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Generation 1000

11. Mai 2009

Sie verdienen nach dem Studium um die 1000 Euro und das mit Jobs, die nichts mit ihrem Studium zu tun haben: Die "Generazione Mille" in Italien ist auf der Suche nach Festanstellung – und das ist nicht einfach.

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Telefonistinnen in einem Callcenter
Mit Kopfhörer und Mikrofon zum Dumpinglohn - die Generation 1000Bild: DW-TV

Lucias Arbeitsplatz misst ein Meter mal ein Meter, sie trägt gepolsterte schwarze Kopfhörer und ein Mikrofon vor dem Mund, in das sie ununterbrochen hineinspricht. Lucia hat Kommunikation und Marketing an Privatuniversitäten in Mailand und London studiert – und arbeitet heute in einem Callcenter. Die Entscheidung zu studieren habe sie oft bereut, erzählt Lucia. "Hätte ich nicht fünf Jahre meines Lebens über den Büchern zugebracht, sondern direkt nach dem Abitur zu arbeiten angefangen, dann hätte ich vielleicht schon längst eine gesicherte Existenz und eine eigene Wohnung."

Die Nachteile der Flexibilität

Junge rotharrige lächelnde Frau im Anzug mit Bücherstapel
Zu viel studiert für diesen Arbeitsmarkt?Bild: picture-alliance/chromorange

So wohnt die 28-Jährige noch bei ihren Eltern, hat einen Sechs-Monats-Vertrag und verdient 780 Euro netto im Monat. Als studierte Kommunikationswissenschaftlerin hatte Lucia gehofft, im Callcenter schnell aufzusteigen. Ihr Chef, Umberto Costamagna, will sich zu Lucias beruflichen Perspektiven in seinem Callcenter nicht konkret äußern. "Das ist der schlimmste Moment: Zurzeit herrscht ein furchtbares Durcheinander, in dem man versucht, die zeitlich befristeten Verträge abzuschaffen. Aber wir haben noch keine neuen Instrumente für eine saubere Flexibilität, die Wirtschaftswachstum garantiert", sagt Costamagna.

Wenn Lucia das Wort "Flexibilität" hört, blitzen ihre Augen böse auf. Flexibilität sei im Klartext: 100 Prozent Einsatzbereitschaft gegen Null Sicherheit, sagt sie. Einen regulären Arbeitsvertrag mit Rentenbeiträgen und bezahltem Urlaub hat Lucia noch nie in den Händen gehalten. Stattdessen gab es für sie immer nur Zeitverträge. "Auch wenn du eine Arbeit hast, weißt du, dass du sie morgen schon verlieren könntest und deshalb bist du ständig auf der Suche und schreibst Bewerbungen neben deiner Arbeit. Das ist eine verdammt blöde Situation", erzählt sie.

Keine Jobs für qualifizierte Kräfte

Wenn der Chef nicht hinsieht, sucht Lucia im Internet nach Arbeitsangeboten. Oft geht sie auf die Internetseite www.generazione1000.com und fragt im Forum, ob jemand die Arbeitsbedingungen in dem Unternehmen kenne, bei dem sie sich bewerben will. "Generazione 1000" ist Italiens erste Internet-Comunity für gut ausgebildete Berufseinsteiger, die von niedrigen Löhnen und verbauten Aufstiegschancen frustriert sind.

Insgesamt gibt es rund 3,5 Millionen Zeitarbeiter wie Lucia in Italien. "Der italienische Arbeitsmarkt ist ein Low-Tech-Arbeitsmarkt: Italien investiert in Forschung und Entwicklung nur die Hälfte von dem, was andere Industrieländer aufbringen", sagt Emilio Ryneri von der Mailänder Universität Bicocca. "Italien ist das Land der Kleinunternehmen, aber die fragen viel zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte nach."

Zu gut für viele Jobs

Toaster, Aufnahme Dezember 2006. ©Kitty Kleist-Heinrich
Küchengeräte verkaufen mit Festanstellung, den Traumjob gibts nur mit Unsicherheit?Bild: picture-alliance / Tagesspiegel

Das bekommen vor allem Geisteswissenschaftler wie Lucia oder Claudio Pellegatta zu spüren. Claudio ist Politikwissenschaftler und häufig auf der Seite "Generazione 1000" unterwegs. "Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, auch im Ausland und schon während des Studiums, und ich dachte, dass mir das später zugute kommen wird. Leider ist mir dann aber oft gesagt worden, dass jemand mit zu viel Erfahrung abschreckend wirkt, weil sie jemanden vorziehen, der einfach nur hier studiert hat", erzählt er von seinen Problemen.

Nach einem Praktikum bei der UNO in Genf und einer Mutterschaftsvertretung bei der italienischen Handelskammer arbeitet Claudio heute als Vertreter für Küchengeräte. Sein Traumjob sei das nicht, aber es sei immerhin eine feste Stelle.

Autor: Kirstin Hausen

Redaktion: Richard Fuchs