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Hans Unstern

16. Juni 2011

Der Berliner Songpoet Hans Unstern bewegt die Gemüter mit orchestralem Indierock und entführt uns damit auf eine verwirrende Europareise. Die Texte sind derweil tauglich für ein Germanistikseminar.

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Hans Unstern (Foto: André Habermann)
...bleibt gern unsichtbar: UnsternBild: André Habermann

Hans Unstern ist ein zierlicher Mann mit vielen Haaren auf dem Kopf und im Gesicht. Auf seinen Konzerten erlebt man eine einstündige Symphonie mit inbrünstig eindringlichen Klangwelten aus Klirren, Rauschen, Scheppern. Das klassische Indierock-Aufgebot von Bass, Gitarre und Schlagzeug paart sich mit Xylophon, Piccoloflöte, Saxophon, Streichern und nicht zuletzt einer Mundharmonika, heraus kommt orchestraler Noise mit lyrischem Sprechgesang. Das erste und immer noch aktuelle Album von Hans Unstern heißt "Kratz dich raus". Es ist letztes Jahr auf dem kleinen Label "Nein, Gelassenheit" der befreundeten Band Ja, Panik erschienen.

Apropos Mundharmonika: Alle reden derzeit von Bob Dylan. In dem Stück "Ein Coversong" bedient sich Unstern der gleichen aneignenden Methoden wie Dylan selbst, sozusagen der Dylan im Dylan. "It's alright, Ma, I'm only bleeding" musste für diesen Coversong im doppelten Sinne herhalten. Dabei bleibt Unstern als Dylan-Fan immer auch kritisch. Zum Beispiel kann er Dylans gehässige Sicht auf Menschen und Frauen nicht leiden.

Queerer Querulant mit Spängchen im Haar

Hans Unstern transportiert in seinen Liedern durchaus eine Haltung, er möchte aber nicht darauf festgelegt und reduziert werden. Wer will das schon? Das renommierte Musikmagazin Spex nannte ihn einen Feministen. Darauf antwortet Unstern, es sei anmaßend, sich als Mann so zu bezeichnen. Der Ausdruck "queer" sei vielleicht treffender, auf weitergehende Erklärungen hierzu muss man allerdings verzichten. "Es gibt wahrscheinlich gar keinen Begriff, für den ich mich völlig aussprechen würde", meint er. "Es gibt dann immer Momente oder Facetten, mit denen man seine Probleme hat."

Hans Unstern & Band (Foto: Johanna Zielinski)
Hans Unstern liebt unkonventionelle BühnenbilderBild: Johanna Zielinski

Hans Unstern bleibt in seinen Aussagen immer diplomatisch und vorsichtig. "Den Begriff queer finde ich eigentlich gar nicht problematisch", sagt er, "aber ich würde mich nicht so bezeichnen." Und dennoch ist "queer", also unangepasst, von der Norm abweichend, das Schlagwort, unter dem Hans Unstern gemeinhin firmiert.

Reden ist Silber, Singen ist Gold

Hans Unstern ist das Gegenteil einer Rampensau, die es bei jeder Gelegenheit in die Öffentlichkeit treibt. Was er zu sagen hat, kann man sich in seiner Musik anhören, dafür muss man ihn nicht interviewen. Das gehört nämlich nicht zu seinen liebsten Hobbies. Es ist ihm zuwider, seine eigenen Stücke zu interpretieren, auf Kommando lustig zu sein, geschweige denn etwas Persönliches von sich preiszugeben. "Das sind alles Sachen, die ich nicht geben will, weil ich nicht sehe, was die da zu suchen haben", betont er. "Ich empfinde es so, dass mit den Stücken alles gesagt ist, und es freut mich, wenn Leute sich damit beschäftigen."

Els Vandeweyer, Hans Unstern, Simon Bauer, Daniel Schröteler auf der Bühne (Foto: Cathrin Schierenbeck)
Lyrik auf der BühneBild: Cathrin Schierenbeck

Seine Zurückhaltung wirkt dabei immer etwas widersprüchlich: schüchtern, ängstlich, bescheiden, gleichzeitig abweisend, erhaben oder bloß weise nach dem Motto: Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen – oder sein Konzert besuchen. Dort erlebt man ein musikalisches Roadmovie, basierend auf seiner vergangenen Europareise als Straßenmusiker: absolut authentisch, privat, biographisch, in sich geschlossen.

Es gibt kaum Gelegenheit zum Klatschen und Jubeln; es wäre auch gar nicht so einfach für Unstern, mit einem losgelösten Publikum umzugehen. Da greifen die Klänge lieber nahtlos ineinander über. Und wenn man die Augen schließt und genug Phantasie im Gepäck hat, dann darf man Hans Unstern auf seinem Trip begleiten, samt neu erfundenem Rad...

Autorin: Eva Gutensohn
Redakteur: Matthias Klaus