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Preiswert und simpel

21. Dezember 2010

Die Deutschen lieben ihren ALDI-Supermarkt. Nirgendwo sonst gibt es Lebensmittel so günstig und übersichtlich. Und das lernen auch die Amerikaner zu schätzen.

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Bild: DW

Als ich das erste Mal einen amerikanischen Supermarkt betrat, wollte ich nur schnell etwas für mein Abendessen einkaufen. Die Ausmaße der Regale und die schier unendliche Auswahl begeisterten mich anfangs noch sehr. Das änderte sich jedoch, als ich mich nach 45 Minuten immer noch nicht für eine Sorte Nudeln und eine Fertigsoße entschieden hatte und das Magenknurren immer lauter wurde. In diesem Moment wurde mir klar: Das hier ist viel zu kompliziert für mich.

Einkaufswagen vor einem Aldi - Supermarkt (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Denn mein deutsches Hirn denkt in ALDI-Maßstäben. Der beliebteste deutsche Discounter-Supermarkt setzt auf das simple Konzept "Weniger ist mehr". Gestapelte offene Kartons ersetzen die Regale. Es gibt eine Auswahl zwischen höchstens drei gleichwertigen Produkten. Und vor allem lenkt einen nichts vom Einkaufen ab: keine Musik, keine Werbung, kein Punktesammelsystem, keine Dekoration. Stundenlange Preisvergleiche sind überflüssig, denn es ist eh alles billig. In der meterlangen Schlange an der Kasse des USA-Supermarkts verstärkte sich meine Sehnsucht nach ALDI noch mehr. Denn die deutschen ALDI-Kassiererinnen sind erwiesenermaßen die schnellsten.

Ein glücklicher Zufall

Ich versuchte, mit der Packung Spaghetti möglichst lange auszukommen, um einen erneuten Supermarktbesuch zu umgehen. Einige Tage später stieg ich versehentlich in den falschen Bus. Ein typischer Fall von Glück im Unglück. Denn als ich da so mies gelaunt und orientierungslos aus dem Fenster schaute, entdeckte ich plötzlich einen ALDI. Mitten im Nirgendwo in Maryland. Seitdem fahre ich jeden Sonntag mit dem Bus zu meinem deutschen Discounter, um meinen Wocheneinkauf zu erledigen. Aber dieser Ausflug bedeutet mir noch viel mehr. Er stillt mein – doch zeitweise aufkeimendes – Heimweh. ALDI ist einfach der einzige Ort hier in den USA, wo mir alles vertraut ist. Naja, fast alles. Denn die Produktpalette hat sich natürlich den amerikanischen Essgewohnheiten und Maßstäben angepasst. So gibt es Milch zum Beispiel nur in 3-Literflaschen und Instant-Nudeln haben Cheeseburger-Geschmack. Gummibärchen lassen sich hier scheinbar nur in grellen Neonfarben verkaufen. Aber man bekommt dort tatsächlich auch deutsche Spekulatius und schwäbische Spätzle.

Andere Länder, andere Produkte

Am ALDI-Sortiment kann man aber auch gut erkennen, wie wenig Ahnung die Amerikaner von europäischer Esskultur haben. Im Kühlregal gibt es schwedische Fleischbällchen, die hier schamlos als "Italian Style Meatballs" verkauft werden. Und was würden die Österreicher wohl dazu sagen, wenn sie wüssten, dass ihr Strudel hier - mit Zucchini gefüllt – als "Deutsche Küche" verkauft wird? Paniertes Hähnchenschnitzel ist angeblich typisch italienisch, paniertes Schweineschnitzel wird aber als typisch deutsch angepriesen. Manchmal muss ich laut lachen, wenn ich durch meinen ALDI laufe.

Letzte Woche habe ich zum ersten Mal meinen amerikanischen Mitbewohner John überreden können, mit mir zu ALDI zu fahren. Während ich begeistert drauf los shoppte, fühlte sich John anfangs sichtlich unwohl. Kein Wunder, ist er doch die riesigen und durchgestylten amerikanischen Supermärkte gewohnt. Die spartanische Einrichtung, die offenen Kartons und der schmucklose graue PVC-Boden des Marktes müssen ihm das Gefühl gegeben haben, er sei in einer Essensausgabe für Obdachlose gelandet. Weil er wohl meine Gefühle nicht verletzen wollte, legte er am Ende aber doch ein paar Sachen in seinen Wagen. An der Kasse ließ ich ihn dann raten, wie viel er gleich bezahlen müsse. Er schaute kurz auf seine Sachen und sagte dann: "Mindestens 25 Dollar". Ich grinste und schwieg. Als wir raus gingen, sagte er begeistert: "Hier fahren wir jetzt immer hin!" Er hatte 14 Dollar bezahlt.

Autorin: Laura Schameitat
Redaktion: Hartmut Lüning