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Harting ruft zu Sturz von IOC-Chef Bach auf

Sarah Wiertz26. Juli 2016

Seine Titelsammlung ist beeindruckend, ebenso seine "Berliner Schnauze". Der deutsche Diskuswerfer Robert Harting ist ein Sportler mit Profil, der kurz vor den Spielen von Rio harsche Kritik an IOC-Präsident Bach übt.

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Deutsche Goldhoffnungen Robert Harting (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa/S. Hoppe

Er weiss sich in Szene zu setzen: Nach großen Siegen zerreisst Robert Harting gerne mal sein Trikot. Nach seinem Olympiasieg 2012 in London tauften die Briten den 2,01-Meter-Hünen auf den Spitznamen "The Incredible Harting", in Anlehnung an den "Unglaublichen Hulk", das grüne, wutschnaubende Kraftpaket aus der Comicwelt. Und manchmal bricht auch aus dem realen "Hulk" die Wut heraus.

"Ich verabscheue diesen Menschen"

"Einfach peinlich", nennt Harting das Vorgehen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im Fall Russland und greift direkt den deutschen IOC-Präsidenten an: "Er ist für mich Teil des Doping-Systems, nicht des Anti-Doping-Systems. Ich schäme mich für Thomas Bach", sagte der Diskus-Olympiasieger von London bei einem Medientermin vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Harting schäumt und ist auch sichtbar verärgert über die Entscheidung des IOC, die Zulassung russischer Athleten einfach an die Fachverbände weiterzureichen. Dadurch fahren nun doch viele russische Athleten nach Rio. Bach habe "keinerlei Interesse, den Schmerz" der sauberen Athleten "zu fühlen". "Ich persönlich verabscheue diesen Menschen mehr denn je und schäme mich sehr stark dafür, dass ich in indirekter Situation am Gleichen mit ihm arbeite", so Harting in deutlichen Worten. Er hoffe, dass eine "Allianz aus Wirtschaft, Medien und Politik" den Chef des Weltsports nun stürzen werde.

Harte Worte von einem, von dem man harte Worte gewöhnt ist. Harting ist ein Wortführer im internationalen Sport, der bereit ist, anzuecken, für seine Überzeugungen zu kämpfen. Harting, der schätzt, dass rund 30 Prozent der Spitzensportler dopen, hat immer wieder die Missstände im Anti-Doping-Kampf angeprangert. Er will einen sauberen und fairen Wettkampf. Denn genau dafür lebt er: für den Kampf Mann gegen Mann. "So was brauche ich", hat Harting einmal gesagt. In diesen Momenten ist er besonders stark. Wie bei seinem beeindruckenden Sieg bei den Weltmeisterschaften in Berlin 2009, der Stadt, in der er lebt.

Flash-Galerie Robert Harting Leichtatlethik-WM 2011 Daegu Südkorea (Foto: dapd)
Harting: Sie schmecken ihm, die MedaillenBild: dapd

29 Siege in Folge

Sein Dauerrivale Piotr Malachowski aus Polen legte damals im ersten Versuch 68,43 Meter vor und steigerte sich im fünften Durchgang auf 69,15 Meter. Doch dann schlug Hartings Diskus bei 69,43 Metern auf - 32.000 Zuschauer im Olympiastadion jubelten. Und Malachowski konnte nicht mehr kontern.

Der 32-Jährige Harting setzt sich gerne selbst unter Druck. So sagte er vor den Olympischen Spielen 2012 in London: "Ein kompletter Athlet bist du erst als Olympiasieger." Und er gewann Gold. Den Titel, der ihm noch fehlte. Es war sein 29. Sieg in Folge. Robert Harting war gleichzeitig amtierender Olympiasieger (2012), Weltmeister (2009, 2011, 2013) und Europameister (2012, 2014). "Wenn ich nicht Gold hole, stirbt meine Sportart aus", erklärte Robert Harting 2013.

Umstrittene Äußerungen

Doch nicht nur seine Erfolge machen Robert Harting über die Leichtathletik hinaus bekannt. Auch seine manchmal umstrittenen Meinungen und Aktionen sorgen für Schlagzeilen. So äußerte sich der Schützling des wegen seiner DDR-Vergangenheit kritisierten Trainers Werner Goldmann zu der Aktion von Dopingopfern der DDR, am Eingang des Olympiastadions Pappbrillen zu verteilen, um Zuschauer vor "dem Anblick gedopter Sportler zu bewahren". So sagte Robert Harting: "Wenn der Diskus aufkommt, soll er gleich gegen die Brillen springen, damit die wirklich nichts mehr sehen."

Robert Harting im Training (Foto: dpa)
Hart in seinen Worten, hart im Training: Robert Harting kämpft für seinen Sport und seinen ErfolgBild: picture-alliance/dpa/Michael Kappeler

Streitbar, aber immer geradeaus, so ist Harting. Dabei ist er aber auch selbstkritisch und ehrlich. Den "Harting von gestern", nannte er bereits 2007 einen "Idioten" und beschrieb ihn: "Viel zu ehrgeizig, rücksichtslos und verbissen. Eigentlich konnte ich mich selbst nicht leiden". Während er früher die Zusammenarbeit mit einem Sportspychologen rigoros ablehnte, half ihm 2011 einer, einen Burn-out zu verhindern.

Verletzungsserie

Haltung zeigen, das ist Robert Harting sehr wichtig. 2014 ließ er sich aus dem Kandidatenkreis für die Wahl zum "Welt-Leichtathleten des Jahres 2014" streichen - aus Protest gegen die gleichzeitige Nominierung des Dopingsünders Justin Gatlin. Der gebürtige Cottbuser kritisiert und mahnt jedoch nicht nur, er macht auch konkrete Vorschläge, beispielsweise einen Anti-Doping-Fonds. Oder er initiiert eine Sportlotterie, um deutsche Athleten finanziell zu helfen.

Sportlich ist es ruhiger geworden um den Ausnahmeathleten. Wegen einer Verletzungsserie nahm er 2015 an keinem Wettkampf teil. Und auch in diesem Jahr machte er sich eher rar, startete Anfang Juni beim Diamond-League-Meeting in Rom, ließ die EM in Amsterdam aber sausen. "Ich brauche einfach die nächsten Wochen im Training, um bei Olympia konkurrenzfähig zu sein", so Robert Harting. Seinen neunten Titel als deutscher Meister verteidigte er zuvor aber erfolgreich vor seinem jüngeren Bruder Christoph und sicherte so sein Olympia-Ticket. Die Spiele in Rio de Janeiro werden Hartings dritte sein. Und wir werden bestimmt von ihm hören. Sportlich oder verbal.