine Koalition sie bekommen. Deswegen beantworten wir diese Frage in unserem Wahlprogramm." Trotzdem würden die Grünen einen eigenständigen Wahlkampf führen, betont Lemke. Zwar seien gemeinsame Auftritte mit Sozialdemokraten nicht ausgeschlossen, "wir stilisieren die SPD aber nicht zum Idealpartner hoch."

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, (Foto: REUTERS)
SPD-Kanzlerkandidat Peer SteinbrückBild: Reuters

Werden sie öffentlich auf die Patzer von SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück angesprochen, dann schweigen grüne Spitzenpolitiker höflich. Sie setzen auf eine breite Mobilisierung der Wähler - trotz Steinbrück. Die Basis nimmt da schon weniger ein Blatt vor den Mund: Die Partei könne zwar nach der Wahl eine Koalition mit der SPD anstreben, bemängeln Delegierte in einem Gegenantrag zum Wahlprogramm, ein gemeinsamer "rot-grüner Wahlkampf" sei aber nicht nötig: "Die SPD ist nicht unsere Schwesterpartei."

Schwarz-Gelb im Bund ablösen

Derartige Distanzierungsmanöver spiegeln die Stimmung wider, werden die Wahlkampfstrategie aber nicht verändern: Rot-Grün sei die einzige Alternative zur Merkel-Koalition aus CDU/CSU und FDP, heißt es in der Parteispitze, ein Bündnis mit den Unionsparteien stehe nicht zu Debatte. "Wir wollen die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten in der Opposition schicken", rief Grünen-Parteichefin Claudia Roth in ihrer Gastrede auf dem Wahlparteitag der SPD, für die sie viel Applaus bekam.

Grünen-Chefin Claudia Roth (l.) mit SPD-Chef Sigmar Gabriel beim Parteitag der SPD am 14.04.2013, (Foto: imago)
Erster Auftritt einer Grünen-Chefin auf einem SPD-Parteitag: Claudia Roth (l.) und SPD-Chef GabrielBild: imago/Sven Simon

Zuversicht schöpfen die Grünen aus den Wahlergebnissen in den Ländern: In immerhin sechs Bundesländern regieren sie gemeinsam mit den Sozialdemokraten - für Claudia Roth ein Beweis, dass Deutschland "rot-grün tickt". Grundsätzlich gelte aber bei den Grünen die Devise "Inhalte vor Macht". Notfalls heiße das eben: vier weitere Jahre in der Opposition.