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Rote Zahlen auch 2010

24. November 2009

Drei Viertel der Handwerksbetriebe sind mit ihrer momentanen Lage zufrieden - trotz Wirtschaftskrise. Erstaunlich, denn der Branche geht es nicht allzu gut.

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Arbeit gäb's genug - nur zahlen will keinerBild: picture-alliance / chromorange

Die Wirtschaftskrise ist noch nicht zu Ende, aber Johann Philipps, 70 Jahre alt, Inhaber eines mittelständischen Handwerkbetriebes mit einhundert Mitarbeitern in der Ruhrgebietsstadt Bochum, ist zufrieden. Er betreut Kunden in den Bereichen Sanitär, Heizung, Lüftung, Elektro und Klima. Seine Auftragsbücher sind voll. Und das, obwohl viele Handwerker im kommenden Jahr weiter rote Zahlen schreiben werden. So rechnet der Generalsekretär des Deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer, mit einem Minus von insgesamt einem Prozent für die Branche.

Deutschland Phillipps Geschäftsführung Azubis
Keine Krisenstimmung - Philipps übernimmt seine AzubisBild: KHK Bochum

Eigentlich, sagt Johann Philipps, habe sein Betrieb die Krise überhaupt nicht wahrgenommen. Dank diverser Energiesparförderprogramme habe er trotz Weltwirtschaftskrise keine Nachteile gehabt. Das zeige auch der Auftragseingang. Somit habe sein Betrieb die Arbeitsplätze sogar noch mehr sichern können als in der Vergangenheit. Die Auszubildenden bei Philipps können schon jetzt fest mit einem Arbeitsplatz rechnen - vorausgesetzt sie bestehen die Prüfung.

Autobranche und Bau bleiben Sorgenkinder

Als Vorsitzender der Kreishandwerkerschaft Bochum weiß Philipps aber auch, dass viele andere Bereiche nach wie vor unter der Krise leiden: vom Bäcker bis zum Bauunternehmer, vom Fliesenleger bis zum Feinmechaniker. Denn die Kunden sparen weiterhin, wo sie nur können. In besonderem Maße betroffen sind laut Philipps Kfz-Betriebe. Die Abwrackprämie hat dazu geführt, dass sich viele einen Neuwagen gekauft haben - früher als ursprünglich geplant, so Philipps. Der Neuwagen steht nun in der Garage, die kleineren und mittleren Reparaturwerkstätten haben nichts mehr zu tun und sind fast zusammengebrochen. Auch den Vulkanisierbetrieben geht’s nicht besser. „Da werden die noch einige Jahre dran zu knabbern haben“, befürchtet Philipps.

Aber zurzeit läuft nicht nur rund ums Auto für das Handwerk einiges schlecht. Besonders gebeutelt, sagt Philipps, sei auch der Baubereich - mit allen anderen, die von der Branche abhängen. So wird für Neubauten wesentlich weniger investiert als noch vor der Krise. Das könne man auch daran ablesen, dass quer durch die Republik weniger Bauanträge gestellt werden als in der Vergangenheit.

Fördergelder noch "eingefroren"

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Geldgeschenke - versprochen, aber eingefrorenBild: picture-alliance/ dpa

Ein weiteres Problem: Gelder staatlicher Konjunkturprogramme sind bei den Handwerksbetrieben vor Ort vielfach noch nicht angekommen. Denn vor dem Hintergrund der Finanzkrise müssen viele Kommunen noch darauf warten, dass sie für ihren Investitionshaushalt ein Okay von höherer Stelle bekommen. So lange diese meist zweistelligen Millionenbeträge aber nicht freigegeben sind, gibt es auch keinen einzigen Cent aus Konjunkturprogrammen obendrauf.

Im Prinzip haben die Kommunen für die Handwerksbetriebe genug zu tun, doch die Aufträge können noch nicht vergeben werden - weder für Glaser, Maurer oder Schreiner, die zum Beispiel marode Schulgebäude sanieren sollen.

Handwerk entlässt spät - und stellt spät wieder ein

Trotzdem gab es im Handwerk bislang keine Massenentlassungen. Das Handwerk, sagt Philipps, hält so lange wie möglich an seinen Mitarbeitern fest. Bevor ein Chef von sechs, sieben Mitarbeitern einen entlässt, lässt er erst Überstunden abbauen oder arbeitet zugunsten seiner Angestellten selbst weniger. Entlassen wird er nur, wenn es unbedingt sein muss, denn er weiß, dass er nicht von gestern auf heute neue Leute einstellen kann. So sei das im Handwerk, sagt Philipps. Selbst wenn sich die Konjunktur erhole, werde nur zögerlich eingestellt, "weil sie nicht wissen, über wie viele Monate der Aufschwung geht."

Warten auf öffentliche Aufträge

Eine Kfz-Auszubildende schraubt in einer Werkstatt an einem Motor (Foto: DPA)
Weniger zu schrauben gibt es im Kfz-HandwerkBild: picture-alliance/dpa

Das Handwerk jedenfalls sieht seine Überlebenschance vor allem in öffentlichen Aufträgen. Der aufgelaufene Investitionsstau eröffnet grundsätzlich eine Perspektive. Allerdings müssen Gelder für überfällige Aufträge fließen. Versprochen haben Politiker laut Johann Philipps dem Handwerk in den letzten Jahren jede Menge. Jetzt warte er darauf, dass die Politiker auch zu ihrem Wort stehen. Falls sie das tun, dann sei man auf einem richtigen Weg, glaubt Philipps.

Massive Steuerbelastungen jedoch würden das Handwerk lähmen. Das heißt: Wenn der Bund Belastungen auf die Kommunen abwälzt, die dann wiederum ihre Steuersätze wie zum Beispiel die Gewerbesteuer anheben müssten, dann kämen zigtausend Handwerksunternehmen in existenzielle Nöte - und eine Trendwende wäre nicht nur nächstes Jahr nicht, sondern noch lange nicht in Sicht.

Autor: Klaus Deuse

Redaktion: Jutta Wasserrab