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"Zum Waffenstillstand gehören zwei Seiten"

Jeanette Seiffert21. Juli 2014

International nimmt die Kritik am militärischen Vorgehen in Gaza zu, die UN fordern eine Waffenruhe. Für Yakov Hadas-Handelsman, israelischer Botschafter in Deutschland, ist der Kampf gegen die Hamas aber alternativlos.

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Yakov Hadas-Handelsman. Foto: Photo by Adam Berry/Getty Images
Bild: Adam Berry/Getty Images

Deutsche Welle: Herr Hadas-Handelsman, die heftigen Kämpfe im Gazastreifen halten an, es erreichen uns quasi stündlich Nachrichten über immer mehr Tote und Verletzte. Warum geht die israelische Armee so hart vor - trotz der vielen internationalen Appelle?

Yakov Hadas-Handelsman: Wir haben im Moment folgendes Problem: Dort, wo die israelische Armee derzeit zu Gange ist, gibt es ein Wohngebiet, aber auch eine Hochburg der Hamas. Dort werden Raketen produziert, dort ist die Kommandozentrale, dort beginnen die Tunnel, die nach Israel führen. Wir haben vorher vier Tage lang gewarnt und die Einwohner gebeten, ihre Gebäude zu verlassen. Leider haben die meisten von ihnen das nicht getan - auch, weil sie von der Hamas bedroht wurden. Wir bedauern wirklich jeden, der unschuldig verletzt oder getötet wurde. Aber was sollen wir tun? Sollen wir der Hamas weiter erlauben, unsere Dörfer und Städte mit Raketen zu beschießen? Sollen wir zulassen, dass sie weiter über die Tunnel auf israelisches Gebiet eindringen, um Zivilisten zu ermorden?

Wir waren ja bereit zu einem Waffenstillstand. Es gab den Vorschlag der ägyptischen Regierung für eine Waffenruhe: Das israelische Kabinett hat zugestimmt, die Hamas hat abgelehnt. Auch den vorübergehenden Waffenstillstand aus humanitären Gründen hat Hamas nach kurzer Zeit wieder gebrochen. Sie benutzen die Menschen dort als menschliche Schutzschilde.

Es gibt nicht wenige Stimmen, die sagen: Militärisch lässt sich dieser Konflikt ohnehin nicht lösen, weil er von keiner Seite dauerhaft zu gewinnen ist. Wäre es dann nicht sinnvoller, die Energie in das Bemühen zu stecken, eine neue Waffenruhe zu vereinbaren und ernsthafte Verhandlungen aufzunehmen?

Zu einem Waffenstillstand gehören immer zwei Seiten. Die Hamas-Leute weigern sich ja weiter, von denen die meisten übrigens in irgendwelchen Bunkern versteckt sind oder die in irgendwelchen Golfstaaten im Fünf-Sterne-Luxushotel wohnen. Was geht es sie an, wenn Menschen getötet werden? Ich will nicht zynisch sein, aber für die Hamas ist es doch das Ziel, dass es möglichst viele Opfer gibt, damit die Weltöffentlichkeit sieht, welche Verbrechen Israel begeht: Völkermord, Massaker und so weiter. Es tut uns wirklich Leid um die vielen Menschen, die gestorben sind, aber zur gleichen Zeit sind mindestens 13 israelische Soldaten getötet worden. Daran sieht man, dass es Kämpfe gibt, und es ist nicht so, dass die israelische Armee einfach irgendwelche Wohngebiete bombardiert.

Dennoch stellt sich die ganz grundsätzliche Frage nach der Humanität und nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Wenn Sie sich die katastrophale humanitäre Lage in Gaza vor Augen führen, wo die Menschen ja eigentlich gar nicht mehr wissen, wohin sie fliehen sollen: Gelten diese Prinzipien für Israel noch?

