1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Unterschätzte

Joscha Weber10. Juli 2014

Viel hat er sich anhören müssen: Ungeeignet, zu langsam, unsicher. Doch Aushilfs-Außenverteidiger Benedikt Höwedes hat die Kritik stärker gemacht. Nun steht er vor einer Mammutaufgabe: Lionel Messi auszuschalten.

https://p.dw.com/p/1CaQY
Fußball WM 2014 Deutschland - Ghana - Benedikt Höwedes. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Benedikt Höwedes lächelt. Er hat mit dieser Frage gerechnet und sie scheint ihn nicht zu stören, im Gegenteil. Hat es ihn geärgert, wochenlang als Schwachpunkt des deutschen Teams bezeichnet worden zu sein? "Den Schwachpunkt muss mir jemand mal erklären", antwortet der Verteidiger trotzig und wirkt dabei selbstbewusster als je zuvor. Er sei bislang ganz zufrieden mit sich, fährt Höwedes mit einem breiten Lächeln fort und er habe auch ein sehr positives Feedback vom Bundestrainer bekommen. "Ob jetzt Kritiker, Experten, Gegner oder auch mögliche Ex-Trainer mich als Schwachstelle auserkoren haben oder nicht - das lässt mich relativ kalt. Ich konzentriere mich auf meine Leistung. Alles andere ist für mich irrelevant."

Es ist natürlich eine verbale Spitze in Richtung seines ehemaligen Vereinstrainers Felix Magath, der Höwedes zuvor heftig kritisiert hatte. Der Schalker Kapitän sei kein Linksverteidiger, so Magath, "er hat nicht die Fähigkeiten, auf dieser Position das Spiel positiv zu beeinflussen." Höwedes hat sich einiges in dieser Hinsicht anhören müssen. Dafür, dass Bundestrainer Joachim Löw ihn seit Turnierbeginn auf einer Position spielen lässt, "die ich nicht gelernt habe" (Höwedes), bekam nicht nur Löw sondern auch der 26-Jährige selbst viel Gegenwind. Sein Spiel sei zu behäbig, nach vorne sei er ohnehin keine Hilfe und defensiv sei die Abwehr auf seiner Seite verwundbar.

Auch gegen schnelle Gegenspieler souverän

Im WM-Viertelfinale schaltet Höwedes (r.) den schnellen Franzosen Valbuena aus. (Foto: dpa)
Im WM-Viertelfinale schaltet Höwedes (r.) den schnellen Franzosen Valbuena aus.Bild: picture-alliance/dpa

In der Tat machte Benedikt Höwedes nicht nur gute Spiele bei dieser Weltmeisterschaft. Gegen Algerien wackelte auch er, wirkte verunsichert und vor allem in der ersten Halbzeit teilweise überfordert mit den schnellen Vorstößen seines Gegenspielers Bekam Feghouli. Doch defensiv blieb das sein einziger schwacher Auftritt. In allen anderen Partien spielte er so, wie es der Bundestrainer von ihm erwartete: solide, souverän und konzentriert auf seine Kernaufgabe verteidigen. "Benedikt Höwedes agiert in der Defensive sehr zweikampfstark", lobte Löw seine "Notlösung" auf der linken Abwehrseite.

Ob der schnelle Franzose Mathieu Valbuena oder der quirlige Brasilianer Bernard - Höwedes bekam in den letzten beiden Spielen viel zu tun und löste seine Aufgabe sachlich, nüchtern und ziemlich gut. Dank seines guten Stellungsspiels konnte er auch Spieler in Schach halten, die schneller waren als er. Gut, manchmal wirkt seine Ballbehandlung etwas hölzern und viele Impulse in der Vorwärtsbewegung kamen von ihm nicht, aber das ist von einem gelernten Innenverteidiger, der auf der linken Außenbahn aushelfen muss, auch nicht anders zu erwarten.

Die Zahlen sprechen für ihn

"Natürlich braucht es etwas um sich in diese Position hineinzufinden", macht Höwedes klar, dass die linke Außenbahn nicht seine Lieblings-Lokalität auf dem Spielfeld ist. "Aber ich versuche mein Bestes zu geben. Ich glaube dass ich nicht so viele Fehler gemacht habe, sonst würden wir nicht im Finale stehen." Damit hat er recht. Denn auch die Zahlen sprechen für ihn: Höwedes spielte neben Kapitän Philipp Lahm und Torhüter Manuel Neuer als einer von nur drei Spielern im DFB-Team alle sechs WM-Spiele durch. Dabei lief er im Schnitt elf Kilometer, ein guter Wert für einen Verteidiger. Noch beeindruckender ist jedoch seine Quote von 79,2 Prozent angekommener Pässe. Höwedes ist aufgrund seiner unauffälligen und betont unaufgeregten Spielweise vielleicht der unterschätzteste Spieler dieses Turniers.

Und trotz aller Sachlichkeit, die er auf und neben dem Platz ausstrahlt, gibt der Defensiv-Spezialist auch einen kleinen Blick in sein Innerstes frei: "Natürlich ist das für mich auch ein absoluter Wahnsinn, der da gerade passiert", gesteht der 26 Jahre alte Schalker, der schon viel Champions-League-Erfahrung habe, doch sich mit Blick auf Sonntag sicher ist: "Das hier übertrifft alles, was ich erlebt hab."

Auch auf der DFB-Pressekonferenz wirkt der Außenverteidiger ruhig und entspannt. Höwedes hat keine Angst vor Messi & Co. (Foto: dpa)
Auf der DFB-Pressekonferenz wirkt der Außenverteidiger ruhig und entspannt. Höwedes hat keine Angst vor Messi & Co.Bild: picture-alliance/dpa

Eine Mammutaufgabe wartet: Messi

Bei aller Vorfreude weiß Höwedes, an dem nach jüngsten Transfergerüchten nun Manchester City interessiert sein soll, allerdings auch, dass nun eine Mammutaufgabe auf ihn wartet: Der wohl begnadetste Fußballer der Gegenwart dürfte im Finale regelmäßig zu seinem Gegenspieler werden. Lionel Messi wich nicht nur im Halbfinale gegen die Niederlande immer wieder auf die rechte Seite aus und versuchte dort mit schnellen Dribblings in den Rücken der Abwehr zu gelangen. Dort wird er am Sonntag (21 Uhr MESZ) im Maracanã auf Benedikt Höwedes treffen, vielleicht ein Schlüsselduell des WM-Finales. "Messi ist ein fantastischer, außergewöhnlicher Spieler", schwärmt Höwedes, hat aber auch eine Idee, wie er zu bremsen ist. "Den müssen wir als Kollektiv schlagen, nicht im Eins-gegen-eins. Wenn wir das schaffen, wird auch ein Spieler von solcher Qualität nicht großartig zum Zuge kommen."

Messi soll nicht zum Zuge kommen? Es sind Sätze wie diese, die zeigen, wie groß das Selbstbewusstsein im deutschen Team ist. Als erklärter Favorit in die Partie zu gehen, belastet auch Höwedes nicht sonderlich, macht er klar und klingt dabei erneut erstaunlich unaufgeregt: "Wir wollen den Titel jetzt mit nach Hause nehmen." Gelingt ihm das, ist die Sache mit dem Schwachpunkt wohl auch ziemlich schnell vergessen.