1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Halver: Künstliche Befruchtung durch die EZB

Klaus Ulrich16. März 2015

Der Dax überspringt erstmals die Marke von 12.000 Punkten. Ein Ende des derzeitigen Booms am deutschen Aktienmarkt sieht der Analyst Robert Halver von der Baader Bank vorerst nicht – Rücksetzer seien aber möglich.

https://p.dw.com/p/1Erb7
Deutschland Robert Halver (Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank) (Foto: "picture-alliance/Eventpress)
Bild: picture-alliance/Eventpress

Die Deutsche Börse und mehrere Direktbanken hatten den Montag schon vorher zum "Tag der Aktie" ausgerufen. Mit der neuen Bestmarke krönte der deutsche Leitindex seine mehr als neunwöchige Rekordjagd. Erst vor einem Monat war er über die Schwelle von 11.000 Punkten gesprungen. Für den vorangegangenen 1000er Schritt hatte der Dax noch über ein halbes Jahr gebraucht.

Deutsche Welle: Herr Halver, wo liegen die Hauptgründe für diese Aktienrally?

Robert Halver: Beim Dax kann man jeden Tag sozusagen eine "künstliche Befruchtung" beobachten. Wir haben die Kraft der drei Herzen: Es gibt viel zu viel Geld im Markt durch die Notenbank, die Zinsen sind viel zu niedrig und der Euro ist viel zu schwach - und genau diese drei Punkte sorgen dafür, dass der Index nach oben geht. Der Dax ist ja ein Freund eines schwachen Euros, weil damit die Exportwerte besser laufen. Wir stellen auch fest: Wenn die Renditen, die Zinsen für alternative Anlagen, beim Festgeld, beim Sparbuch, bei Staatspapieren so gering sind, dann sind die großen Vermögensverwalter ja geradezu gezwungen, Aktien zu kaufen. Das sind die Hintergründe für diese enorme, ja fast schon epochale Entwicklung.

Ist diese Entwicklung aus Ihrer Sicht denn noch gesund?

Unter normalen Bedingungen wären wir nie bei 12.000 und mehr Punkten gelandet – niemals. Aber wir haben keine normalen Zeiten mehr. Wir haben Notenbanken, die Zinsen teilweise auf ein negatives Niveau drücken. Man muss sich vor Augen führen, dass Staatspapiere heute in Deutschland und in einigen anderen Euroländern sogar negative Renditen haben. Wir können keinem Kunden mehr diese Papiere verkaufen, weil sie Verluste bringen. Es ist quasi eine strukturell neue Welt, in der der Aktienmarkt das Vehikel ist für diesen dramatischen Anlagebedarf, den wir haben. Wenn Sie sich vor Augen führen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) jeden Monat 60 Milliarden Euro in die Märkte pumpt, muss das Geld ja irgendwo hingehen. Aber gesund ist es nicht. Es gibt auch sicherlich in den nächsten Wochen Rücksetzer, die ganz normal sind.

Stimmen die Kurse also auch nicht mehr mit den zugrunde liegenden Fundamentaldaten überein?

Die Fundamentaldaten sind dabei, sich zu bessern. Die Weltkonjunktur wird in diesem Jahr besser laufen als im letzten Jahr. Die Exportwerte in Deutschland profitieren natürlich vom schwachen Euro und ich denke, auch die Eurozone wird konjunkturell besser dastehen, weil die Staaten mehr Schulden machen. Aber natürlich hätten Aktien nicht so stark anziehen dürfen. Das ist das Ergebnis dieser künstlichen Befruchtung. Die EZB - man kann dieses Kürzel übersetzen mit: 'Einer zahlt bestimmt' - ist der Dreh- und Angelpunkt dieser Bewegung am Aktienmarkt. Aber wenn wir davon ausgehen, dass die EZB auch noch lange Zeit sehr üppig unterwegs sein wird, dann werden die Aktienmärkte trotz Rücksetzern noch ein Stück nach oben laufen.

Die Gefahr plötzlicher Abstürze sehen Sie also nicht?

Ich sehe keinen Aktiencrash. Dafür fehlen die Zutaten. Die Weltkonjunktur ist robust, die Geldpolitik ist weltweit sehr üppig und die Energiepreise sind auch sehr niedrig. Eine Konsolidierung, sehe ich auf jeden Fall, aber keinen Crash. Denn die Vergangenheit lehrt eindeutig: Crashs kommen dann, wenn die Notenbanken restriktiv werden und das sehe ich nicht. Jetzt könnte man argumentieren, dass es einen 'Schwarzen Schwan' - ein unvorhersehbares Ereignis - geben könnte. Es gibt ja durchaus auch geopolitische Konflikte in dieser Welt, in Russland zum Beispiel. Wenn dort etwas eskalieren sollte, dann hätten wir natürlich ein anderes Szenario, dann kann auch eine EZB nicht mehr dagegen anstinken.

Und was passiert, wenn Griechenland aus der Eurozone ausscheidet?

Dann haben wir zwei bis drei schwache Tage und danach gehen die Märkte wieder nach oben. Diesen 'Grexit", diesen Austritt aus der Eurozone, können wir aushalten.

Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.