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Heiliger Krieg?

25. März 2010

Es ist die ungewöhnlichste Wohngemeinschaft der Welt: In der Grabeskirche streiten sechs Konfessionen seit Jahrhunderten um Gebetszeiten, Eingänge und Zugänge zum Grab Jesu. Ihre Geschichte erzählt jetzt ein Kinofilm.

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Filmszene aus: Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen, Quelle: X-Verleih Filmszene
Griechisch-orthodoxe Mönche feiern die Auferstehung Christi mit dem Wunder des heiligen FeuersBild: X-Verleih

Menschentrauben drängen in Shorts und knappen T-Shirts durch die alte Holztür, es wird geschoben und gerempelt, in der Luft liegt ein Gemisch aus Schweiß und Weihrauch. An dem Stein, auf dem Jesus gesalbt worden sein soll, beten oder weinen Gläubige voller Hingabe; andere fotografieren und telefonieren. Und immer wieder mahnen Mönche im Kommandoton zur Eile, damit nur ja keiner zu lange vor dem Grab Christi verharrt: Mit dieser Szene nimmt der Regisseur Hajo Schomerus den Zuschauer mit in die Grabeskirche in Jerusalem, wo die Stimmung manchmal unbesinnlicher nicht sein könnte.


Vier Monate hat er dort für seinen Film "Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen" (Kinostart 25.03.2010) gedreht, und einen Alltag dokumentiert, der selten von christlichem Miteinander geprägt ist. Gleich sechs Konfessionen teilen sich in der Kirche das Hausrecht: Die griechisch-orthodoxen Christen, die römisch-katholischen, syrische und armenische Christen, äthiopische Abessinier und ägyptische Kopten. Seit Jahrhunderten leben sie unter demselben Dach, doch es ist vor allem der "Status Quo" - ein von der osmanischen Regierung 1852 erlassener Verhaltenskodex - der den religiösen Eifer im Zaum hält. Aber nicht immer.

Father Samuel Aghoyan, Filmszene aus: Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen, Quelle: X-Verleih Filmszene
Auch Putzen kann zum Streipunkt werden: Father Samuel AghoyanBild: X-Verleih


Streit um Putz- und Gebetspläne

Denn jede Gruppe wacht eifersüchtig über die eigenen Rechte und beäugt eventuelle Übervorteilungen der anderen. Die abessinischen Christen, die wegen nicht bezahlter Steuern schon vor Jahrhunderten aus der Basilika ausgeschlossen wurden, haben sich auf dem Dach der Kirche eingerichtet. Die koptischen Christen, die den Haupteingang des Grabes nicht benutzen dürfen, bauten sich eine kleine Kapelle an der Rückseite der Grabkammer und die Griechisch-Orthodoxen verteidigen raubeinig den Vordereingang. Nicht denkbar sind gemeinsame Gebete oder Messen, weshalb ein Stundenplan die kostbare Zeit vor dem Grab einteilt.

Selbst der Putzplan birgt Konfliktpotential, erklärt der armenische Priester Father Samuel Aghoyan in dem Film, dann nämlich, wenn jemand außerhalb der vorgegebenen Zeiten sauber macht: "Man könnte ein Gewohnheitsrecht daraus ableiten", erklärt er, "nach dem Motto: Wenn ich einen Ort Jahre lang putze, gehört er mir auch!" Aus dem gleichen Grund können sich die christlichen Gruppen auch nicht auf die dringend notwendigen Renovierungsarbeiten der Grabeskirche einigen – denn irgendjemand könnte Besitzansprüche anmelden.




Prügelei in der Grabeskirche

Die Grabeskirche in Jerusalem, Filmszene aus: Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen, Quelle: X-Verleih Filmszene
Im Herzen des Pulverfasses Jerusalem steht die anno 325 über Jesu Grabmal errichtete Grabeskirche - der heiligste Ort der christlichen Welt. An die 300 christliche Glaubensrichtungen existieren und sechs davon haben sich einen Platz in dieser Kirche erkämpft.Bild: X Verleih

Zu hohen Festtagen geraten die Gläubigen und die religiöse Leidenschaft schon mal derart in Wallung, dass Prozessionen sich gegenseitig in die Quere kommen, Zeremonien und Liturgien dicht gedrängt nacheinander, nebeneinander oder übereinander stattfinden, Pilgerströme aus aller Welt sich vor dem Grab Christi verkeilen und plötzlich Geistliche mit Palmwedeln aufeinander eindreschen. "Jesus ist bestimmt wie der Vater oder die Mutter, deren Kinder sich immer wieder streiten, obwohl sie sich im Grunde mögen", erklärt der koptische Priester Abuna Afrayem mit einem Schmunzeln, "und wenn die Kinder wieder aufeinander herumhacken, denken sie: Die werden schon noch erwachsen und das lernen. Irgendwann."

Nur nachts, wenn die unfreiwillige Wohngemeinschaft in der Kirche eingeschlossen ist, beten die Mönche vor dem Grab und die Kirche wird zu einem spirituellen Ort der religiösen Hingabe und Sehnsucht nach Gott.


Menschliche Seiten

Der koptische Priester Abuna Afrayem, Filmszene aus: Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen, Quelle: X-Verleih Filmszene
"Wie Kinder, die sich streiten!" - Der koptische Priester Abuna AfrayemBild: X-Verleih

Alle die Facetten dieser Kirche zeigt Schomerus in seinem Film auf, für den das Zitat aus dem Johannesevangelium "Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen" passender nicht sein könnte. Es ist ein humorvolles und liebevolles Portrait des Lebens in der geteilten Grabeskirche und trotz mancher Szene, die schon an Realsatire grenzt, gelingt es ihm, die Protagonisten weder ins Lächerliche zu ziehen noch zu bewerten. Stattdessen gewinnt der Zuschauer Sympathie für diese skurrilen Figuren mit ihren manchmal verstockten Überzeugungen, denn Schomerus wollte die "menschliche Seite" dieses heiligen Ortes zeigen, sagt er. Und irgendwie, so muss er zugeben, habe er auch Verständnis für jede der Gruppen: "Da ringt das christliche Verständnis von Nächstenliebe und die andere Wange hinzuhalten mit dem eigenen Bedürfnis, sich vorne in der Schlange anzustellen, sich vorzudrängeln. Ich finde, die Grabeskirche ist vor allem ein sehr menschlicher Ort!", sagt er.

Autorin: Ina Rottscheidt

Redaktion: Anne Allmeling