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Hauptverhandlung im Fall Diren D.

5. Dezember 2014

War der im US-Staat Montana erschossene Austauschschüler aus Hamburg nur Opfer - oder auch Täter? War der Todesschütze nur Täter - oder auch Opfer? Die Geschworenen von Missoula sind um ihre Arbeit nicht zu beneiden.

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Der Angeklagte Markus Kaarma (l.) und sein Verteidiger Paul Ryan (Foto: Reuters/A. Mouratidis)
Der Angeklagte Markus Kaarma (l.) und sein Verteidiger Paul RyanBild: Reuters/A. Mouratidis

Im Prozess um den Tod von Diren D. im US-Bundesstaat Montana sind sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung über eines einig: Es war stockdunkel in der Garage, in der ein Hausbesitzer den Hamburger Austauschschüler in der Nacht zum 27. April erschoss. Ob dies auf Vorsatz oder Notwehr hindeutet, stand am Donnerstag im Zentrum der Eröffnungsplädoyers vor dem Bezirksgericht von Missoula. Während die Ankläger dem 30-jährigen Markus Kaarma vorwarfen, kaltblütig geschossen zu haben, zeichneten die Verteidiger das Bild eines Mannes in Panik.

Fall Diren wird aufgerollt

Der erste Tag der Hauptverhandlung war besonders für die Eltern des getöteten Schülers hart. Als die stellvertretende Bezirksanwältin Jennifer Clark erst ein Foto von den Blutspuren auf der Stoßstange des Wagens in der Garage zeigte und dann die Schrotflinte vorführte, mit der Kaarma in die Dunkelheit gefeuert hatte, schluchzte Gülcin D. unwillkürlich auf. "Nein, nein, nein, bitte", habe Diren gefleht, zitierte Clark eine Aussage der Lebensgefährtin des Schützen.

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft wartete Kaarma in aller Ruhe ab, bis der Teenager in die halb offene Garage gegangen war. Erst dann sei er selbst aus dem Haus gegangen und habe von außen viermal in die Garage geschossen, wobei er den Teenager tödlich verletzte. "Er stellte ihm nach seinen eigenen Worten eine Falle, und dadurch machte er sich selbst zum Aggressor", sagte Clark. "Wir werden zeigen, dass in diesem Fall keine berechtigte Gewaltanwendung vorlag."

Der Strafverteidiger Paul Ryan dagegen erklärte, sein Mandant habe keineswegs kaltblütig gehandelt. "Er konnte nichts sehen. Er rief, hey! Dann hörte er eine schnelle Bewegung und dann ein Geräusch wie von Metall. Er dachte, jetzt werde ich attackiert." Kaarma und seine Lebensgefährtin hätten sich nach mehreren Einbrüchen bedroht gefühlt. Viele der mutmaßlichen Täter seien Fußballspieler wie Diren gewesen. Einige hätten mit Diren und seinem Begleiter Robby P. in der fraglichen Nacht in Kontakt gestanden.

Die Eltern von Diren, Gülcin und Celac (M.) Dede im Gerichtssaal in Missoula (Foto: Reuters/A. Mouratidis)
Ein Alptraum: Die Eltern von Diren, Gülcin und Celac (M.) Dede im Gerichtssaal in MissoulaBild: Reuters/A. Mouratidis

Robby P., der andere Austauschschüler, der mittlerweile wieder in Ecuador ist, bemüht sich derzeit um ein Visum, um in Missoula aussagen zu können. Der Prozess werde zeigen, dass eine Bande von Teenagern reihenweise in Garagen eingebrochen und dort Wertsachen gestohlen habe, so Ryan weiter. "Hier wurde keine Falle gestellt, hier wurde eine Familie zur Zielscheibe."

Die Verteidigung nahm drei Schüler der Big Sky High School ins Kreuzverhör - einer von ihnen lebt im Nachbarhaus, die anderen beiden sind eines früheren Einbruchs bei Kaarma überführt worden. Alle drei bestritten, Diren gekannt oder mit ihm zusammen beim sogenannten "Garage-Hopping" aus fremden Garagen Alkohol, Drogen oder Wertsachen gestohlen zu haben.

Die Anklage gegen Kaarma lautet auf vorsätzliche Tötung, darauf stehen mindestens zehn Jahre Haft. In Montana und vielen anderen US-Bundesstaaten dürfen Hausbesitzer tödliche Gewalt anwenden, sofern nachvollziehbar ist, dass sie um Leib und Leben fürchteten. Das noch vor Weihnachten erwartete Urteil der zwölf Geschworenen muss einstimmig fallen.

sti/se (afp, dpa)