Die Grenzübergänge nach Israel sind offen, jeden Tagen kommen im Schnitt hundert Lastwagen mit Versorgungsgütern: Nahrungsmittel, Medikamente, Benzin und Gas. Das ist beispiellos in einem Kampf, dass wir der Bevölkerung erlauben, das alles zu bekommen. Und der Grund dafür ist ganz einfach: Wir haben nichts gegen das palästinensische Volk, die armen Menschen. Aber wir bekämpfen Terroristen. Und es ist nicht zu dulden, dass die Menschen in Israel immer in der Angst leben müssen, dass demnächst wieder die Sirenen heulen.

In einigen europäischen Ländern, vor allem aber in Frankreich und Deutschland gab es am Wochenende zahlreiche Israel-kritische Demonstrationen - einige davon sind eskaliert. Macht Ihnen das Sorgen?

Es macht uns Sorgen, ja. Wir haben nichts gegen Demonstrationen und gegen die Freiheit, sich zu äußern - das ist der Kern der Demokratie. Aber wenn es wie an diesem Wochenende zu Gewalt kommt gegen Polizei oder pro-israelische Demonstranten, dann ist das nicht akzeptabel. Ich denke, das sollte den Deutschen auch Sorgen machen. Denn da sind eben auch diese antisemitischen Parolen wie "Juden ins Gas" - so etwas in Deutschland? Und es stellt sich eben die Frage, wie man mit solchen Äußerungen umgeht.

Doch es gibt auch viele Menschen in Deutschland, die Israel eigentlich durchaus zugetan sind, aber das israelische Vorgehen in Gaza für nicht verhältnismäßig halten. Sind Sie denn der Ansicht, dass sich Kritik an den Militäraktionen zwangsläufig gegen Israel richtet?

Wir mögen es nicht, dass Israel immer automatisch als der Schuldige gilt. Wir sagen immer, dass es bei der UNO drei Maßstäbe gibt: Einen für die Mehrheit der undemokratischen Staaten, einen für demokratische Staaten, und einen für Israel. Wir haben den Gaza-Streifen vor neun Jahren verlassen - und das nur, um den Palästinensern und der Welt zu zeigen, dass wir bereit sind für Frieden. Und was haben wir bekommen? Eine Terrororganisation, deren Hauptziel die Vernichtung Israels ist. Jeder hat die Freiheit, Israel zu kritisieren. Aber ich erwarte, dass man dabei etwas sensibel ist und auch die Realitäten zur Kenntnis nimmt. Auch im aktuellen Fall haben wir wochenlang gewartet und gewarnt, und die Hamas hat uns immer weiter provoziert - was erwarten Sie, was wir tun?

Dennoch ist ja schon jetzt klar, dass auf diese Weise eine Lösung nur weiter in die Ferne rückt. Wie soll es denn aus Ihrer Sicht nun weitergehen?

Aus meiner Sicht gibt es eine Lösung: Sobald die Gewalt aufhört, und das sollte auf beiden Seiten der Fall sein, dann könnte man das Waffenarsenal der Hamas abrüsten. Denn so kann es nicht weitergehen, die Israelis haben das Recht, wie normale Leute zu leben, genauso wie die Palästinenser das Recht haben, ein normales Leben zu führen und nicht von einer Terrororganisation bedroht zu werden.

Das Problem ist: Wenn man sich die Forderungen der Hamas anschaut, dann haben viele von ihnen gar nichts mit Israel zu tun. Die Hamas macht das alles vor allem, weil sie kein Geld mehr hat: Mahmut Abbas hat nicht mal mehr genug, um die Beamten für seine so genannte Regierung zu bezahlen. Ägypten hat die Grenze zu palästinensischem Gebiet dauerhaft gesperrt, weil auch für sie Hamas ein Feind geworden ist - das hat alles mit uns nichts zu tun. Wir brauchen jetzt erst einmal eine Waffenruhe, und dann kann man über alles in Ruhe reden. Aber das Wichtigste ist, dass die Hamas ihre militärischen Fähigkeiten verliert.

Das Interview führte Jeanette Seiffert.