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"Würde des Volkes wiederherstellen"

Friedel Taube1. November 2014

Gerhardt Haag war nach Burkina Faso gereist, um mit seinem Ensemble am Festival "Récréatrâles" teilzunehmen. Dann wurde er von den Unruhen überrascht. Im DW-Interview schildert er seine Eindrücke.

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Gewaltsame Proteste in Ouagadougou am 28.10.2014, Foto: Joe Penney (Reuters)
Bild: Reuters/Joe Penney

DW: Es gab einen Volksaufstand in Bukina Faso wegen der Pläne von Präsident Blaise Compaoré, die Verfassung zu ändern. Er wollte sich so eine weitere Amtszeit ermöglichen. Im Zuge der Krawalle hat am Donnerstag das Militär geputscht. Inzwischen ist Compaoré zurückgetreten und ins Ausland geflohen. Herr Haag, wie erleben Sie die Lage in Burkina Faso?

Gerhardt Haag: Der Rücktritt gestern hat sich natürlich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Es gibt Telefonketten, es geht schneller als alles, was man sich vorstellen kann. Es ist sofort ein großer Jubel ausgebrochen. Nach wie vor waren ja Hunderttausende auf den Straßen, so wie bereits seit Dienstag. Der allergrößte Teil, bis auf ein paar ganz kleine Ausnahmen, war auch friedlich.

Waren Sie direkt von den Krawallen betroffen?

Am Dienstag ist mein Hotel, das direkt gegenüber dem Generalstabsgebäude liegt, mit Tränengasgranaten beschossen worden. Die gingen direkt in den Garten hinein. Solche Dinge machen die Leute wütend.

Erwarten Sie eine Beruhigung der Lage nach dem Rücktritt?

Die Lage hat sich bereits total beruhigt. Die Leute gehen heute ihrer normalen Tätigkeit nach. Sie sind allerdings in Spannung, wie die Verhandlungen der beiden Militärs (Militärchef Honoré Traoré und Oberst Isaac Zida, Anm. d. Red.) ausgehen, wer Staatsoberhaupt in der Übergangszeit sein soll. Das Volk möchte eigentlich einen dritten Kandidaten, einen General, der aus der Zeit des vor 27 Jahren ermordeten Präsidenten Thomas Sankara stammt. Da soll es am Sonntag eine Erklärung geben, die mit großer Spannung erwartet wird.

Theatermanager Gerhardt Haag - Foto: Stephen Petrat
Theatermanager Gerhardt HaagBild: Stephen Petrat

Was erwarten die Menschen jetzt?

Sie wollen, dass ihre Forderungen transparent, vertrauensvoll und würdevoll umgesetzt werden. Sie wollen eine Anti-Korruptionspolitik und eine Politik für das Volk. Es geht weniger um materielle Dinge, es geht um die Würde, die aus Sicht der Bürger 27 Jahre lang mit Füßen getreten wurde.

Was hat ihnen die Würde genommen?

Compaoré hat sich immer weiter vom Volk entfernt und es nicht akzeptiert. Er hat Journalisten umbringen lassen, das wurde denke ich zu seinem größten Problem. Die Würde des Volkes muss wiederhergestellt werden.

Welche Auswirkungen haben die Ereignisse auf den Kulturbetrieb im Land? Wird das Festival "Récréatrâles" weitergehen?

Ja, es findet seit gestern wieder normal statt und geht noch bis Sonntag. Wir haben einen Tag wegen der Ausgangssperre pausiert. Vor Compaorés Rücktritt wusste man ja nicht, wie es weitergeht. Das Festival hat das Thema: "Die Zukunft in die Hand nehmen, damit sie nicht erschüttert wird, sondern lächelt." Das ist eine glückliche Fügung. Das ist eine Verbindung von Kultur und realem Leben, wie man sie sich besser nicht vorstellen kann.

Was erwarten sie generell für den Kulturbetrieb im Land?

Der Kulturbetrieb ist Teil der Zivilgesellschaft. Der Rapper Smokey, der hier sehr populär ist, ist eine der ganz zentralen Figuren der Opposition. Auch beim Theaterfestival Récréatrâles hat er übrigens eine Produktion. Sie ist sehr politisch. Obwohl sie schon vor zwei Jahren geplant wurde, passt sie jetzt wie der Deckel auf den Topf - denn sie beschreibt genau das, was jetzt passiert ist.

Gerhardt Haag ist Leiter des "Theaters im Bauturm" in Köln. Für einen Auftritt beim Festival "Récréatrâles" ist er mit seinem Ensemble nach Ouagadougou gereist - und erlebte dort in Burkina Fasos Hauptstadt die Unruhen der vergangenen Tage hautnah mit.

Das Gespräch führte Friedel Taube.