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Handel trotz Koran und Scharia

Daniel Wortmann23. Juni 2005

Auf dem Jahrestreffen der islamischen Entwicklungsbank steht der Ausbau von Finanzdienstleistungen in der arabischen Welt im Vordergrund. Eine Scharia-Kommission wacht dabei über die Einhaltung islamischer Gesetze.

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Geldgeschäfte im religiösen Gewand: Bank in MalaysiaBild: AP

Dass sich in dem neuen Verwaltungszentrum Putrajaya bei Kuala Lumpur am Donnerstag (23.6.2005) ein rein islamisches Publikum trifft, verrät schon das Tagungsprogramm. Mehrmals täglich werden Arbeitsgruppen und Diskussionen durch Gebete unterbrochen, statt Kaffee wird in den Pausen Tee gereicht. Für die weibliche Begleitung wird ein spezielles spouse program mit Museumsbesuchen und Ausflugsfahrten angeboten.

So deutet schon das Kongressumfeld an, dass hier nicht nur weltliche Prinzipien verhandelt werden. Während die 55 Mitgliedsländer der islamischen Entwicklungsbank in Malaysia die Zukunft der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in der islamischen Welt diskutieren, tagt zugleich eine Scharia-Kommission. Sie versucht, die Finanzgebaren der Länder und ihrer Banken mit den Prinzipien des Korans und des islamischen Gesetzbuches, der Scharia, in Einklang zu bringen.

Islamische Gesetze als Leitlinien

Bei der Arbeit der Entwicklungsbank, die vor dreißig Jahren in Saudi-Arabien gegründet wurde, stehen die islamischen Länder als religiös geprägte Gemeinschaft im Vordergrund. Im Rahmen der Entwicklungshilfe und der Förderung von Finanzinstitutionen muss die Bank daher darauf achten, die islamischen Gesetze zu respektieren.

Islamische Bank in Sudan
Gläubige vor Bank im Sudan: Koran gilt auch im BankgeschäftBild: AP

Dabei zählt nicht nur die zwingende Geltung, die Koran und Scharia nur in einigen der Länder beanspruchen, sondern auch der Respekt für die religiöse Überzeugung der Bürger. Dies führt dazu, dass zahlreiche private Finanzdienstleister ihre Produkte nach Maßgabe des Korans anbieten, um die Akzeptanz bei den Verbrauchern zu erhöhen.

Koran und Scharia in der Entwicklungshilfe

Aufgrund der wichtigen Rolle des Islams in der Gesellschaft haben sich auch Entwicklungshelfer aus der westlichen Welt zuletzt verstärkt mit den Grundsätzen dieser Religion auseinandergesetzt. Wenn man die Ziele der Entwicklungspolitik mit den Lehrsätzen aus dem Koran in Einklang bringen könne, müsse man vor Ort weniger Überzeugungsarbeit leisten, sagt Marion Fischer von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit.

Beispielhaft nennt Fischer die Erfahrungen aus Bildungsprogrammen. Mit dem Hinweis auf eine Koran-Sure, die eine ständige Vermehrung des Wissens vorschreibt, gelang es in Guinea, einen Imam zur Zusammenarbeit zu bewegen. Er warb fortan in seinen Predigten dafür, auch Mädchen in die Schule zu schicken. Ähnliche Erfolge erzielte man im Bereich der Aids-Bekämpfung. Unter Berufung auf die Vorgabe des Korans, die Gesundheit "zu hüten und zu bewahren", erlaubten Geistliche in Mali, in der Ehe zum Schutz vor Krankheiten Kondome zu benutzen.

Zinslose Finanzdienstleistungen

Die größte entwicklungspolitische Bedeutung hat der Islam jedoch im finanziellen Bereich. Im Koran heißt es, Gott habe "den Kauf erlaubt und den ribâ verboten". Ribâ wird als "Wucher" oder "Zins" übersetzt und soll immer dann vorliegen, wenn jemand einen Vorteil erlangt, ohne dass diesem eine Gegenleistung gegenübersteht. Daraus folgt, dass dem Gläubigen alle Geschäfte verboten sind, bei denen Zinszahlungen fließen - etwa Kreditgeschäfte und Käufe mit Zahlungsaufschub.

OIC Konferenz islamischer Staaten in Malaysia Flaggen
Der islamischen Entwicklungsbank gehören 55 Staaten anBild: AP

Um dem religiösen Gebot Folge zu leisten und dennoch ein wettbewerbsfähiges Wirtschaften zu ermöglichen, haben die Banken in der islamischen Welt Geschäftsmodelle entwickelt, die ohne Zinszahlungen auskommen.

Banken bieten Alternativen

Ein Beispiel dafür bildet die Finanzierung des Außenhandels. Wer ein Wirtschaftsgut von einem Lieferanten kauft, kann dieses Geschäft nicht über einen Kredit finanzieren. An dessen Stelle kommt dann ein Murâbaha-Geschäft zum Einsatz. "Dabei kauft die Bank im Auftrag des Kunden das jeweilige Gut und verkauft es dann mit einem Aufschlag an den Kunden weiter", sagt Kilian Bälz, Partner in der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz. Eine solche Zulage ist kein Zins, sondern lediglich der übliche Gewinn aus einem Handelsgeschäft - und soll daher dem islamischen Recht entsprechen.

Neben dieser Art der Finanzierung, die dem Leasing ähnelt, arbeiten islamische Banken häufig mit Kapitalbeteiligungen. Die damit verbundene Teilhabe an Gewinn und Verlust gilt nicht als Zins und kann sogar in Form einer Dividende ausgezahlt werden.

Zinsverbot im internationalen Handel?

Nicht nur die Geschäfte innerhalb des Landes sind von diesen Grundsätzen geprägt. Auch Unternehmen aus der westlichen Welt werden bei ihren Geschäften in der arabischen Welt und in Teilen Afrikas mit islamischen Prinzipien konfrontiert. "Besonders auffällig ist, dass selbst herkömmliche Liefergeschäfte eher in Form einer Beteiligung oder eines Joint Venture abgewickelt werden, um eine Kreditaufnahme zu vermeiden", berichtet Anwalt Bälz, der regelmäßig deutsche Unternehmen berät, die in islamischen Ländern tätig sind.

Anders kann es aussehen, wenn islamische Banken auf dem Weltmarkt tätig werden. Wenn Muslime mit Nicht-Muslimen Geschäfte machen, halten viele islamische Juristen ohnehin Ausnahmen für möglich. Besonders die nicht-staatlichen Banken lassen dann gerne einmal ihre Prinzipien hinter sich.