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Haushaltspolitische Lockerungsübungen

Bernd Riegert, Brüssel3. September 2004

Der EU-Währungskommissar Joaquin Almunia hat eine Lockerung des Stabilitätspaktes vorgeschlagen. Doch wer zahlt den Preis? Ein Kommentar von Bernd Riegert.

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Bernd Riegert

Nach zweieinhalb Jahren Streit und einem höchstrichterlichen Urteil geloben EU-Kommission und die europäischen Finanzminister nun Kompromissbereitschaft. Sie wollen den Stabilitätspakt für den Euro gemeinsam retten und den politischen Fakten anpassen. So wie ihn die Väter und Mütter der Gemeinschaftswährung ersonnen hatten, war der Stabilitätspakt nicht umzusetzen, da ausgerechnet die beiden größten Volkswirtschaften Europas, Deutschland und Frankreich, notorisch zuviel Schulden machen.

Den Schuldenmachern, die mehr als drei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes pro Jahr aufnehmen, soll künftig mehr Zeit gegeben werden und ihre besonderen konjunkturellen Umstände sollen stärker berücksichtigt werden. Die Auswirkungen von Sparauflagen aus

Brüssel sollen besser kalkuliert werden, Strukturreformen in den Ländern sollen mehr Pluspunkte bringen. Eine willkommene Lockerung für den deutschen und den französischen Finanzminister, die wirtschaftspolitisch sinnvoll ist, wie die Mehrheit der Experten meint.

Aber die Glaubwürdigkeit des Paktes und der europäischen Finanzpolitik leidet, denn nirgendwo sonst ist es statthaft, die Regeln des Spiels zu ändern, während das Spiel schon

läuft. Gleichzeitig bieten die alten Euro-Länder den neuen Mitgliedsstaaten mit teilweise stark anwachsenden Defiziten ein schlechtes Beispiel: Wie soll man sie unter diesen Vorzeichen zur Haushaltsdisziplin anmahnen? Noch vor einigen Jahren hat auch der deutsche Finanzminister Hans Eichel dem Ziel zugestimmt, ausgeglichene Haushalte zu schaffen, da sie das beste aller möglichen Konjunkturprogramme seien. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Die Zeche zahlen künftige Generationen und auch die kleineren EU-Staaten, die bislang dem Pakt folgten und ihre Haushalte mit weniger Schulden finanzierten.

Die europäische Zentralbank in Frankfurt fürchtet zu Recht, dass mit einer Lockerung des Paktes auch der Druck zur Konsolidierung auf die nur kurzfristig denkenden Finanzminister schwinden könnte. Langfristig könnte ein weichgespülter Stabilitätspakt das Vertrauen der Anleger in den Euro schwächen. Davon ist allerdings bislang noch nichts zu spüren, selbst nach dem rechtswidrigen Beugen des Paktes durch die Finanzminister im November 2003 stieg sein Kurs noch an.

Erst in der ersten Hälfte des nächsten Jahres werden die EU-Institutionen eine Reform des Stabilitätspaktes formal beschließen. Die Diskussion beginnt also erst. Eines ist schon klar: die Kriterien von 3 Prozent für Neuverschuldung und 60 Prozent für die Gesamtverschuldung werden nicht angetastet, nur die Regeln drum herum sollen flexibler werden. Das heißt, es gibt noch keine völlige Entwarnung für Bundesfinanzminister Hans Eichel, der größte Schwierigkeiten haben dürfte, 2005 tatsächlich das berühmt-berüchtigte Maastricht-Kriterium von 3 Prozent wieder zu schaffen. Formal gilt weiter der Spruch des Stabilitätspakt-Erfinders Theo Waigel. Der konservative Vorgänger des Sozialdemokraten Eichel hatte bei der Geburt des Stabipaktes 1998 beschworen: "Eine Drei bleibt eine Drei."