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Die Zukunft der Medizin

22. Januar 2012

Prof. Harald zur Hausen ist Nobelpreisträger für Medizin. Die größten Herausforderungen der Medizin sieht er in der Altersforschung und der Reprogrammierung von Stammzellen.

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Nobelpreisträger für Medizin, Harald zur Hausen (Foto: ddp/AP)
"Wir brauchen Fortschritte in der Altersforschung" - Harald zur HausenBild: AP

Die großen Herausforderungen in der Medizin? Das sind für mich eindeutig diejenigen Erkrankungen, die damit einhergehen, dass wir immer älter werden. Also Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen oder Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Alzheimer oder Parkinson. Zwar erwarte ich nicht, dass wir in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren ein Patentrezept für diese Krankheiten haben werden, aber ich halte es durchaus für wahrscheinlich, dass wir hier große Fortschritte erzielen.

Voraussetzung dafür ist aber, dass wir in der Grundlagenforschung deutlich weiter kommen. Denn nur wenn wir die Ursachen - beispielsweise von Krebs - verstehen, haben wir die Möglichkeit, den Patienten auch zu heilen. Bislang wissen wir bedauerlicherweise immer noch recht wenig und leider muss ich sagen: Es ist nicht korrekt, wenn behauptet wird, wir wüssten schon enorm viel über Krebs.

Unendecktes Potenzial

Aus diesem Grund sind zwei Forschungsbereiche für unsere Zukunft von besonders großer Bedeutung: Zum einen die Altersforschung und zum anderen die Reprogrammierung von Stammzellen. Denn wenn wir verstehen, wie der Alterungsprozess genetisch reguliert wird, könnten wir ihn steuern und dadurch altersbedingte Krankheiten reduzieren. Damit wäre viel erreicht! Dabei geht es nicht in erster Linie darum, die Lebenszeit zu verlängern, sondern darum, länger gesund und damit auch aktiv und vital zu bleiben. Leider wird in diesem Bereich in Deutschland noch viel zu wenig geforscht. Hier muss in Zukunft mehr getan werden!

Eine Laborassistentin bei der Vorbereitung eines Vaterschaftstestes im Fraunhofer Institut in Leipzig (Foto: picture-alliance/dpa)
Stammzellforschung am Fraunhofer Institut in LeipzigBild: picture-alliance/dpa

Das Gleiche gilt auch für die Stammzellforschung. Ich habe das Gefühl, dass in Deutschland noch immer nicht erkannt wird, welches Potential in der Stammzellforschung steckt und wie bedeutsam dieser Forschungsbereich für die Gesellschaft ist. Mittlerweile hinken wir weit hinter den USA und Japan her. Von dort kommen die revolutionären Ideen und neuen Methoden. Prof. Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster ist da eine rühmliche Ausnahme.

Zu starke Beeinflussung der Forschung

Bedauerlicherweise wurde die Debatte um die Stammzellforschung in Deutschland extrem emotionalisiert und durch die Religion beeinflusst. Das war ein Fehler und hat Schaden angerichtet. Viele junge Wissenschaftler waren schon a priori entmutigt, im Bereich Stammzellforschung zu arbeiten. Doch zum Glück ist die Grundstimmung mittlerweile liberaler als noch für fünf oder zehn Jahren. Man spürt ein langsames Erwachen. Trotzdem macht mir Sorgen, dass in Deutschland primär lebenswissenschaftliche Themen immer wieder ideologisiert werden. Ob es um Impfungen geht oder die pränatale Diagnostik. Damit kann langfristiger Schaden angerichtet werden.

Insgesamt denke ich aber, dass wir in Deutschland für die Zukunft relativ gut aufgestellt sind. Wir haben eine Fülle an Forschungsorganisationen und das in ganz unterschiedlichen Bereichen – angefangen von den Universitäten bis hin zu den zahlreichen außeruniversitären Einrichtungen wie Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz, Leibniz oder die Fraunhofer-Gesellschaft. Diese breite Forschungsstruktur ist ein Vorteil, den wir nutzen sollten.

Prof. Dr. Dr. hc. mult. Harald zur Hausen wurde 1936 in Gelsenkirchen geboren. Er ist einer der renommiertesten Krebsforscher der Welt. Von 1983 bis 2003 war er Vorsitzender und wissenschaftliches Mitglied des Stiftungsvorstandes des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. 2008 erhielt Harald zur Hausen den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung, dass Viren Gebärmutterhalskrebs verursachen können.